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Oben angekommen. Der neue Gasag-Chef Stefan Grützmacher (48), hier auf dem Dach der Zentrale am Hackeschen Markt, will das Beratungsgeschäft ausbauen. Foto: Georg Moritz

© Georg Moritz

Neuer Gasag-Chef: Kümmerer aus Kiel

Der neue Chef der Berliner Gasag, Stefan Grützmacher, hat erste Ideen entwickelt, was aus dem Traditionskonzern werden könnte.

Berlin - Fünf Wochen hat er gebraucht, um anzukommen in dieser großen Stadt: Nun aber hat sich Stefan Grützmacher, seit Mitte Oktober Vorstandschef beim Gasversorger Gasag, sortiert. Er hat die wichtigsten Leute gesprochen und damit einen Eindruck von der „Direktheit“ der Berliner gewonnen – „was ich gar nicht negativ meine“, wie er schnell nachschiebt. Nun hat er sich erstmals öffentlich zu seinen Ideen geäußert, wie man den Konzern mit seiner 165-jährigen Geschichte fit machen kann für die Zukunft, in der es kaum genügen dürfte, Kunden einfach nur Erdgas zu verkaufen.

Der 48-jährige gebürtige Rheinländer verbrachte die letzten acht Jahre als Chef der Stadtwerke Kiel, einem klassischen Grundversorger für Strom, Gas, Wasser und Wärme. An Wochenenden will er mit der Bahn zurück an die Förde pendeln, wo er mit seiner Familie lebt. „Mein Sohn und meine Tochter sind 15 beziehungsweise 16 Jahre alt, die wollten wir nicht aus ihrem Umfeld reißen“, sagt er. Hier in Berlin hat er eine Wohnung in Berlin-Mitte bezogen und ist so stets nah an der neuen Gasag-Zentrale am Hackeschen Markt.

Dort besetzt er nun einen Posten, der seit fünf Jahren vakant war. Nach dem Abtritt von Gasag-Chef Georges Hoffmann im Jahr 2007 wurde das Haus von dem kaufmännischen Vorstand Olaf Czernomoriez und seinem Kollegen Andreas Prohl (Vertrieb und Technik) geführt. Beide bleiben weiter im Amt – und hatten laut Grützmacher „keine Probleme damit, dass ich ihnen nun helfe“. Als direkt Verantwortlicher für die Bereiche Strategie, Personal und Öffentlichkeitsarbeit ist es seine vornehmlichste Aufgabe eine Vision für das Haus zu entwickeln. Bis zur nächsten Aufsichtsratssitzung im April will er ein Konzept vorlegen.

Es gebe ein strategisches Problem für alle Versorger: Der Absatz werde langfristig stetig abnehmen, das sei ein natürlicher, schleichender Prozess. Wer sich heute einen neuen Brennwertkessel einbaut, brauche im Schnitt 20 Prozent weniger Gas für die gleiche Wärmeleistung, erklärt der Manager. Mit neuem Dach und Dämmung könne man den Bedarf sogar um 60 bis 80 Prozent senken.

Die Gasag habe in den vergangenen Jahren schon viel getan, um das Geschäftsmodell auszuweiten. Aber da müsse man weiterkommen. So könnte die Gasag zu einem „Energiekümmerer“ für die Bürger der Stadt werden, sagt Grützmacher. „Als wir vor Jahren unser Haus, Baujahr um 1950, gekauft haben, standen wir auch vor der Frage, welche Heizung und welche Dämmung wir einbauen sollen. Damals hätte ich gern jemanden gehabt, der mich berät, ohne mir gleich einen Vertrag aufzuschwatzen.“

Ohne Zweifel stehe die Energiewelt vor einer Zeitenwende, es gebe immer mehr technische Lösungen und Energieerzeugungsformen. Da falle es schwer, den Überblick zu behalten. Die Gasag könnte jemand sein, der berät und lokale Handwerksbetriebe vermittelt. „Die Gasag hat den Vorteil gegenüber anderen Unternehmen mit ähnlicher Geschichte, dass sie ihren guten alten Namen behalten durfte.“ Gasag sei untrennbar mit der Stadt Berlin verbunden. Daher werde er auch nicht zulassen, dass die Marke aufgeweicht wird. So werde es mit ihm keine Billigtochter geben, die unter anderem Namen zu Discount-Bedingungen Gas verkauft. Die Zukunft der Energie sei zudem dezentral. „Dieser Satz stimmt heute noch viel mehr als vor zehn Jahren. Konkret müsse die Gasag ihr Aktivitäten zur Verbreitung kleiner Brennwertkessel ausbauen. Auch die Erzeugung von Wärme und Strom über größere Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung sei ein Thema.

In der näheren Zukunft muss sich Grützmacher zunächst intensiv mit der Beziehung zum Land Berlin befassen. Ende 2013 läuft der Konzessionsvertrag zur Nutzung des Gasnetzes aus. Die Gasag hat sich – natürlich – erneut beworben. Erst wenn dort „hoffentlich eher früher als später im Jahr“ eine Entscheidung gefallen sei, werde sich wohl auch klären, ob und wie es Veränderungen bei der Eigentümerstruktur (Eon, GdF Suez, Vattenfall) geben kann. „Als Vorstandschef kann ich darüber natürlich nicht entscheiden. Aber ich wäre offen, über alle möglichen Lösungen zu sprechen“, sagt er. Also auch, dass sich das Land womöglich wieder beteiligt. „Ich habe da keine Berührungsängste“, sagt Grützmacher.

Ein Parteibuch hat er auch nicht, aber ein Faible für Fußball und den 1. FC Köln. Den Eishockeyclub Berliner Eisbären, bei denen die Gasag Hauptsponsor ist, müsse er noch kennenlernen. „Unser Engagement bei dem Verein steht aber nicht zur Disposition“, verspricht er.

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