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Doktor der Philosophie. Palantir-Gründer Alex Karp hat in Frankfurt am Main promoviert

© A.Gombert/ picture alliance / dpa

Start-up Palantir: Glaskugel der Geheimdienste

Die Firma Palantir ist der Hauslieferant von Militärs und Spionen. Auch die Bundeswehr hat sich die Big-Data-Software angeschaut.

Palantir ist das geheimnisvollste Unternehmen der Welt. So enthüllte der US-Kriegsreporter Mark Bowden in seinem Buch „Killing Osama“, dass die Software des US-Start-ups letztlich auf die Spur von Bin Laden geführt habe. Dementiert wurde das nie. Erst im Februar wurde Palantir-Chef Alex Karp bei einem Auftritt auf der Münchner Sicherheitskonferenz gefragt, ob die Geschichte mit dem Al-Qaida-Chef stimme. Dazu dürfe er nichts sagen, erklärte Karp. „Aber unser Produkt ist schon sehr nützlich“, fügte er lächelnd hinzu. Schließlich sind es genau diese Geschichten, die Palantir eine mythische Aura verleihen.

In München traf Karp auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und versuchte, ihr seine Analyseprogramme schmackhaft zu machen. Spekulationen darüber gab es bereits. „Im Rahmen einer grundsätzlichen Marktanalyse hat ein Gespräch mit Vertretern der Firma Palantir stattgefunden“, erklärte die Bundesregierung jetzt in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen.

Ex-CIA-Chef lobt Palantir

Auf den ersten Blick sind beide ideale Partner. Die Streitkräfte versuchen technologisch massiv aufzurüsten und haben eine Cybereinheit und ein Cyber Innovation Hub gegründet. Palantir wiederum gilt als bevorzugter Technologielieferant von Militär und Geheimdiensten. Schon vor einigen Jahren wurde bekannt, dass die Analyseprogramme bei zwölf US-Behörden im Einsatz sind, darunter CIA, FBI, NSA, Pentagon, Marines und Air Force. „Ich wünschte, wir hätten dieses mächtige Tool vor 9/11 gehabt“, schwärmte der frühere CIA-Direktor George Tenet. Ein US-Militär bezeichnete Palantirs Big-Data-Programme als „Kombination aller Analysewerkzeuge, die man sich nur erträumen kann“.

Die CIA war auch schon an der Entstehung beteiligt: Der Start des 2003 gegründete Unternehmen wurde von der CIA-Tochter In-Q-Tel finanziert. Weiterer maßgeblicher Geldgeber war der deutschstämmige Starinvestor Peter Thiel, von dem schon Facebook-Gründer Mark Zuckerberg sein Startkapital erhalten hat. Thiel hatte zuvor den Zahlungsdienst Paypal mit aufgebaut, dabei entstand auch die Idee für Palantir. Denn Paypal investierte enorme Ressourcen darin, Algorithmen zu entwickeln, die automatisch Betrugsversuche aufspüren und ausbremsen.

Palantir-Gründer Karp schwärmt von Partynächten in Berlin

Vier Paypal-Mitarbeiter schlossen sich dann zusammen, um mit Palantir ein eigenes Unternehmen zu gründen. Thiel holte seinen früheren Studienfreund Karp als fünften hinzu. Der markante Lockenkopf ist heute Chef und Aushängeschild des Unternehmens. Karp gilt gleichzeitig als Genie und Exzentriker. Das Kind von Hippie-Eltern war früher „Neokommunist“, inzwischen gilt seine Leidenschaft Tai Chi und Qi Gong. Außerdem hat Karp eine besondere Liebe zu Deutschland, dem Land seiner Großeltern. In Frankfurt am Main promovierte er zum Doktor der Philosophie, schrieb dabei über Aggressionen und Sprache, Theodor Adorno und Martin Walser. „Ich liebte es einfach“, erzählte Karp über seine deutsche Unizeit und schwärmte von durchgemachten Nächten an schmuddeligen Berliner Orten, wo Hasch geraucht wird.

Vor einigen Wochen kam er in die Hauptstadt zurück: Der Springer-Verlag berief ihn bei seiner Hauptversammlung in den Aufsichtsrat. Und auch die Geschäfte der eigenen Firma will Karp in Deutschland ankurbeln. Die Deutsche Bank, Airbus und den Pharmakonzern Merck hat er schon als große Kunden gewonnen. Auch die hessische Polizei setzt inzwischen auf Palantir, mehr als 600 000 Euro soll sie im Vorjahr für die Software namens Gotham ausgegeben haben. Gotham heißt die von Kriminalität und Korruption verseuchte Stadt, in der Batman Verbrecher jagt.

