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Zeit verbringen. Tsipras und Gabriel nach langem Gespräch.

© Michalis Karagiannis/Reuters

Sigmar Gabriel in Griechenland: Vom Saulus zum Paulus

Der frühere Grexit-Denker Sigmar Gabriel ist mit einer Wirtschaftsdelegation in Athen. Und alle scheinen wieder Freunde zu sein.

Ein Jahr danach ist alles ganz anders. Da steht Sigmar Gabriel in der prallen Mittagssonne vor der Villa Maximou, dem Amtssitz des griechischen Regierungschefs in Athen, und kann Alexis Tsipras und die Griechen gar nicht genug loben. Ihre Seriosität, ihre Klarsicht, die Opfer, die sie gebracht haben. Die Agenda 2010 in Deutschland sei ein „laues Lüftchen“ verglichen mit dem, was die Griechen bis heute mitmachen, sagt der Bundeswirtschaftsminister.

Im Juli 2015 hatte Gabriel noch seine eigene Griechenlandkrise. Die Linke in der SPD erhob sich gegen ihren Vorsitzenden. Der hatte mal von der Option Grexit gesprochen und den Denkverboten, die es nicht geben dürfe; dann wieder von einem „Foul“ des Bundesfinanzministers, der scheinbar unabgesprochen Tsipras einen Euro-Ausstieg auf Zeit nahelegte. Das Referendum über die Kreditverhandlungen, das Tsipras angesetzt hatte, fand Gabriel erst gut, dann schnell fürchterlich. Tsipras, der linke Volkstribun, habe alle Brücken abgebrochen, schimpfte er damals. Jetzt aber ist Hellas 2.0, der Streit um das neue Kredit- und Sparmaßnahmenpaket für das bankrotte Land, abgehakt, der Blick nach vorn gerichtet.

Deutschland ist nicht der Lastesel der EU

Deutschland sei nicht der „Lastesel der Europäischen Union, der ständig Geld in andere Länder schickt“, erklärte Gabriel. „Wir müssen Europa entgiften von solchen Stereotypen“, sagte er. „Die Wahrheit ist ja, dass wir die Nettogewinner Europas sind, sonst hätten wir nicht diesen großen Handelsbilanzüberschuss.“

Mit 40 Geschäftsleuten im Tross kam Sigmar Gabriel am Donnerstag in Athen an. Bis Freitagabend bleibt er. Gabriel will sich Zeit für die Griechen nehmen, obwohl – und eben auch weil – es anderswo in Europa brennt. Die griechische Koalitionsregierung, geführt von der bis vor kurzem noch linksradikalen, marxistischen Partei Syriza, habe dieselbe Vorstellung wie er, sagt Gabriel, wenn es um Europa nach dem Brexit gehe. Europa müsse seine drei Versprechen einlösen: Frieden, Abbau der Technokratie in Brüssel, Wohlstand für alle. „Wir haben gerade gesehen, arme Leute stimmen für Out“, sagte der SPD-Chef. Und der Austritt Großbritanniens müsse nun rasch vonstattengehen, verlangte Gabriel.

Für den deutschen Vizekanzler gab es in Athen ein langes Programm. Gabriel hatte einen Höflichkeitstermin beim griechischen Staatspräsidenten, überzog dann sein Gespräch mit Tsipras um das Doppelte auf eineinhalb Stunden, traf seinen Kollegen, Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis, und den politisch noch weiter links verankerten Umwelt- und Energieminister Panos Skourletis. Am Freitag ist ein Gespräch mit Finanzminister Euklid Tsakalotos vorgesehen und auch ein Besuch beim „Impact Hub“, einem Zentrum für junge griechische Start-ups im Athener Altstadtviertel Plaka. Dazwischen noch eine kleine Konferenz zum Thema erneuerbare Energien. Dem gilt auch das Hauptinteresse der mitreisenden deutschen Unternehmer.

Frühere Besuche in Griechenland waren meist eine Pleite

Der erste Versuch der deutschen Wirtschaft mit Solar- und Windenergie in Griechenland ist es nicht. Die Besuche des früheren Bundeswirtschaftsministers Philipp Rösler in Athen waren meist eine Pleite: die griechischen Minister freundlich desinteressiert, Vorschläge für eine Zusammenarbeit im Bereich der erneuerbaren Energien weitgehend folgenlos.

Mit dem Juncker-Plan für Investitionen ist im Energiebereich nun etwas mehr in Bewegung gekommen. Unter den Projekten, die von der griechischen Regierung nach Brüssel gemeldet wurden, ist auch ein Vorhaben zum Bau von 190 Windturbinen und der Ausbau geothermischer Energie zur Beheizung von Treibhäusern im Winter.

Gabriel forderte die griechische Regierung dennoch auf, stabile Rahmenbedingungen für ausländische Investoren zu schaffen. Dies sei nach wie vor die größte Sorge der Unternehmer. Aber auch darin wusste er sich mit Alexis Tsipras einig. Die Fiskalreformen seien mit dem letzten, im Mai durchs Parlament gebrachten Paket abgearbeitet, so habe ihm Tsipras gesagt. Jetzt gehe es um die großen Strukturreformen. Das sieht Gabriel ganz genauso.

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