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Mehr als vier Millionen Haushalte wohnen in den größten deutschen Städten zu teuer oder in beengten Verhältnissen.

© dpa

Mietenentwicklung in Großstädten: Wenn Wohnen arm macht

Eine Studie der Humboldt-Universität zeigt: Mehr als die Hälfte der Haushalte in deutschen Großstädten lebt in zu kleinen oder zu teuren Wohnungen.

Die Hälfte aller Haushalte in größeren Städten zahlen mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für die Miete. Konkret sind es 4,1 Millionen Mieter, deren Wohnungskosten damit „die Grenzen der Leistbarkeit“ überschreiten, wie es in einer aktuellen Studie der Humboldt-Universität im Auftrag der gewerkschaftlichen Böckler-Stiftung heißt. Alles in allem lebten 2018 4,4 Millionen Haushalte oder 53 Prozent der Mieter in zu kleinen oder im Verhältnis zu ihren Einkommen zu teuren Wohnungen. Für die Studie wurden Mikrozensusdaten für die Jahre 2006 bis 2018 in den 77 größten deutschen Städten ausgewertet.
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Selbst wenn ein Teil der sozialen Wohnversorgungsprobleme durch eine bessere Verteilung des vorhandenen Wohnraums gelöst werden könnte, was indes eine eher theoretische Erwägung ist, blieben noch 1,5 Millionen Haushalte, die nicht mit bezahlbaren und angemessenen Wohnungen versorgt würden. „Dieser ,harte Kern’ der Wohnungsnot betrifft über 18 Prozent aller Mieter*innenhaushalte in den Großstädten – vor allem kleine Haushalte und Einkommensklassen mit geringen Einkommen", schreiben die Wissenschaftler und empfehlen „die Absenkung von Mietpreisen, den Neubau von sehr günstigen Wohnungen oder Einkommenssteigerungen bei Haushalten mit geringen Einkommen“.
Grundlage der Analyse ist die Einschätzung, dass Bruttowarmmieten, also Mieten plus Betriebs- und Heizkosten, von bis zu 30 Prozent des Haushaltseinkommens als „leistbar“ gelten. Darüber liegende Belastungen überforderten die Haushalte „und verstärken insbesondere bei Mieter*innen mit geringen Einkommen das Armutsrisiko“.

Einkommen steigen stärker als Mieten

Im Untersuchungszeitraum verringerte sich die durchschnittliche Mietbelastungsquote von 31,2 Prozent auf 29,8 Prozent. Dieser überraschende Befund erklärt sich mit den Einkommen, die stärker gestiegen sind als die Wohnkosten. Die inflationsbereinigten mittleren Einkommen erhöhten sich in den 77 Großstädten um 16 Prozent, die ebenfalls inflationsbereinigten Bruttowarmmieten aber nur um 7,5 Prozent. Die Steigerung der Nettokaltmieten lag mit knapp elf Prozent in deutlich darüber.

Fast jeder Zweite wohnt zu teuer

„Von einer Entspannung ist die Wohnversorgungslage jedoch weit entfernt“, schreiben die Humboldt-Wissenschaftler. Für 2,2 Millionen Haushalte, das entspricht gut einem Viertel, lag die Mietbelastungsquote bei über 40 Prozent des Einkommens, und 998.000 Haushalte (11,9 Prozent) mussten sogar mehr als die Hälfte des Einkommens für die Wohnung aufbringen. „Eine Ursache für den großen Anteil an Haushalten mit hohen oder sehr hohen Mietbelastungsquoten ist die ungleiche Einkommensentwicklung in deutschen Großstädten.“

Konkret stieg der Anteil von Haushalten mit Einkommen unterhalb der Grenze der Armutsgefährdung (weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens) von 15,9 Prozent (2006) auf 17,5 Prozent (2018). Gleichzeitig gibt es mehr Haushalte in der höchsten Einkommenskategorie (über 140 Prozent des Medianeinkommens), der Anteil dieser Gruppe erhöhte sich von 24,4 Prozent auf 25,7 Prozent. „Weil die Einkommenssteigerungen der letzten Jahre ungleich verteilt waren, leben immer noch knapp die Hälfte der Mieter*innen (49,2 Prozent) in zu teuren Wohnungen“, heißt es in der Studie.

Mehr teure Wohnungen im Angebot

Die strukturell bedingten Versorgungslücken konzentrierten sich vor allem auf Einpersonenhaushalte und Haushalte mit geringen Einkommen: In den Mietpreisklassen bis zehn Euro je Quadratmeter (warm) – das entspricht Nettokaltmietpreisen von unter 7,35 Euro je Quadratmeter – reduzierte sich das Versorgungsangebot zwischen 2006 und 2018 um mehr als 500 000 Wohnungen. Das entspricht einem Rückgang von über 30 Prozent. Dagegen gibt es im oberen Preissegment (mehr als 15 Euro Warmmiete) einen Zuwachs des Angebots um 16 Prozent auf 535.000 Wohnungen. Am größten sind die Versorgungsdefizite in Berlin, Hamburg, München und Köln, wo selbst bei hypothetischer Optimalverteilung des Wohnraums jeweils zwischen 220 000 und knapp 65 000 bezahlbare Wohnungen fehlen.

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