Ähnliche Superkräfte wie dem Comichelden werden auch der Big-Data-Analysesoftware zugeschrieben. Karp pflegt diesen Mythos gern, wie der Umgang mit der Bin-Laden-Geschichte zeigt. Auch der Unternehmensname trägt seinen Teil dazu bei: Palantiri sind „sehende Steine“ in Tolkiens Fantasyepos „Herr der Ringe“; die Kristallkugeln werden dort zur Kommunikation und Kontrolle über große Entfernungen genutzt.

Palantir ist so mythisch wie umstritten

Die Palantir-Software verknüpft verschiedenste Datenbanken. Das System verfügt über ein vergleichsweise einfaches Eingabesystem, mit dem die Informationen durchsucht werden können, ohne eigene Abfragen programmieren zu müssen. Es durchforstet zudem riesige Datenmengen in enormer Geschwindigkeit und hilft dabei, Muster oder Anomalien zu erkennen. So soll es mit Palantir gelungen sein, innerhalb von Stunden aus 20 Terabyte an Daten das Schneeballsystem des Anlagebetrügers Bernie Madoff zu rekonstruieren.

In anderen Fällen ist die Rolle von Palantir umstritten. So ist bis heute unklar, ob die Firma der NSA bei der Entwicklung der Instrumente zur Massenüberwachung geholfen hat, die Edward Snowden aufdeckte. Auch der Bundesnachrichtendienst hat nach früheren Berichten Palantir genutzt. In den jüngsten Datenskandal um Facebook und Cambridge Analytica war ebenfalls mindestens ein Palantir- Mitarbeiter involviert. Das Unternehmen stritt eine eigene Beteiligung ab und erklärte das Ganze zur Privatsache.

„Sie sind eine Schlüsselfirma in der Überwachungsindustrie“, sagt Christopher Soghoian, Softwarespezialist der US-Bürgerrechtsvereinigung ACLU. Auch in Hessen ist der Palantir- Einsatz durch die Polizei umstritten, zumal der Auftrag ohne Ausschreibung vergeben wurde. Selbst IT-Experten der Polizei und des hessischen Landeskriminalamtes äußerten Bedenken, sie fürchten einen Abfluss von Daten in die USA. Landespolizeipräsident Udo Münch verteidigte den Einsatz dagegen kürzlich. Nach seinen Angaben hätte die Software beispielsweise geholfen, die Vorbereitung einer Gewalttat durch einen 17-jährigen IS- Anhänger aufzudecken, der im Februar festgenommen worden war.

Bundeswehr will mit Big-Data Materialprobleme in den Griff bekommen

Hilft Palantir auch bald der Bundeswehr? In einem Weißbuch zur Zukunft der Bundeswehr wurden „Cybersicherheit“, „Hybride Kriegsführung“ und „Krisenfrüherkennung“ als strategische Zukunftsthemen identifiziert. „Der ,Arabische Frühling‘ oder der Ukraine-Konflikt sind nur zwei Beispiele für Krisen, die nicht erwartet wurden“, heißt es in einer Analyse des Verteidigungsministeriums. Das soll sich künftig ändern. Die Truppe will Anzeichen erkennen, „aus denen sich innerhalb der nächsten sechs bis 18 Monate eine Krise entwickeln könnte“, sagt Achim Werres, Leiter des Referats für Krisenfrüherkennung und weltweite Risiko- und Bedrohungsbeurteilung. Und dabei soll neue Technik helfen. „Wir haben unglaublich viel Wissen, das wir bisher nicht handhaben konnten“, sagt ein Ministeriumssprecher.

Doch auch die vermeintlichen Superwerkzeuge von Palantir konnten von der Leyens Leute nicht überzeugen. Es war nicht das, was man haben möchte, erklärt das Ministerium. Stattdessen kamen zwei Konkurrenten zum Zug – einer davon aus Deutschland. „Im Rahmen von Pilotprojekten werden zurzeit IBM Watson und SAP Analytics getestet“, erklärt das Ministerium. Die Tests laufen bis Ende Juni kommenden Jahres. Die Software aus Walldorf soll helfen, die leidigen Materialprobleme besser in den Griff zu bekommen. Mit dem SAP-Programm wird die vorausschauende Wartung getestet, predictive maintenance heißt das im Fachjargon. Bei der Krisenfrüherkennung wird nun die Künstliche Intelligenz von IBM genutzt. Deren Programm Watson sorgte erstmals für Aufsehen, als es in der beliebten US-Quizshow „Jeopardy!“ gegen Menschen gewann. Der Palantir-Mythos hat Karp dagegen diesmal nichts genutzt. Womöglich hat er sich sogar gegen ihn gerichtet. Zu viele dunkle Geheimnisse können auch schaden.

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