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Vor allem Firmen, die mit niedrigen Zinsen gewirtschaftet hatten, sind jetzt in Insolvenzgefahr.

© dpa/Martin Gerten

Schwache Konjunktur und hohe Zinsen: Zahl der deutschen Firmenpleiten steigt um ein Fünftel

Die steigenden Zinsen machen vielen Unternehmen zu schaffen. In der nahen Zukunft sehen Experten vor allem die Immobilienwirtschaft und den Bausektor in Gefahr.

Im ersten Halbjahr gab es in Deutschland deutlich mehr Firmenpleiten als noch im Vorjahr. Die Zahl der insolventen Unternehmen stieg um 20,5 Prozent auf 8571, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte.

Der Berufsverband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) sieht zwar keine Pleitewelle anrollen, aber Branchen wie die Immobilienwirtschaft und den Bausektor vor schwierigen Zeiten. „Derzeit stecken vor allem zinssensible Unternehmen in einer problematischen Lage“, sagte der VID-Vorsitzende Christoph Niering.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihren Leitzins im Kampf gegen die Inflation auf 4,25 Prozent angehoben und könnte an diesem Donnerstag noch einmal nachlegen. „Bei der aktuellen Inflationsrate ist es unwahrscheinlich, dass die EZB kurzfristig Zinssenkungen vornehmen wird“, sagte Niering.

Unternehmen, die früher mit niedrigen Zinsen gewirtschaftet und mit steigenden Preisen im Verkauf geplant haben, erhalten dem VID zufolge nun oftmals keine neuen Kredite, um das Unternehmen am Leben zu halten. „Diese Entwicklung wird sich nicht so schnell verändern, sodass sich ihre Auswirkung auch in einem moderaten Anstieg der Unternehmensinsolvenzen zum Jahresende niederschlagen wird“, so Niering.

Gläubiger fordern 13,9 Milliarden Euro

Die Forderungen der Gläubiger summierten sich dem Statistikamt zufolge auf rund 13,9 Milliarden Euro – das ist deutlich mehr als ein Jahr zuvor mit 8,2 Milliarden Euro. Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen sank in den ersten sechs Monaten des Jahres dagegen, und zwar um 1,9 Prozent auf 33.140.

Bezogen auf 10.000 Unternehmen gab es insgesamt in der ersten Jahreshälfte in Deutschland 25,3 Insolvenzen. Die meisten entfielen auf den Bereich Verkehr und Lagerei mit 54,1 Fällen. Dann folgten die sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen – zu denen etwa Zeitarbeitsfirmen gehören – mit 41,3 Fällen. Die geringste Insolvenzhäufigkeit mit 2,4 Fällen gab es bei der Energieversorgung.

Mehr Insolvenzen, aber keine Welle

Die deutsche Wirtschaft war Ende 2022 und Anfang 2023 geschrumpft und hatte im Frühjahr nur stagniert. „Vor dem Hintergrund der Vielzahl ökonomischer Probleme und Unwägbarkeiten ist in den nächsten Monaten mit höheren Insolvenzzahlen als im Vorjahr zu rechnen“, sagte Ökonom Steffen Müller vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Allerdings: „Eine Insolvenzwelle ist trotz der steigenden Risiken nicht in Sicht“, so der Experte.

Darauf deutet auch die Entwicklung der beantragten Regelinsolvenzen im August hin: Die Zahl stieg um 13,8 Prozent zum Vorjahresmonat und damit nicht mehr so stark wie im Juli mit 23,8 Prozent. Bei diesen Ergebnissen ist zu berücksichtigen, dass die Verfahren erst nach der ersten Entscheidung des Insolvenzgerichts in die Statistik einfließen. Der tatsächliche Zeitpunkt des Insolvenzantrags liegt in vielen Fällen annähernd drei Monate davor. (Reuters)

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