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Raus aus der Stadt. Ältere Diesel sollen von der Straße verschwinden. Das Ziel: Fahrverbote vermeiden.

© picture alliance / Michael Kappe

Update

Diesel-Deal im Kanzleramt: Und die Autobauer bewegen sich doch

Regierung und Autoindustrie ringen um ein Maßnahmen-Paket beim Diesel, um Fahrverbote zu vermeiden. VW zeigt sich bei Nachrüstungen kompromissbreit.

„Wir rechnen noch“, heißt es bei einem deutschen Autokonzern am Donnerstag. Einsilbig wird die Frage beantwortet, mit welchen Kosten die Unternehmen kalkulieren, wenn sich die Bundesregierung an diesem Freitag auf ein Diesel- Maßnahmenpaket einigen sollte. Kaufprämien, Rückkäufe, Nachrüstung – bei Telefonkonferenzen loten die Vorstandschefs von BMW, Daimler und Volkswagen aus, was es kosten würde, wenn die von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) präsentierten Vorschläge umgesetzt würden. „Wir suchen nach einer gemeinsamen Linie“, heißt es.

Auf der politischen Seite ist der Abstimmungsbedarf noch größer, eine gemeinsame Linie noch nicht in Sicht. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) fordert eine stufenweise Hardware-Nachrüstung älterer Dieselwagen auf Kosten der Hersteller; Verkehrsminister Scheuer hat größte Bedenken und wollte ursprünglich überdies die Pkw-Halter finanziell beteiligen; Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) lehnt einen solchen Eigenbeitrag der Verbraucher hingegen ab, ebenso die Verwendung von Steuergeld; Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat sich zuletzt öffentlich nicht festgelegt – und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) soll angeblich ihre Ablehnung von Hardware-Lösungen aufgegeben haben.

An diesem Freitagmittag treffen sich alle im Kanzleramt, um einen Kompromiss zu finden. Am Montagabend ist dann ein Koalitionsausschuss geplant. Doch selbst wenn die Regierung sich einig werden sollte: Es ist offen, ob auch die Autoindustrie mitmacht.

Verbraucher sollen nicht an den Kosten beteiligt werden

Am Donnerstag zeichnete sich ab, dass eine Kostenbeteiligung der Verbraucher ausgeschlossen ist. Nachdem Scheuer bereits Anfang der Woche eingelenkt hatte – nach einer Intervention des wahlkämpfenden bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) –, ist das Thema vom Tisch. Bleibt die Frage, wie teuer es für die Hersteller wird und bei welchen Fahrzeugen eine Nachrüstung möglich ist. CDU-Bundesvize Volker Bouffier sagte der dpa vor dem Spitzentreffen, er erwarte eine Vereinbarung, „dass der Dieselfahrer keinen Schaden hat und am Ende der Dumme ist“.

Die Industrie müsse sich überlegen, ob sie sich weiter bockig anstelle oder ob sie rasch den eingetretenen Vertrauensschaden wieder beseitige, betonte Bouffier. „Und das kann nicht gelingen, wenn derjenige, der gar nichts dazu kann, auch noch einen Beitrag zahlen muss. Ich bin nicht bereit, mir noch länger anzuhören, dass in den USA alles bezahlt wird, aber die Leute in Deutschland schlechter dran sind.“ Er erwarte daher von den Autobauern eine breite Initiative und „ein ordentliches Angebot“.

Zumindest Volkswagen zeigt sich hier offenbar kompromissbereit und will sich an den Kosten für Nachrüstungen beteiligen. Dabei müsse bei einer geringeren Leistung und einem höheren Verbrauch nach einem Eingriff die Haftung aber ausgeschlossen sein, sagte ein Insider Reuters.

Der Anbieter von SCR-Nachrüstkatalysatoren Twintec gibt Kosten von rund 1800 Euro etwa für einen VW Passat an. In der Industrie werden aber auch höhere Summen genannt. „Wer weiß, ob die genannten Preise nicht Kampfpreise der Nischenanbieter sind, die bei größeren Bestellungen steigen“, gibt ein Autobauer zu bedenken. Und: Niemand könne sagen, ob Twintec und andere die notwendigen Stückzahlen überhaupt liefern könnten. Unbeantwortet sind auch Fragen nach der Garantie und ob die umgebauten Autos anders besteuert und neu zertifiziert werden müssen. Letzteres würde Zeit in Anspruch nehmen, da die Prüfvereine schon mit der Umstellung auf den WLTP-Prüfzyklus überfordert sind.

