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Der Forscher Sami Haddadin ist sehr zuversichtlich, was den Standort Deutschland angeht.

© Privat

Künstliche Intelligenz: Der Mann, der Deutschlands Roboter an die Weltspitze bringen soll

Sami Haddadin ist Deutschlands wichtigster Roboterforscher. In München baut er ein neues Forschungszentrum auf – und lobt den KI-Standort Deutschland.

Wenn Sami Haddadin über die Fähigkeiten und Grenzen von Künstlicher Intelligenz (KI) spricht, zeigt er gern Fotos von den legendären Siegen der Computer gegen Schachweltmeister Garri Kasparow oder den besten Go-Spieler Lee Sedol. Denn ihnen gegenüber sitzt immer noch ein unbekannter Mensch. Ihre Aufgabe ist es, die Spielsteine zu setzen, denn auch wenn manche Züge von Googles AlphaGo auf den unterlegenen Koreaner Sedol „fast göttlich“ wirkten, tun sie sich mit dem simplen setzen der Figuren schwer.

Doch selbst speziell für menschenähnliche Bewegungen gebaute Roboter stoßen schnell an Grenzen. Bei den sensomotorischen Fähigkeiten sind sie meist auf dem Niveau von dreijährigen Kindern, sagt Haddadin. Das zeigen auch Videos von einem Wettbewerb der US-Forschungsbehörde Darpa, bei der Roboter Türen öffnen sollen: Gleich reihenweise verlieren sie beim Drücken der Klinke das Gleichgewicht und kippen um.

Solche Probleme will Haddadin lösen und baut dazu derzeit an der TU München ein großes Forschungszentrum auf. Das Hauptgebäude, in dem bis zu 300 Wissenschaftler arbeiten können, steht inzwischen. „Derzeit sind wir über 50 und planen bis Ende des Jahres auf weit über 100 zu kommen“, sagt Haddadin. Auch der praktische Einsatz der neuen Technologien ist dabei enorm wichtig, beispielsweise im geplanten Geriatronik-Zentrum in Garmisch-Partenkirchen, wo der Einsatz von KI und Pflegerobotern im Alter getestet werden soll.

Es ist das erste Leuchtturmprojekt der Munich School. „Da werden wir im Sommer operativ starten, der Aufbau ist schon in vollem Gange“, sagt Haddadin. Gestern besuchten auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Munich School of Robotics and Machine Intelligence (MSRM) und informierten sich über den Stand der Technik.

Deutschland ist besser als sein Ruf

Besonders gern zeigt Haddadin bei solchen Gelegenheiten seine Greifarme, die eine ganz spezielle Herausforderung meistern: Die Roboter können einen Schlüssel ins Schloss stecken und umdrehen. Das Besondere ist, dass die Greifarme wie Kinder die Fähigkeit allein durch Probieren und Beobachten erlernen können.

Dabei gab es zu Beginn seiner Karriere ein entscheidendes Problem: Es fehlten schlicht die Roboter, um solche Fähigkeiten zu trainieren. „Ich wollte dann auch für meine eigene Forschung selbst den PC der Robotik schaffen, die Forschungsfinanzierung gestaltete sich aber äußerst schwierig“, sagt Haddadin. Meist wurde jedoch gesagt, das sei so nicht zu bewältigen. Daher gründete er mit Franka Emika ein Start-up, kümmerte sich um die Finanzierung und entwickelte die entsprechende Technologie schlicht selbst. Das Ergebnis vergleicht er mit dem Technologiesprung von der Pferdekutsche zum Automobil. Und mit Stolz sieht er, wenn seine Kreationen auch in Japan oder Forschungszentren wie Stanford und dem MIT genutzt werden.

Auch sonst sieht er Deutschland im Standortwettbewerb mit den USA oder China deutlich besser aufgestellt als manch anderer: „Wir sind in Deutschland gar nicht so hintendran, sondern machen tolle Wissenschaft.“ Deswegen sei er auch nach München gegangen, trotz Angeboten von US-Elite-Hochschulen wie Stanford oder dem MIT. „Es ist auch nicht so, dass sie dort Millionen verdienen“, sagt Haddadin zur oft geführten Debatte um die Bezahlung von KI-Spezialisten.

Robotik - die "Königsdisziplin der KI"

Mit Riesensummen locken dagegen die großen US-Technologiekonzerne. Doch es gebe auch genug Wissenschaftler, denen das allein nicht genüge: „Die wollen dabei an Cutting-Edge-Technologien arbeiten und an einem Ort sein, der die richtige Grundethik hat.“ Die Klage, man bekäme in Deutschland kaum gute KI-Forscher, will Haddadin daher auch nicht teilen. Als Stellen für die MSRM ausgeschrieben wurden, kamen für jede davon teilweise bis zu 300 Bewerber aus aller Welt. Darunter seien viele qualifizierte Talente. „Das gibt uns doch Mut“, sagt Haddadin, der ohnehin für eine Grundzuversicht plädiert.

Allerdings müsse klug und strategisch in die vorhandenen Topstandorte und die dortigen Köpfe investiert werden. Zudem sei es wichtig, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit dort auch Ökosysteme für die Firmen von morgen entstehen. „Ich wünsche mir auch, dass aus der School heraus viele neue Unternehmen durch viele junge kluge Köpfe entstehen“, sagt Haddadin. Auch in dieser Beziehung will er ein Vorbild sein, auch wenn er inzwischen bei seiner Firma Franka Emika nur noch Anteilseigner ist. „Ich sehe mich als Forscher und Innovator, nicht als Unternehmer und weiß auch, wo da meine Grenzen liegen.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrem Besuch am Freitag an der TU München.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrem Besuch am Freitag an der TU München.

© AFP

Er widmet sich derweil der Frage, was in Sachen KI als nächstes kommt. „Ich denke in der nächsten Phase geht es um maschinelle Intelligenz und dabei braucht Intelligenz einen Körper“, sagt Haddadin. Diese Verbindung und die Entwicklung feinfühliger Roboter ist für ihn die „Königsdisziplin der KI“

Und damit ist er wieder bei der menschlichen Hand, die er gern auch wahlweise als „Wunderwerk“ bezeichnet, das entscheidenden Anteil an der Entwicklung der Intelligenz des Menschen habe. Schließlich sei die Hand nicht nur ein Werkzeug, sondern trainiere uns, mit der Welt besser umzugehen. „Das Interagieren mit der realen Welt ist ein sehr wichtiger Prozess, damit wir unsere Kreativität entfalten und weiter entwickeln können.“

Daher plädiert er auch in der Bildung für Vielfalt und betont die Bedeutung, die es beispielsweise habe, ein Instrument spielen zu lernen. Aber neben Musik seien auch Musik oder Sport genauso elementar wie Informatik. „Es ist daher wichtig, dass wir nicht im Überschwang meinen, Kinder müssten nur noch programmieren“, sagt Haddadin, „ich glaube auch nicht, dass jedes Klassenzimmer 30 Tablets braucht und alle dann nur noch wischen können."

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