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Ein Lufthansa-Pilot trägt am 30.11.2016 in Frankfurt am Main (Hessen) bei einer Kundgebung der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit einen Button "Streik" auf einer Uniform.

© dpa

Pilotenstreik bei der Lufthansa: Der Feind im eigenen Haus

Wenn die Piloten der Lufthansa sehr viel kassieren, dann geht das auf Kosten anderer Gruppen im Unternehmen. Deshalb wächst der Unmut bei den Kollegen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Alfons Frese

Ist die Lufthansa noch zu retten? 4461 Flüge sind allein in den vergangenen sechs Streiktagen ausgefallen. Und der Konflikt, der im Mai 2014 begann, ist trotz eines neuen Angebots des Arbeitgebers noch nicht vorbei. Die Piloten nutzen ihre herausgehobene Funktion im Unternehmen für eine brachiale Interessenvertretung. Ähnlich wie die Lokführer bei der Bahn, wo im vergangenen Jahr nur eine Schlichtung aus der verfahrenen Arbeitskampflage führte.

Dem Staatskonzern Bahn geht es ganz gut, und auch dem ehemaligen Staatskonzern Lufthansa geht es nicht schlecht – der niedrige Kerosinpreis hat in jüngster Zeit geholfen. Doch der Markt in der Luft befindet sich in heftigen Turbulenzen mit Verschiebungen und Verdrängungen. Ein Opfer ist Air Berlin. Auch die Lufthansa ist eingezwängt zwischen den mit Ölmilliarden aufgestiegenen Airlines vom Golf auf der einen und den Billigfliegern auf der anderen Seite. Allein mit guter deutscher Servicequalität und anständigem Sitzkomfort ist es nicht getan. Das Lufthansa-Management versucht den Konsolidierungsprozess in der Branche mitzugestalten und mit Zukäufen eine handlungsfähige Größe zu bekommen. Eine eigene Billigmarke soll Ryanair und Easyjet Marktanteile abjagen.

So weit, so gut. Aber wie geht das Management mit dem Gegner im eigenen Hause um? Anders gefragt: Streiken die Piloten ihr Unternehmen kaputt? Oder will der Vorstand den Arbeitskampf der Pilotenvereinigung Cockpit (VC) ins Leere laufen lassen und nimmt im Machtkampf den Ärger von ein paar hunderttausend Passagieren in Kauf?

Ursache Tarifpluralität

Ähnlich wie der Marburger Bund für die Ärzte hängt auch die Entwicklung der VC mit Verdi zusammen. Die Deutsche Angestelltengewerkschaft (DAG) fusionierte 2001 mit vier anderen Gewerkschaften, darunter die ÖTV, zur Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Ärzte und Piloten klinkten sich in der Folge aus Tarifgemeinschaften mit der DAG und Verdi aus und machten ihr eigenes Tarifgeschäft. Überaus erfolgreich: Beide Gruppen sind gut organisiert und besetzen eine Schlüsselstellung, mit der sich erheblicher Druck auf die jeweilige Arbeitgeberseite machen lässt. Fette Tarifabschlüsse waren die Folge, die wiederum die Attraktivität dieser sogenannten Spartengewerkschaften erhöhten und zusätzliche Mitglieder brachten. Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg.

Diese Art von Tarifpluralität – jede Berufsgruppe kann ihr eigenes Tarifsüppchen ohne Rücksicht auf andere Beschäftigte kochen – billigte das Bundesarbeitsgericht 2010. Mit einem Gesetz über die Tarifeinheit hat die schwarz-rote Regierung darauf reagiert; die größte Gewerkschaft in einem Betrieb hat künftig Vorrang, wodurch im Ergebnis kleine Organisationen an die Kette gelegt werden. Das ist verfassungsrechtlich umstritten, kann aber Sinn machen, wenn es denn funktioniert. Das tut es nicht bei der Lufthansa, wo sich Cockpit, Verdi und Ufo bislang nicht in die Quere kommen. Jede Gewerkschaft verhandelt hier für eine spezielle Gruppe und darf das auch weiterhin tun. Doch wenn die eine Gruppe sehr viel kassiert, bleibt für die andere weniger übrig. Deshalb wächst der Unmut beim Bodenpersonal und bei den Flugbegleitern über Gier und Gehabe der Piloten.

Ein Unternehmen wie Lufthansa sollte alle Berufsgruppen im Blick haben. Schließlich fliegen die Piloten nur deswegen, weil vorher andere Mitarbeiter ihren Teil dazu beigetragen haben. Ich möchte gerne mal die Piloten sehen, wenn sie demnächst Gepäck einchecken und verladen sollen.

schreibt NutzerIn firefighter_no9

Viel bessere Jobs sind kaum denkbar: Einstiegsgehalt von 70.000 Euro, gegen Ende des Erwerbslebens liegt der Pilot dann bei einer Viertel Million und ab 55. geht es geschmeidig in den Vorruhestand, der mit einer Betriebsrente gepolstert ist. Sagenhaft. Doch die Lufthansa-Kunden zahlen das nicht mehr. Solche Privilegien haben sich überlebt – es sei denn, andere Beschäftigtengruppe zahlen dafür mit geringen Einkommen.

Die Piloten verteidigen Besitzstände, was legitim ist, und haben dabei auch die Zukunft ihres Unternehmens im Blick zu behalten. Dazu gehört eine Organisation von Verteilungskonflikten, die auch die Belange von Stewardessen und Bodenpersonal berücksichtigt. Das gelingt nur mit den anderen Gewerkschaften in einer Tarifgemeinschaft, in der Gruppenegoismen keinen Platz haben.

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