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Streik auch bei der Berliner S-Bahn: Zwei Stunden Stillstand

Seit heute früh um sechs haben die Lokführer gestreikt. Die Berliner S-Bahn war lahmgelegt, die U-Bahn ist noch voller als sonst. Weiterhin gibt es Verspätungen und Zugausfälle - auch im Fernverkehr.

Zu Beginn richtig loslegen, damit man schnell zum Ziel kommt: Nach dieser Devise hat die Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) am frühen Dienstagmorgen ihren Arbeitskampf gegen die Deutsche Bahn (DB) und ihre sechs privaten Wettbewerber begonnen. Bundesweit hatte die Gewerkschaft ihre Mitglieder zum Streik aufgerufen und darüber erst am Montagabend die Öffentlichkeit informiert – damit die Schienenunternehmen keine Chance mehr hatten, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Auch Berlin ist betroffen, die S-Bahn war von sechs bis acht Uhr lahmgelegt, im Fernverkehr gibt es Verspätungen. Obwohl der Streik nur von sechs bis acht Uhr terminiert ist und die ersten Züge nun wieder fahren, werden die Folgen wohl noch bis zum Mittag spürbar sein mit Verspätungen und Zugausfällen.

Obwohl nun viele Pendler auf das Auto umsteigen müssen, meldet die Berliner Polizei zunächst keine Staus oder erhöhten Unfallzahlen. "Die Berliner fahren sehr besonnen", sagte ein Sprecher am frühen Dienstagmorgen und bezog das auch auf das frostige Wetter mit zweistelligen Minusgraden. Obendrein gab Probleme bei der U-Bahn-Linie U7 zwischen Rudow und Spandau. Die U7 fuhr mit Abständen von bis zu neun Minuten. Die Bahnsteige waren brechend voll, zum Beispiel am wichtigen Umsteigepunkt Hermannplatz.

Nach Angaben einer BVG-Sprecherin habe man die Taktung auf der Linie ausgedünnt, um den Verkehr auf den Linien U2, U5 und U6 verstärken zu können. Die Sprecherin zeigte sich beinahe empört gegenüber der Anfrage von Tagesspiegel.de. Es sei "teilweise unglaublich", wofür die Medien sich interessierten.

"Besondere Situation" in Berlin wohl doch kein Thema

„Alle werden bei der ersten Aktion einbezogen“, sagte Frank Nachtigall, Chef der GDL für Berlin, Brandenburg und Sachsen, auf Anfrage. Demnach sind 80 Prozent der S-Bahn-Lokführer Mitglied der GDL und somit zum Streik aufgerufen.

GDL-Chef Claus Weselsky hatte vergangene Woche im Interview mit dem Tagesspiegel gesagt, man wolle bei der S-Bahn „sicherlich deren besondere Situation berücksichtigen“. Das galt nun nicht für den Auftakt des Arbeitskampfes, auch wenn Nachtigall zu beschwichtigen suchte. Die angekündigte Streikdauer „ist für die Kunden noch händelbar, jetzt weiß jeder Bescheid“, sagte der Berliner GDL-Chef am Montagabend. Was in den nächsten Tagen passiere, sei noch unentschieden. „Wir warten die Wirkung auf die Arbeitgeber ab, dann werden wir weitere Maßnahmen beschließen“, sagte Nachtigall und kündigte gleichzeitig eine schärfere Gangart an. Die zweistündige Auszeit am frühen Dienstagmorgen sei „mit Sicherheit die kürzeste Variante“ in dem damit beginnenden Arbeitskampf.

Die GDL will für die 26.000 Lokführer in Deutschland einen Branchentarifvertrag sowie mehr Lohn erstreiten. Bei der Bahn fordert die Gewerkschaft fünf Prozent mehr Geld, das Angebot des Konzerns beziffert sie mit 1,9 Prozent.

