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Seltenes Bild. Berlin ist eines von vier Schaufenstern für Elektromobilität. Zu sehen gibt es nach Ansicht von Berlins Regierungschef aber noch nicht viel. Foto: p-a/dpa

© dpa

Elektromobilität: Leere im Berliner Schaufenster

In Berlin soll die deutsche Industrie zeigen, was sie in punkto Elektromobilität kann. Klaus Wowereit sieht zu wenig Elan bei E-Autos – und erntet Unmut von Bund und Herstellern.

Elektroautos müssen bei jedem Wetter fahren, auch bei Minusgraden, Eis und Schnee. Da sich die – ohnehin begrenzte – Reichweite der Batterie im Winter halbiert, sind Fahrstrecken von mehr als 50 Kilometern Länge riskant. Wenn es schlecht läuft, bleibt das E-Auto liegen. Die Teilnehmer der Hauptstadtkonferenz Elektromobilität, die am Montag im Roten Rathaus stattfand, hatten derlei Sorgen nicht – trotz frostiger Temperaturen. Die E-Mobile, die hinter dem Rathaus für kurze Probefahrten angeboten wurden, waren nicht weiter als 50 Kilometer unterwegs. Und die zweirädrigen Pedelecs und Segways wurden witterungsbedingt gar nicht bewegt.

„E-Bikes im Matsch – das macht Spaß“, scherzte der Regierende Bürgermeister, Klaus Wowereit (SPD), der sich beim Thema Elektromobilität eigentlich mehr Tempo wünscht als Stillstand im Schnee. „Traurig“ sei, dass das Thema nach dem Hype vor zwei Jahren zuletzt nicht mehr ganz oben auf der Tagesordnung gestanden habe. „Wir müssen aufpassen, dass die Elektromobilität nicht in den Hintergrund gerät“, warnte der Regierende. Adressiert war diese Mahnung an die Bundesregierung und an die deutsche Autoindustrie. Während der Bund mit gleich vier Ministerien, die sich um die Elektromobilität kümmern, für erheblichen Koordinierungsbedarf sorge, seien die Automobilhersteller bislang recht zögerlich bei der Markteinführung von Elektroautos gewesen. Berlin müsse sich als eines von bundesweit vier Schaufenstern der Elektromobilität „darauf verlassen, dass die Industrie es ernst meint“ mit der neuen Mobilitätstechnologie, sagte Wowereit. „Modellprojekte kosten Geld.“

Auf ein Gesamtvolumen von 100 Millionen Euro summieren sich die zahlreichen Projekte, die im Berliner Schaufenster die Elektromobilität im Praxistest demonstrieren sollen. Rund 450 Unternehmen und Forschungseinrichtungen seien in Berlin mit dem Thema befasst, sagte Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU).

Wowereits Vorwurf der industriellen Zögerlichkeit mochte Matthias Wissmann, Präsident des Autoverbandes VDA, natürlich nicht gelten lassen. 14 zusätzliche Serienmodelle mit elektrischen oder teilelektrischem Antrieb werde die deutsche Autoindustrie im laufenden und im kommenden Jahr auf den Markt bringen. Wobei Wissmann unerwähnt ließ, dass ein Großteil davon teure Sportwagen in kleiner Stückzahl sein werden. Aber: Zehn bis zwölf Milliarden Euro investiere die Industrie von 2012 bis 2015 in alternative Antriebe. „Und wir erwarten keine kurzfristigen Renditen aus diesen Investitionen“, sagte Wissmann. Ob die Wette der Hersteller aufgeht und das Elektroauto tatsächlich auch für den Massenmarkt geeignet ist, ist also ungewiss. Wissmann sieht noch „riesige Hausaufgaben“ für die Hersteller. Kämen am Ende zu wenige „Impulse aus dem Markt“ – heißt: werden die teuren E-Autos nicht gekauft – „werden die Anstrengungen der Industrie nicht größer werden“, warnte Wissmann.

Muss dann der Staat einspringen und die Anschaffung von Elektroautos subventionieren? Auf 7500 bis 12 000 Euro taxiert der VDA-Präsident die Mehrkosten, die aktuell für ein Elektroauto im Vergleich zu herkömmlichen Modellen bezahlt werden müssen, weil vor allem die Batterie so teuer ist. Er erwartet, „dass die öffentliche Hand mit gutem Beispiel vorangeht“ und Bund und Länder „einige 10 000 Bestellungen“ für Elektrofahrzeugen aufgäben, sagte Wissmann. Entsprechende Zusagen seien schon gemacht worden.

„Ich muss mich doch wundern“, wies Werner Ressing vom Bundeswirtschaftsministerium die Kritik an bürokratischen Hemmnissen zurück. „Wenn die Bundesregierung beim Thema Elektromobilität nicht so entschieden vorangegangen wäre, gäbe es diese Haupstadtkonferenz gar nicht“, sagte Ressing. Die Hälfte der rund 100 Verbundprojekte in den vier Schaufenstern Berlin/Brandenburg, Baden-Württemberg, Bayern/Sachsen und Niedersachsen mit rund 350 Einzelinitiativen und einem Budget von etwa 500 Millionen Euro seien bereits genehmigt worden. „Die Politik macht ihre Hausaufgaben“, sagte Ressing. Und an den Regierenden Bürgermeister gerichtet: „Machen Sie auch Tempo, Herr Wowereit. Nichts ist so langweilig wie ein leeres Schaufenster.“

Dass sich Berlin über mangelnde Aufmerksamkeit für neue Mobilitätskonzepte nicht beklagen kann, darin waren sich die Diskussionsteilnehmer allerdings einig. In der „Hauptstadt des Carsharings“, in der mehr als 40 Prozent der Einwohner kein eigenes Auto hätten, seien mehr Menschen als anderswo aufgeschlossen, etwas Neues auszuprobieren.

Vor ganz anderen Hürden warnte Trendforscher Matthias Horx. Elektroautos würden noch falsch vermarktet, weil mit ihnen meist die Vernunft und weniger das Gefühl angesprochen werde. Autofahren sei aber selten vernünftig, sondern bediene andere Bedürfnisse: Kontrolle und Macht, Autonomie und Selbstdarstellung. Autos, „die zur Vermeidung einer großen Katastrophe gekauft werden sollen, die weit in der Zukunft liegt“, hätten es schwer am Markt. „Wenn die Märkte nicht überzeugt sind, werden wir lange ein Problem mit Elektroautos haben“, sagte Horx voraus.

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