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Zerfetzte Souveränität. Einige Euro-Länder wollen im Zweifel ein Veto gegen griechische Haushaltsbeschlüsse einlegen können.

© AFP

Schuldenkrise: Griechenland soll seine Budget-Hoheit aufgeben

Der Euro-Kommissar geht um: Griechenland hat seine Sparziele 2011 verfehlt. Jetzt fordert Berlin, dass das Land seine Budget-Hoheit aufgibt. Das sorgt für Empörung.

Griechenland soll den letzten Rest seiner nationalen Budget-Hoheit verlieren und quasi Protektorat der Euro-Zone werden. „Griechenland muss akzeptieren, haushaltspolitische Souveränität auf die europäische Ebene für einen bestimmten Zeitraum zu übertragen“, heißt es in einer Beschlussvorlage für die Gruppe der Euro-Finanzminister, berichtet das „Handelsblatt“. Die Euro-Gruppe müsse einen „Haushaltskommissar“ berufen, der das Sparprogramm in Griechenland kontrollieren soll. Dieser Kommissar müsse das Recht bekommen, „ein zentralisiertes Berichts- und Überwachungssystem einzurichten, das alle wesentlichen Ausgabenblöcke des griechischen Haushalts abdeckt“. Der Kommissar solle zudem alle Entscheidungen der griechischen Regierung blockieren können, die „mit den von der Troika gesetzten Sparzielen nicht in Einklang stehen“.

Generell soll sich Griechenland per Parlamentsbeschluss verpflichten, „dem Schuldendienst künftig absolute Priorität einzuräumen“. Das Land müsse seine Schulden stets vorrangig bedienen, auch wenn es in Zahlungsschwierigkeiten gerate. In dem Falle müssten die Staatsausgaben eben gekürzt werden. Der von der Euro-Zone entsandte Haushaltskommissar soll dafür sorgen, dass die Regierung diese Regel einhält.

Mit den neuen Forderungen an Griechenland reagiert die Euro-Zone auf die schleppende Haushaltskonsolidierung und die verzögerten Strukturreformen in Griechenland. Die Troika – bestehend aus Vertretern der Europäischen Zentralbank (EZB), der EU-Kommission und des Internationalen Währungsfonds (IWF) – zieht in ihrem jüngsten Bericht über Griechenland eine deprimierende Bilanz. Das Land habe die von der EU und vom IWF gesetzten „Hauptziele 2011 erneut verfehlt“, heißt es in der Beschlussvorlage für die Euro-Gruppe. Die von Deutschland angeführten finanzstarken Mitgliedstaaten verlangen, daraus Konsequenzen zu ziehen. „Wir brauchen bei der Umsetzung des Reformkurses mehr Führung und Überwachung“, sagte Bundeswirtschaftsminister Philip Rösler (FDP). Wenn dies den Griechen nicht selbst gelinge, müsse man eben von außen eingreifen. Die Einsetzung eines Haushaltskommissars sei dafür ein geeignetes Mittel, hieß es in deutschen Regierungskreisen.

In der Euro-Zone ist diese Maßnahme allerdings hochumstritten. Griechenland selbst wehrt sich mit allen Kräften dagegen. Finanzminister Evangelos Venizelos warnte am Sonntag davor, die „nationale Identität und Würde“ seines Landes anzugreifen. Die Kontrolle über die Finanzpolitik falle unter die nationale Souveränität. Griechenland werde die erforderlichen Spar- und Reformentscheidungen auch so treffen. Auch andere Euro-Staaten haben Zweifel – was in Berlin durchaus zugegeben wird. In der Gruppe der Euro-Finanzminister bestehe kein Konsens über die Frage, ob die Euro-Zone Griechenland einen Sparkommissar aufzwingen könne, hieß es in Regierungskreisen. Deutschland sei auch für andere Lösungen offen, sofern sie das Ziel genau so erreichen.

Beim EU-Sondergipfel heute in Brüssel wird darüber noch keine Entscheidung fallen. Die Debatte über Griechenland werde „allenfalls am Rande eine Rolle spielen“, hieß es in Berlin. Ein Grund dafür ist, dass die Verhandlungen Griechenlands mit seinen privaten Gläubigern offiziell immer noch nicht abgeschlossen sind. Es zeichnete sich am Sonntag aber ein Ergebnis ab: Offenbar haben die Banken sich dem Druck der Euro-Zone gebeugt und einen Zinssatz von unter vier Prozent für die neuen Griechenland-Anleihen akzeptiert. Die neuen Bonds mit einem drastisch reduzierten Nennwert werden gegen alte Bonds eingetauscht. Auf diese Weise verzichten die privaten Gläubiger auf Forderungen in Höhe von 100 Milliarden Euro.

Beim heutigen EU-Gipfel wollen die Regierungschefs auch noch nicht über das Volumen des neuen Euro-Rettungsschirms entscheiden. Im Rahmenvertrag des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ist bislang ein Kreditvolumen von 500 Milliarden Euro vorgesehen. Die Anzeichen häufen sich, dass er auf 750 Milliarden Euro erhöht werden könnte, indem nicht verausgabte Mittel des provisorischen Rettungsschirms EFSF in den ESM integriert werden. Es gibt immer mehr Befürworter einer solchen Lösung. Am Wochenende sprach sich erstmals Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann dafür aus. Auch in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wächst die Bereitschaft. „Im Notfall“ könne man überlegen, „die Rettungsschirme EFSF und ESM zu kombinieren“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Fraktion Norbert Barthle. (HB)

Ruth Berschens, Peter Thelen

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