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Schwarze Pumpe: Zukunft "sauberes" Kraftwerk

Vattenfall nimmt das weltweit erste Kraftwerk mit CO2-Abscheidung in Betrieb. Die Technologie funktioniert – aber es gibt Zweifel an der Sicherheit und der Wirtschaftlichkeit.

Vor Monaten schon erkundigte sich Tuomo Hatakka ängstlich in seinem Umfeld: „Wird Schwarze Pumpe ein Erfolg?“ Eine klare Antwort bekam er nicht. Dabei haben die deutsche Vattenfall und ihr Chef ein Erfolgserlebnis fast so nötig wie das Weltklima Kohlekraftwerke, die kein Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre blasen. Am Dienstag feiern Hatakka und sein schwedischer Chef Lars Josefsson in der Lausitz, direkt neben dem Braunkohlekraftwerke Schwarze Pumpe, ein einzigartiges Ereignis. „Die weltweit erste CCS-Pilotanlage“, wie Vattenfall reklamiert.

Eine tolle Sache für das Unternehmen, denn die Tochter des schwedischen Staatskonzerns lebt vor allem von der ostdeutschen Braunkohle. Die ist aber schmutzig; bei der Verfeuerung fällt noch mehr CO2 an als bei Steinkohle oder Gas. Deshalb hat die Braunkohle nur eine Perspektive, wenn CCS funktioniert, also Kohle verstromt werden kann, ohne dass CO2 in die Luft gelangt. Technologisch ist das möglich. Aber ist es wirtschaftlich? Und wie sicher sind Transport und Speicherung des Klimagases?

„CCS hat erhebliche Pferdefüße“, sagt Bärbel Höhn, ehemals grüne Umweltministerin in NRW und jetzt im Bundestag. Zum Beispiel „40 Prozent mehr Kohleverbrauch für die gleiche Strommenge“, denn die Abscheidung von CO2 braucht Energie. Der Wirkungsgrad eines modernen, herkömmlichen Kohlekraftwerks liegt bei rund 43 Prozent. Doch wenn es mit einer CO2-Abscheidung ausgerüstet wird, sinkt diese Maßzahl um gut zehn Prozent. Anders gesagt: Die Kraftwerke der Zukunft müssen viel effizienter sein, damit die Energieverluste durch die CO2- Trennung kompensiert werden.

Vattenfall traut sich das zu. Für die Pilotanlage bei Schwarze Pumpe in Spremberg hat der Energiekonzern 70 Millionen Euro ausgegeben, vor allem auch für die Luftzerlegungsanlage. Beim Oxyfuel- Verfahren ist 22-mal so viel Sauerstoff erforderlich wie in einem „normalen“ Kraftwerk. Nachdem das CO2 schließlich isoliert ist, wird es unter Hochdruck verflüssigt, bei minus 25 Grad in Tanks zwischengelagert und dann mit Lastwagen in die Altmark gefahren, wo es in der Nähe von Salzwedel in einem ehemaligen Erdgasspeicher landet. Bis 2011 rund 100 000 Tonnen. Das ist die Menge der mit 30 Megawatt eher kleinen Versuchsanlage Schwarze Pumpe.

Bis spätestens 2015 will Vattenfall in Jänschwalde ein Kraftwerk mit CO2-Abscheidung in Betrieb nehmen, das zehnmal so groß ist wie Schwarze Pumpe. Entsprechend sind die anfallenden Mengen CO2. Das lässt manchen Ökologen zu drastischen Worten greifen. „Unglaublich gefährlich ist das“, sagt Klaus Brunsmeier, stellvertretender Vorsitzender des BUND. „Man riecht und schmeckt es nicht und fällt tot um.“ Dagegen führen die CCS-Befürworter die Erfahrungen mit unterirdischen Erdgasspeichern an, die über Jahrtausende dicht waren.

Mögliche Gefahren des Klimagases zählen denn auch nicht zu den Hauptargumenten der CCS-Gegner. „Die großen Stromkonzerne versuchen, CCS schönzureden, damit sie den Neubau von Kohlekraftwerken legitimieren können“, sagt die Grüne Höhn. „Dabei sind wir sicher, dass es die Technologie niemals geben wird“, ergänzt BUND-Mann Brunsmeier. Aber würde Vattenfall – das Großkraftwerk Jänschwalde eingeschlossen – dann mehr als eine Milliarde Euro investieren? Und RWE gar zwei Milliarden in ein Kraftwerk mit CO2-Abscheidung in Hürth?

Höhn meint jedenfalls, dass ein Großteil der geplanten Kohlekraftwerke politisch nur durchsetzbar sei mit dem Versprechen auf eine spätere Nachrüstung mit der CO2-Abtrennungstechnik. Das gilt womöglich auch für Hamburg-Moorburg, wo der schwarz-grüne Senat derzeit mit Vattenfall um die Genehmigung eines Steinkohlekraftwerks ringt. Sofern das Kraftwerk gebaut wird, könnte es nicht nachgerüstet werden mit der in Schwarze Pumpe ausprobierten Technologie, sondern, wenn überhaupt, mit der CO2-Wäsche, die Vattenfall für das nächste Kraftwerk in Jänschwalde plant.

Höhn und andere Ökologen lehnen Großkraftwerke grundsätzlich ab und plädieren für dezentrale Kraft-WärmeKopplung auf der Basis von Gas, aber auch Kohle. „KWK-Anlagen werden hauptsächlich von Stadtwerken eingesetzt. Deswegen bekämpfen die großen Stromkonzerne die aufs Schärfste.“

Für die Versorgungssicherheit und das Klima wäre es indes ein Segen, wenn CCS funktionierte. Denn Kohle, inklusive deutscher Braunkohle, gibt es genug. Ottmar Edenhofer vom Potsdam- Institut für Klimafolgenforschung und gerade zum Kovorsitzenden einer der drei Arbeitsgruppen im Weltklimarat ernannt, sagt: „Mittel- und langfristig ist CCS unverzichtbar.“ Auch deshalb, weil es „eine Renaissance der Kohle gibt“. Mithilfe eines weltweiten Emissionshandels könnte sich „die Technologie durchsetzen, die den kostengünstigsten Klimaschutz gewährleistet“. Vielleicht CCS.

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