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Vorsichtige Annäherung. Beim Thema Elektromobilität gibt es noch reichlich Baustellen.

© picture alliance / dpa

Elektromobilität: Mobilitätswende kommt nur schleppend voran

Die Elektromobilität lebt – aber Forscher und Entwickler müssen Kosten und Technik in den Griff bekommen, wenn sie die ehrgeizigen Ziele der Bundesregierung erreichen wollen.

Gespenstische Dinge ereignen sich in der Tiefgarage. Mitten in der Nacht bewegen sich Elektroautos von ihrer Ladestation, um anderen Platz zu machen, die kabellos mit Strom versorgt werden müssen. Kein Mensch ist weit und breit zu sehen. Am Morgen werden die geladenen E-Autos wie von Geisterhand vors Haus bewegt. Per Smartphone vorgeheizt oder klimatisiert. Man muss nur einsteigen und losfahren – oder fahren lassen. Und wer kein eigenes Auto hat, bestellt sich eins. Das Carsharingfahrzeug wird frei Haus geliefert – elektrisch, automatisch, fahrerlos. Ist es das, was wir von der Elektromobilität erwarten: Science-Fiction?

Emilio Frazzoli, Professor am Massachusetts Institute of Technology, hat diesen Blick in die Zukunft gewagt. In Singapur testete der Wissenschaftler mit selbst entwickelten Elektrofahrzeugen, die wie Golf-Trolleys aussehen, ein Carsharingmodell, bei dem die Autos automatisch fahren. Leiten ließ sich Frazzoli dabei von einer Absurdität des Individualverkehrs: „Wir geben sehr viel Geld für ein Produkt aus, das wir die meiste Zeit gar nicht benutzen.“ Nur maximal zwei Stunden wird ein Auto im Schnitt pro Tag bewegt, rund 22 Stunden steht es in der Tiefgarage oder am Straßenrand. Doch selbst wenn Autos im Carsharing geteilt werden, stehen sie nicht immer dort, wo sie gebraucht werden. Ein logistisch-technisches Problem: Wie viele Autos braucht man, wie bewegt man sie unfallfrei ohne Fahrer und wie viele Nutzer sind nötig, um das Modell wirtschaftlich zu machen?

Dass die Elektromobilität nicht tot ist, sondern tausende Ingenieure, Marketingfachleute und Controller in der Automobilindustrie (und nicht nur dort) elektrisiert, zeigte der technische Kongress des Verbands der deutschen Autoindustrie (VDA), der in dieser Woche in München stattfand. Dabei wurde auf dem wichtigsten Technologie-Symposium der Branche in Europa deutlich, dass zwei Megatrends der Industrie zusammenlaufen: die Suche nach Alternativen zum Verbrennungsmotor und die elektronische Aufrüstung des Autos. Die Ziele sind definiert: weniger Schadstoffe, mehr Sicherheit. Am Ende steht das emissionsfreie, unfallfreie Fahren. Doch in beiden Fällen hat die Branche die immensen Kosten und die komplizierte Technik noch nicht im Griff.

„Es ist definitiv nicht richtig, dass wir uns von der Elektromobilität verabschiedet haben“, versicherte Audi-Technikvorstand Wolfgang Dürheimer. Die VW- Tochter hatte unlängst einige Elektroprojekte (A2 e-tron, R8 e-tron) eingestellt und die verbreiteten Zweifel an den Marktchancen der E-Autos befeuert. „Mangels Kundenakzeptanz und aus wirtschaftlichen Erwägungen“ sei man zu der Erkenntnis gelangt, dass statt reiner E-Autos zunächst Plug-in-Hybride (an jeder Steckdose aufladbare E-Autos, die noch einen kleinen Verbrennungsmotor an Bord haben) als Brücke zum vollelektrischen Fahren ideal seien. Eine Schlussfolgerung, der sich auch die Wettbewerber angeschlossen haben. BMW wird sein E-Modell i3, das Ende des Jahres auf den Markt kommt, in einer Version mit einem zusätzlichen Verbrennungsmotor („Range Extender“) anbieten.

„So kommt Elektromobilität beim Kunden an“, glaubt Dürheimer. Ohnehin seien reine Elektroautos nicht „die größte Lösung“ zur CO2-freien Mobilität. Auf dem Genfer Autosalon präsentierte Audi ein Auto, das demonstriert, wie es auch geht: Eine Erdgasversion des A3 Sportback („g-tron“), der synthetisches Erdgas nutzt, das Audi aus CO2 und mit regenerativ erzeugtem Strom herstellt. Im elektrischen Modus hat der A3 eine Reichweite von 50 Kilometern, kombiniert fährt er 940 Kilometer weit. In der Gesamtbetrachtung aus Rohstoffherstellung und Verbrauch erreicht das Auto einen CO2-Wert von weniger als 30 Gramm.

Erst in der Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette – vom Rohstoff bis zum Auspuff – beweist sich, wie effizient ein Auto ist. „Mehr Ehrlichkeit“ in der Diskussion um CO2-Ziele mahnte deshalb Karlheinz Bill von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin an. Denn 20 Prozent des CO2 fallen schon bei der Herstellung des Autos an (davon ein Großteil bei den Zulieferern), 79 Prozent während der Nutzung und ein Prozent beim Recycling. So gerechnet glaubt zum Beispiel Audi, seinen A3 „g-tron“ so sauber wie ein reines Elektroauto halten zu können.

Zu welchem Preis? Daimler „versteckt“ die Kosten für die Batterie seines Smart Electric Drive noch in der Miete, die der Kunde für den Akku zahlt. „Der Autofahrer will ein Rundum-sorglos-Paket und so kann er die Batterie komplett ausblenden“, sagte Michael Schiebe, Teamleiter im Elektromobilitätsmarketing von Daimler. Was für Kleinwagen wie den Smart funktioniert, stößt bei ganzen Flotten jedoch an Grenzen. Für Hersteller wie BMW, die aktuell auf einen Flottendurchschnitt von 145 Gramm CO2 kommen, „wird es sehr schwer“, Autos mit Werten von weniger als 120 Gramm zu vertretbaren Preisen zu vermarkten, wie Technikvorstand Herbert Diess in München zugab. Im Schnitt 95 Gramm müssen es aber in der EU im Jahr 2020 für alle Neuwagen sein. Ohne Elektroautos im Programm schaffe dies kein deutscher Hersteller, sagen die Unternehmen. Gleichzeitig erwartet die Bundesregierung, dass im selben Jahr eine Million E-Autos auf deutschen Straßen unterwegs sein werden.

In München wird deutlich, dass kaum jemand in der Branche noch damit rechnet, dieses Ziel zu erreichen. Bisher sind Elektroautos ein teures Nischenprodukt. „Die Kunden springen nicht darauf an“, sagte Susanne Leifheit, Regulierungsexpertin bei Volkswagen. Den alternativen Antrieben fehle es an Durchschlagskraft auf dem Markt. VDAPräsident Matthias Wissmann forderte deshalb die europäische Politik erneut auf, der Industrie den Rücken zu stärken. Eine weitere Reduktion der CO2-Werte um 25 Prozent bis 2020 sei ohne eine stärkere Berücksichtigung von Elektroautos nicht zu schaffen. „Wir wollen keine Schlupflöcher“, sagte Wissmann. „Aber eine gesetzliche Regulierung, die der Elektromobilität eine Schneise öffnet.“

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