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© dpa

Rüdiger Grube: "Berlin und die Bahn gehören einfach zusammen"

Chef Rüdiger Grube verspricht, dass das Unternehmen auch in 100 Jahren noch von der Hauptstadt aus gesteuert wird. Das Bekenntnis dürfte durch eines motiviert sein: das Bemühen um Schadensbegrenzung im S-Bahn-Chaos.

Die Deutsche Bahn hat zugesagt, mit ihrer Unternehmenszentrale auf Dauer in der Hauptstadt zu bleiben. „Berlin und die Deutsche Bahn sind wie Mutter und Vater, die gehören einfach zusammen“, sagte Konzernchef Rüdiger Grube am Mittwoch in Berlin. Das werde „auch in 100 Jahren noch so sein“. Zudem kündigte er umfangreiche Verbesserungen für die Kunden und bessere Leistungen an, vor allem mit Blick auf die Berliner S-Bahn und den Fernverkehr.

Mit der Standortgarantie für Berlin macht Grube einen Schritt auf den Senat zu, der die Bahn wegen der S-Bahn-Probleme wiederholt heftig kritisiert hat und die weitere Zusammenarbeit mit dem Konzern infrage stellt. Grubes Vorgänger Hartmut Mehdorn hatte 2006 noch einen Umzug der Bahn-Zentrale nach Hamburg erwogen, um im Gegenzug beim Betreiber des Hamburger Hafens einsteigen zu können. Die Bundesregierung als Eigentümerin des Staatskonzerns hatte diesen Plan jedoch seinerzeit verworfen. Nach der öffentlichen Verwaltung ist die Bahn mit mehr als 18 000 Beschäftigten der größte Arbeitgeber Berlins.

Allerdings sucht die Bahn nach wie vor einen zentralen Standort für ihre Logistiksparte, die derzeit von Essen, Mainz und Berlin aus gelenkt wird. Angesichts der Krise sei die Entscheidung darüber erst einmal zurückgestellt worden, hieß es am Mittwoch im Konzern.

Zu den anhaltenden Einschränkungen bei der S-Bahn erklärte Grube vor 400 Unternehmern bei der Industrie- und Handelskammer Berlin, dies habe „die Bahn vermasselt, da gibt es nichts zu beschönigen“. Er entschuldigte sich dafür, dass er das Thema erst spät zur Chefsache gemacht habe. „Das hätte man anders machen können.“ Der Senat werde um eine Ausschreibung des Nahverkehrs ab 2017 „gar nicht herumkommen“. Man werde aus dem Unternehmen aber vorher wieder einen „Vorzeigebetrieb“ machen, versprach er.

Verkaufen will Grube die Tochterfirma S-Bahn aber auf keinen Fall. „Das ist das Allerletzte, was wir machen“, bekannte er. Der Senat erwägt, die S-Bahn zu übernehmen, um Sicherheitspannen wie in den vergangenen Monaten in Zukunft auszuschließen. Er wisse nicht, „was der Senat besser machen will“, befand Grube.

Zum  Normalbetrieb werde die S-Bahn noch Ende dieses Jahres zurückkehren, es werde aber bis 2011 dauern, bis die Züge auch in der gewohnten Länge wieder eingesetzt werden könnten. Dies liege auch an der Industrie. 4000 Räder, die womöglich nicht auf Dauer stabil sind, müssten insgesamt ausgetauscht werden, die Hersteller könnten aber nur 200 pro Monat liefern.

In diesem Zusammenhang machte der Bahn-Chef der Industrie ein Friedensangebot. „Komm, wir werfen uns keinen Dreck mehr um die Ohren, wir lösen das Problem“, sagte er an die Adresse von Klaus Baur, der das Deutschlandgeschäft des S-Bahn-Herstellers Bombardier leitet. Noch am Dienstag hatte die Bahnindustrie den Vorwurf zurückgewiesen, ihre Fahrzeuge seien nicht zuverlässig, und darauf verwiesen, dass die Bahn die Züge komplett in Eigenregie warte. Nicht nur bei der Berliner S-Bahn fielen Züge wegen Kälte und Konstruktionsmängeln aus. Auch viele ICEs im Fernverkehr konnten nicht fahren, dadurch gab es oft überfüllte Züge und Verspätungen.

Angesichts der S-Bahn-Probleme hat sich die Bahn vorerst von der Hoffnung auf Rendite in dieser Sparte verabschiedet. „Hier Geld zu verdienen können wir vergessen, das ist aber nicht die Priorität eins im Moment“, sagte Grube. Bislang hätten die gekürzten Zuschüsse der Länder Berlin und Brandenburg sowie die Entschädigung an die Kunden 159 Millionen Euro gekostet, durch die neuerlichen Zugeständnisse an die Fahrgäste kämen noch einmal 70 Millionen hinzu.

Für die Zukunft kündigte der Manager einen neuen Umgang mit den täglich mehr als sieben Millionen Bahn- und Busnutzern an. „Kunde, Kunde, Kunde und nochmals Kunde“ sei der Schwerpunkt, mit dem die Bahn aus der Vertrauenskrise kommen wolle.

Zugleich warnte Grube davor, das Gewinnstreben des Unternehmens als Ursache der Krise zu sehen. „Diejenigen, die uns hohe Gewinne vorwerfen, würden uns morgen kritisieren, wenn wir nicht mehr investieren.“ Schon per Grundgesetz sei die Bahn „zum Geldverdienen verdammt“. Die Schulden beliefen sich noch immer auf 15,9 Milliarden Euro. „Wir müssen Geld verdienen, um diesen Scheiß-Schuldenberg abzubauen“, rief Grube. Das Ziel sei, die Verbindlichkeiten auf gut zehn Milliarden Euro zu senken. Ein Börsengang stehe zwar derzeit nicht zur Debatte, davon sei man weit entfernt. „Solange wir das Brot-und-Butter-Geschäft nicht in den Griff kriegen, können wir alles andere in die Mülltonne werfen.“ Er wolle sich aber die Option einer Privatisierung offen lassen. „Die Zeit kommt wieder, dann reden wir darüber.“ Bereits im Oktober 2008 hatte ein Viertel des Staatskonzerns verkauft werden sollen – zwei Wochen vorher musste das Vorhaben aber angesichts der Finanzkrise abgeblasen werden. Auch die Bundesregierung lehnt einen Börsengang derzeit ab, im Koalitionsvertrag wird er aber ausdrücklich nicht ausgeschlossen.

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