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© GETTY IMAGES NORTH AMERICA

USA: Aufbruch im Autoland

Auf der Messe in Detroit versucht die Autobranche den Neustart – vor allem die deutschen Hersteller geben sich selbstbewusst.

Washington/Berlin - Die Stars kommen fast alle aus Europa. „Small“ gilt bei der Motorshow 2010 in Detroit als „beautiful“. Die US-Medien rücken nicht mehr Pick-Ups und SUV’s in den Blick wie in den fetten Jahren bis 2007. Die Kameras richten sich auf Kleinwagen wie den Ford Fiesta, den Fiat 500 und die Chevrolet Aveo und Cruze, die eigentlich Opel-Modelle sind. Daneben spielen Elektro- und Hybridfahrzeuge eine wichtige Rolle; 2008 und 2009 standen sie ganz im Vordergrund.

Die Bildersprache in Detroit zeigt, wohin die Reise geht. Hybridtechnik, die in Zeiten explodierender Benzinpreise der PR-Renner war, hat nie den Massenmarkt erobert. Die Konzerne verdienen damit kein Geld, die Hybridmodelle symbolisierten aber den Trend zu Sparsamkeit und Umweltfreundlichkeit. Auch die Kleinwagen werden das Straßenbild in den USA künftig nicht beherrschen. Autos in der Größenordnung von VW Jetta und Golf gelten in Amerika als die Untergrenze für eine standesgemäße Motorisierung. Im Mittleren Westens werden die Amerikaner sowieso weiter Pick-Ups und SUV’s fahren. Aber die Stars 2010 zeigen, wo der US-Automarkt steht.

Die Branche berappelt sich nach einer tiefen Krise. Den größten Aderlass erlebten GM und Chrysler. Sie sind aus den geordneten Konkursverfahren auferstanden, verlieren aber weiter Marktanteile an ausländische Marken und brauchen Entwicklungs- und Modellhilfe aus Europa bei Klein- und Kompaktwagen. Fiat ist bei Chrysler eingestiegen. GM kann auf Opel nicht verzichten. Ford ist da schon lange gut aufgestellt und benötigte in der Krise keine Staatshilfe.

Der Neuwagenverkauf ist von 17 Millionen in den Jahren 2005 bis 2007 auf 10,4 Millionen 2009 abgestürzt. Auch diese Zahl wurde nur dank einer Abwrackprämie erreicht, die den US-Steuerzahler mehr als zwei Milliarden Dollar kostete. Die Absatzzahlen werden auf absehbare Zeit nicht mehr die alten Höhen erreichen. Für 2010 rechnen Optimisten mit elf bis 11,5 Millionen, mittelfristig mit zu 15 Millionen pro Jahr. Das heißt einerseits: Der US-Markt hat rund sechs Millionen potenzielle Käufer verloren, mehr als anderthalb mal so viel wie der deutsche Neuwagenmarkt (3,8 Millionen). Andererseits werden selbst auf diesem Tiefpunkt noch dreimal so viel neue Fahrzeuge in den USA verkauft wie in Deutschland. In zwei, drei Jahren könnten es sogar schon wieder viermal so viele sein. Deshalb spielt der US-Markt für alle deutschen Autobauer eine Schlüsselrolle in der Konzernstrategie.

„Die USA bleiben Autoland“, glaubt auch Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Deutschen Autoindustrie (VDA). „Erste Anzeichen für eine Belebung des Marktes“ seien erkennbar, 2010 werde der US-Automarkt um rund zehn Prozent wachsen, prognostizierte Wissmann am Montag. Und mittelfristig strebten die Deutschen einen Marktanteil von zehn Prozent an. Gerade bei spritsparenden Fahrzeugen böten die deutschen Hersteller „maßgeschneiderte Modelle“ an, sagte der VDA-Präsident. „Wir werden uns vor allem auf einen Angriff im Kleinwagen- und Volumensegment konzentrieren.“ Zudem wolle man mit Dieselmodellen punkten, die in den USA bisher eine Randerscheinung sind.

Um die Präsenz auf dem wichtigen US-Markt und im Nafta-Raum (USA, Mexiko, Kanada) zu verbessern – 2009 entfielen elf Prozent des gesamten deutschen Pkw-Exports auf die USA –, stocken die Deutschen ihre Produktionskapazitäten vor Ort aus. Daimler wird die nächste C-Klasse ab 2014 in Tuscaloosa produzieren, BMW baut sein Werk in Spartanburg für die Produktion von X3, X5 und X6 aus, VW investiert eine Milliarde Dollar in ein neues Werk in Chattanooga, Tennessee. Insgesamt rund 24 000 Mitarbeiter beschäftigen die deutschen Autobauer schon in den USA, bei deutschen Zulieferern sind es 50 000. Der Nachholbedarf ist noch groß: 72 Prozent der in den USA verkauften deutschen Autos, insgesamt 547 000 Stück, stammten 2009 aus europäischen Werken.

Volkswagen will ab 2011 in Tennessee sein neue Mittelklassemodell vom Band laufen lassen. Der Umzug aus den Autostaaten im Norden, mit Detroit und Michigan als Zentrum, in die Südstaaten, wo es so gut wie keine Gewerkschaftsbewegung gibt, liegt seit zwei Jahrzehnten im Trend. BMW, Mercedes, Toyota, Honda und Nissan haben das viel früher getan. Mit der Produktion in den USA mache sich VW bei der Preisgestaltung unabhängig vom Währungskursrisiko, das auf allen Modellen laste, die in Europa für den US-Markt produziert werden, sagt Stefan Jacoby, Chef von Volkswagen USA „Made in the US“ spricht zudem den Nationalstolz an, und das ist eine wichtige Hilfe beim ehrgeizigen Ziel, den Absatz in den USA bis 2018 zu vervierfachen.

VW bringt nach Detroit gute Nachrichten aus Deutschland mit: Europas größter Autokonzern rechnet zwar mit einem „harten Jahr“, will der Konkurrenz aber erneut Marktanteile abjagen. 2010 sollen konzernweit mehr als 60 neue Modelle auf den Markt kommen. 2009 erzielte Volkswagen gegen den Branchentrend einen Absatzrekord. Die Zahl der weltweiten Auslieferungen stieg im Vergleich zum Vorjahr um 1,1 Prozent auf 6,29 Millionen Fahrzeuge. Der weltweite Personenwagen-Marktanteil erhöhte sich von 10,3 Prozent auf 11,4 Prozent.

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