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Eine Tafel im Mainzer Bahnhof zeigt an, dass der Zugverkehr stark eingeschränkt ist.

© dpa

Personalmangel bei der Bahn: Sparkurs mit Spätfolgen für Fahrgäste

Jahrelang hat die Bahn für den Börsengang gekürzt und gespart. Jetzt fehlen überall im Konzern Stellwerker und Lokführer - auch in Berlin

Lahmgelegte ICEs und S-Bahnen, stillgelegte Weichen und Gleisabschnitte, Züge mit Rekordverspätung – das kann jederzeit auch in der Hauptstadtregion passieren. Der Grund: Personalmangel bei der Deutschen Bahn. „Schon die kleinste Grippewelle reicht, dann stehen die Räder still“, sagt Uwe Henschel, Berlin-Chef der Bahn-Gewerkschaft EVG. In den Stellwerken gebe es viel zu wenig Personal, schon jetzt schöben die Beschäftigten tausende Überstunden vor sich her. „Insgesamt bräuchten wir dort mindestens 150 Leute zusätzlich“, schätzt Henschel.

Damit droht auch in Berlin eine Situation, wie sie Mainz und andere Regionen derzeit erleben. In der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt halten seit einer Woche Regionalzüge nur noch stündlich, Fernverkehrszüge fast gar nicht mehr. Rund die Hälfte der 18 Stellwerksmitarbeiter ist krank oder im Urlaub. Kurzfristige Abhilfe aus anderen Regionen gibt es nicht – für jedes Stellwerk sind spezielle Orts- und Technikkenntnisse erforderlich. Erst Ende August werde sich die Lage bessern, erklärte die Bahn.

Das Problem sei absehbar gewesen, bemängelte Alexander Kirchner, Vorsitzender der Verkehrsgewerkschaft EVG. Bundesweit fehlten gut 1000 Fahrdienstleister. Die Belastungen der Beschäftigten hätten daher enorm zugenommen, Ausfälle seien da absehbar. „An allen Ecken und Kanten“ fehle es im gesamten Konzern an Personal, sagte er.

Wegen des Problems bekommt die Bahn nun Ärger mit Politik und Behörden. Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) beschwerte sich am Freitag bei Vorstandschef Rüdiger Grube. Parallel dazu mahnte sein Staatssekretär Volker Odenwald per Brief, die Lage sei „aus verkehrspolitischer Sicht nicht akzeptabel“. Er erwarte, dass künftig „ausreichende Personalreserven vorhanden sind“.

Das ist schon länger nicht mehr der Fall. Im Zuge der Umstellung auf elektronische Stellwerke, mit denen ein Fahrdienstleiter zehnmal produktiver ist, hat die Bahn viele Stellen gestrichen. Dadurch stieg das Durchschnittsalter der Berufsgruppe auf 55 Jahre. Heute fehlen die Fachleute – auch wegen dieser Personalpolitik hatte im Frühjahr Netz-Chef Oliver Kraft gehen müssen. Er hatte DB Netz zuvor zur profitabelsten Bahn-Sparte gemacht.

Auch das Eisenbahn-Bundesamt und die Bundesnetzagentur haben sich nun eingeschaltet. Nicht erst nach den Vorfällen in Mainz: Schon in den vergangenen Monaten hatten Züge stoppen müssen, weil Stellwerke in Bebra in Nordhessen, Beucha bei Leipzig, Friedenssegen bei Ingolstadt oder Zwickau unterbesetzt waren. Auch in Berlin gab es derartige Vorfälle: Im November fuhren zwischen Buch und Bernau zeitweise keine S-Bahnen, weil Personal im Stellwerk fehlte. Auch an Lokführern mangelt es seit geraumer Zeit.

Angesichts der Misere in Mainz ist nicht nur der Unmut der Fahrgäste für die Bahn schmerzlich. Konkurrenten und Verkehrsverbände dürften Regress fordern, die Bundesnetzagentur verhängt womöglich ein Zwangsgeld. Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber versicherte, man steuere seit längerem um. Statt Sanierung gehe es jetzt um Rekrutierung, zu den 12 000 Fahrdienstleitern sollen dieses Jahr noch 600 hinzukommen. Mit einem hohen Aufwand schult die Bahn dazu Mitarbeiter um. Das kostet Millionen und dauert: Erst 2014 werde die Bahn das Problem in den Griff bekommen, vermutet eine Branchenkennerin.

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