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Wirtschaft: Mehr Arbeit, weniger Weihnachtsgeld

Im Tarifstreit im öffentlichen Dienst erzielen die Parteien einen Kompromiss, mit dem alle leben können

Potsdam - Der lange Arbeitskampf im öffentlichen Dienst ist zu Ende. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) verständigten sich am Freitag in Potsdam nach Angaben aus Verhandlungskreisen auf eine differenzierte Verlängerung der Arbeitzeit und leichte Einbußen bei der Jahressonderzahlung (Urlaubs- und Weihnachtsgeld). Betroffen sind rund 800 000 Beschäftigte der Bundesländer mit Ausnahme von Berlin und Hessen, die nicht der TdL angehören.

Die Verhandlungen hatten am Donnerstagmittag begonnen, waren in der Nacht unterbrochen und am Freitagvormittag fortgesetzt worden. Verdi-Chef Frank Bsirske kündigte am späten Nachmittag an, noch am Abend Details der Einigung zu präsentieren.

Seit Februar streikt Verdi gegen die beabsichtigte Verlängerung der Arbeitszeit von 38,5 auf 40 Wochenstunden. In der Zwischenzeit wurden Kompromisse mit den kommunalen Arbeitgebern in Hamburg, Niedersachsen und Baden-Württemberg gefunden, die alle eine Erhöhung der Arbeitszeit auf bis zu 39 Wochenstunden beinhalten. Bei den Ländern gestaltete sich die Lösung des Konflikts schwieriger, weil fast alle Bundesländer bei Neueinstellungen inzwischen in den einzelnen Arbeitsverträgen 40, 41 oder sogar 42 Wochenstunden festschreiben, Verdi sich aber an den tariflichen 38,5 Wochenstunden orientierte.

Die Lösung, die am Freitagnachmittag gefunden wurde, liegt in dem so genannten Indexmodell: Dabei wird die durchschnittliche Arbeitszeit in jedem westdeutschen Bundesland ermittelt (in den Ostländern gilt noch immer die 40-Stunden-Woche). Wenn in Bayern zum Beispiel alle Arbeiter und Angestellten im Schnitt 39,5 Stunden arbeiten, dann ist dieser Durchschnittswert die Richtgröße für alle. Im Ergebnis würde dann zumindest für eine Übergangszeit in allen Ländern mehr oder weniger unterschiedlich lange gearbeitet. In den unteren Einkommensgruppen, wo Verdi besonders viele Mitglieder hat und die Streikbereitschaft am größten ist, sollte die Arbeitzeit bei 38,5 Wochenstunden festgeschrieben werden.

Bei der Jahressonderzahlung zeichnete sich eine ähnliche Lösung ab: Die Bezieher geringer Einkommen bekommen mehr Urlaubs-/Weihnachtsgeld, die oberen Entgeltgruppen weniger. Mit dieser Regelung schließen Verdi und TdL aus, dass die so genannte Meistbegünstigungsklausel greift. Danach gelten Regelungen, die von Verdi mit den Ländern getroffen werden, automatisch auch für die Kommunen und den Bund, wenn sie aus Sicht der Arbeitgeber günstiger sind.

Ob und wie sich die TdL und Verdi auf eine Lösung für die Ärzte verständigten, war bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch offen. Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund hatte die TdL vor einem Abschluss in Potsdam gewarnt.

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