Gutscheine für die Halter betroffener Autos

Die "Frankfurter Allgemeiner Zeitung" berichtete unterdessen, geplant sei ein Gutscheinsystem für die Halter betroffener Autos. Demnach ist geplant, dass Audi, Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz von Einfahrverboten betroffenen Autobesitzern Gutscheine für Einbauten durch Zulieferer geben. Eine Herstellergarantie wollen die Konzerne demnach aber nicht übernehmen.

Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, wertete dies als Zeichen, dass endlich Bewegung in die Dieselproblematik kommt. Zugleich forderte er, es dürfe nicht sein, dass für Umbauten keine Herstellergarantie übernommen werde. "Hier wird der Schwarze Peter am Ende doch wieder den Bürgerinnen und Bürgern zugesteckt, die auf das Auto angewiesen sind", sagte er dem "Handelsblatt".

Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, erklärte, die Pläne, dass Autohersteller über ein Gutscheinsystem die Nachrüstung älterer Dieselfahrzeuge zwar mitfinanzieren, aber nicht voll tragen und keine Garantie übernehmen, bleibe "eine Ohrfeige" für betroffene Verbraucher.

Maßnahmen in "Intensivstädten" - nicht in Berlin

Nachrüstungen (und alle anderen Maßnahmen) soll es nach den derzeitigen Plänen nur in zehn von Stickoxidemission besonders belasteten „Intensivstädten“ geben, inklusive der Pendler in einem Umkreis von 70 Kilometern, etwa in München, Stuttgart, Düsseldorf und Frankfurt am Main. Einbezogen wären so rund 1,4 von 15 Millionen Dieselfahrern. Die Main-Metropole wurde zuletzt aufgenommen, weil auch in Hessen gewählt wird. Nicht auf der Liste steht Berlin – zum Ärger des Senats. „Die Maßnahmen reichen nicht“, sagte Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) dem Tagesspiegel. „Gesundheitsschutz kann doch nicht nur in willkürlich ausgewählten Städten gelten.“ Das Verursacherprinzip sei von der Bundesregierung überall durchzusetzen und die Hersteller seien zu verpflichten, auf eigene Kosten Fahrzeuge nachzurüsten. Günther: „Die Regierung ist weiter nur getrieben von den Gerichten, statt endlich das Problem zu lösen.“

Industrie lehnt Rückkäufe ab

Weit auseinander sind die Positionen beim Thema Rückkauf. Scheuer hatte – wohl auch unter dem Druck des Kanzleramts – vorgeschlagen, die Hersteller sollten in den „Intensivstädten“ ältere Diesel (Euro 4 und 5) zurückkaufen, ohne dass den Kunden größere Wertverluste entstehen. Die Rede war von einem Rückkaufpreis zum Zeitwert plus Wertausgleich von 20 Prozent. Gefragt nach einem solchen Pflichtprogramm schüttelt die Industrie den Kopf. „Dann würden unsere Händler auf die Barrikaden gehen“, heißt es. In den Autohäusern, so die Befürchtung, würde eine noch größere Rabattschlacht ausbrechen. Oder: Die Kunden wandern zu ausländischen Marken ab. Unstrittig ist hingegen, dass die Autohersteller neue, attraktivere Kaufprämien anbieten sollen. Das kostet sie zwar Geld, weil die Rabatte steigen, kurbelt aber zugleich ihr Neuwagengeschäft an.

Unterm Strich dürften auf die Konzerne einige Milliarden Euro an Mehrkosten zukommen. Was Opposition und Umweltverbände angesichts der hohen Gewinne für verkraftbar halten. Nach drei Jahren Dieselkrise, mehreren Gipfeln mit der Regierung und ungezählten Expertenrunden drängt plötzlich die Zeit. Denn: In Bayern und Hessen wird gewählt.

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