Mit der Ankündigung des ersten Warnstreiks teilte die Gewerkschaft auch mit, bestimmte Züge nicht zu bestreiken. Dazu gehören Kranken- und Behindertentransporte, „Sonderzüge, die ausschließlich Schüler zum Beispiel bei Schulausflügen transportieren (nicht zu verwechseln mit Regelzügen, in denen sich auch Schüler befinden)“, sowie Transporte mit lebensnotwendigen und verderblichen Gütern.

Der Streikinformation am Montagabend war ein ungewöhnliches Verwirrspiel vorausgegangen. Bereits einen Tag zuvor hatte es eine Mitteilung gegeben, wonach die Lokführergewerkschaft zum Streik am Montagmorgen aufrufe. Das alles unter dem grün-orangen Logo der Gewerkschaft und versehen mit der korrekten Telefonnummer der GDL-Zentrale. Einige Zeitungen meldeten am Montag denn auch den Beginn des Streiks um sieben Uhr – es geschah aber nichts. Denn die GDL bestreitet, Absender der Mail zu sein. Die Mitteilung soll also eine Fälschung sein. Und das, obwohl sie von der Adresse presse@gdl.de aus versandt wurde. „Da treibt offenbar jemand Schindluder in unserem Namen“, sagte der Vorsitzende Weselsky dem Tagesspiegel am Montag. „Bestimmte Leute wollen wohl dafür Sorge tragen, dass es chaotisch wird.“ Das sei bitter und belege „eine erhebliche kriminelle Energie“. Und weiter erklärte der GDL-Chef in einer Pressemitteilung am Montagabend: „Schaut man sich das gemeinsame Wehklagen der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und der DB zu den angeblich von uns abgesetzten Falschmeldungen an, so wird schnell klar, wer mit wem und auf wessen Kosten ein falsches Spiel spielt.“

Verwirrung um Streikbeginn

Schon vor der womöglich gefälschten E-Mail hatte es Verwirrung um den Streik gegeben. „Kein Streik ab dem 21. Februar“, hatte die GDL am Freitagabend per Mail mitgeteilt – diese aber schon eine knappe Stunde später wieder zurückgenommen. Am Sonnabend dann hatte ein Mann, der vorgab, Sprecher der GDL zu sein, bei einer Nachrichtenagentur angerufen und für Montag Streiks in Nordrhein-Westfalen angekündigt. Nachdem die Meldung auf den Ticker gegangen war, beeilte sich die GDL, dies zu dementieren. Die Branche spekuliert nun über die Ursache dieser Kommunikationsprobleme. Möglich ist, dass die GDL selbst für das Chaos verantwortlich ist – es wäre nicht das erste Mal, dass sie in Arbeitskämpfen zu unkonventionellen Methoden greift. Denkbar ist auch, dass ein GDL-Funktionär ungeduldig ist und den Streikbeginn beschleunigen wollte. Oder dass die konkurrierende Gewerkschaft EVG die Lokführer schlecht aussehen lassen will. Die EVG bestreitet das. Auch die Arbeitgeber wollen damit nichts zu tun haben. „Jegliche Unruhe ist schädlich für unsere Kunden“, hieß es in deren Lager.

„Die GDL führt die Kunden an der Nase herum“, sagte Ulrich Weber, Personalvorstand der Bahn. Das Versteckspiel der Gewerkschaft schade den Reisenden, ohnehin sei ein Streik widersinnig, da die Bahn das Kernanliegen der GDL, den Flächentarifvertrag, unterstütze. Auch Alexander Kirchner, Chef der Gewerkschaft EVG, übte scharfe Kritik. Die GDL betreibe einen „unverantwortlichen Umgang mit dem Recht auf Arbeitskampf“ und bringe es in Misskredit. Der Führungsspitze gehe es offensichtlich nur darum, in die Schlagzeilen zu kommen.

Die GDL selbst wollte über den Urheber der Falschmeldungen nicht spekulieren. „Wir haben Wichtigeres zu tun“, sagte Weselsky. Der Versender der Mail vom Sonntag müsse aber damit rechnen, entdeckt zu werden. Ob die GDL ihn anzeigen werde, ließ er offen.

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