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Carl Martin Welcker ist Präsident des Maschinenbauverbands VDMA.

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VDMA-Präsident Carl Martin Welcker: „Krisen im Maschinenbau dauern lange“

Carl Martin Welcker, Präsident des Maschinenbauverbands VDMA, geht davon aus, dass die Durststrecke seiner Branche bis ins nächste Jahr hinein anhält. Ein Interview

Carl Martin Welcker leitet die Kölner Schütte GmbH, ein weltweit führender Hersteller von Mehrspindel-Drehautomaten und CNC-Schleifmaschinen. Welcker, Urenkel des Firmengründers, übernahm die Geschäftsführung des Familienunternehmens 1993. Seit 2016 ist der Unternehmer ehrenamtlicher Präsident des Verbandes deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Mit rund 6400 Unternehmen und 1,3 Millionen Beschäftigten ist der Maschinenbau die größte Industriebranche Deutschlands.

Herr Welcker, wie kommt ein Hidden Champion aus Köln durch die Krise?
Uns geht es nicht anders als den meisten Unternehmen: Durch Vertriebsaktivitäten kann man zurzeit nichts gewinnen. Wir können nur die Dinge konsequent vorantreiben, die wir in der Entwicklungspipeline haben. Aber das muss man sich auch leisten können.

Nach den guten Jahren von 2010 bis 2019 sollte das möglich sein.
Trotzdem muss man sehr sparsam sein. Krisen im Maschinenbau dauern lange. Bis aus einem Auftrag schließlich Umsatz wird, vergehen sechs bis zwölf Monate. Deshalb stellen wir uns auf eine lange Durststrecke bis weit ins nächste Jahr ein und haushalten sehr vorsichtig.

Gab es seit März keine Aufträge?
Die Pandemie beschäftigt uns ja schon viel länger wegen des frühen Lockdowns in China. Nach den USA ist China der wichtigste Auslandsmarkt der deutschen Maschinenbauer, deshalb haben wir die dortigen Auswirkungen der Pandemie auch direkt zu spüren bekommen.

Jetzt geht es dort wieder aufwärts.
Ja, langsam kommen die Chinesen in Schwung. Manche unserer Mitglieder sind im China-Geschäft sogar schon wieder auf dem Vorkrisenniveau. Aber den Maschinenbau belastet nach wie vor der Handelskrieg mit den USA, der die chinesische Konjunktur enorm bremst. Das merken unsere Firmen, die ja die Maschinen liefern für die chinesischen Produzenten.

1,3 Millionen Menschen arbeiten in Deutschland im Maschinenbau.
1,3 Millionen Menschen arbeiten in Deutschland im Maschinenbau.

© dpa

In den USA lagen die deutschen Maschinenbauer im ersten Quartal sogar leicht im Plus. Wie geht es da weiter?
In manchen US-Staaten sitzt man schon wieder eng in Kneipen zusammen und lebt so, als gebe es das Virus nicht. Aber das ist eine gefährliche Sorglosigkeit. Wir gehen auch deshalb davon aus, dass der amerikanische Markt schwierig bleiben wird. Auf der anderen Seite können die Amerikaner immer noch eine enorme Dynamik entwickeln, wenn sie wieder nach oben fahren.

Welche Bedeutung hat die Präsidentschaftswahl im November?
Die Wahl eines amerikanischen Präsidenten hat immer eine große Bedeutung. Ich kann aber nicht sagen, dass der eine Kandidat für die Investitionstätigkeiten besser wäre, als der andere. Auch bei einer Wahl von Joe Biden würde keine Rakete abgehen. Klar ist aber, dass US-Unternehmen in diesen Monaten vor der Wahl sehr sensibel sind und sich mit Investitionen eher zurückhalten. Ein wirklicher Aufschwung in den USA wird auch deshalb frühestens 2021 kommen.

Dennoch macht sich langsam Optimismus breit. Rund 80 Prozent der deutschen Maschinenbauer erwarten, 2022 wieder das Niveau von 2019 zu erreichen.
Der Maschinenbau war nie in einem vollständigen Lockdown, weil auch in der Krise Maschinen und deren Service benötigt werden. Denken Sie an die Nahrungsmittelverarbeitung oder die Medizintechnik. Grundsätzlich sind andere Branchen viel stärker betroffen als wir und brauchen dringender Hilfe. Das gilt auch für unsere Nachbarn in der EU.

Die Lieferketten funktionieren wieder?
Im Wesentlichen ja. Auch die südeuropäischen Zulieferer sind wieder im Arbeitsmodus. Wie robust diese Firmen finanziell sind, können wir aber nicht beurteilen. Meiner eigenen Firma sind einige Kunden verloren gegangen, die aufgeben mussten. Alles in allem werden wir auf der Auftragsseite hoffentlich im ersten Quartal 2021 erste Pflänzlein sprießen sehen, aber auf der Umsatzseite dauert das bis zur zweiten Jahreshälfte 2021.

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Dann brauchen die Firmen bis weit ins nächste Jahr die Kurzarbeit?
Davon gehe ich aus, wenn wir an dem Ziel festhalten, unsere Belegschaften zu sichern. Die Mitarbeiter sind unser wichtigstes Gut, in unserer komplexen Branche sind viele Spezialisten tätig. Aber es kann natürlich auch zu Kapazitätsabbau kommen, weil Unternehmen einen Teil ihrer Kunden dauerhaft verlieren. Zum Beispiel die Luftfahrt: Über einen langen Zeitraum werden weniger Flugzeuge gebaut werden.

Bis Elektroautos massentauglich sind, wird es noch dauern.
Bis Elektroautos massentauglich sind, wird es noch dauern.

© dpa-tmn

Nach einer Umfrage der IG Metall wollen zwölf Prozent der Maschinenbauer Personal abbauen.
Das bedeutet aber nicht die Kündigung von zwölf Prozent der Belegschaft. Personalabbau kann die Nichtübernahme von Auszubildenden bedeuten, das Auslaufen befristeter Verträge, zusätzliche Altersteilzeit oder die Kündigung von Leiharbeitsverträgen. Die Firmen werden alles tun, um ihre Facharbeiter zu halten.

Trägt das Konjunkturpaket zum Aufschwung bei?
Natürlich fallen mir viele Punkte ein, die ich anders gemacht hätte. Doch Politik ist ein Geschäft mit Kompromissen, und so war ich alles in allem positiv überrascht, wenngleich einige Dinge auf der Nachfrageseite wie der Kinderbonus oder die Form der Mehrwertsteuersenkung kritikwürdig sind.

Was haben Sie gegen eine geringere Mehrwertsteuer?
Wirkungsvoller wäre gewesen, geringwertige Güter weiterhin mit den bisherigen Steuersätzen zu belasten und dafür höherwertige Güter deutlicher zu entlasten. Ab einem Wert von 1000 Euro hätte dann nur noch der halbe Mehrwertsteuersatz gegolten, was Möbeln, Elektrogeräten, Fahrrädern oder Autos einen Push gegeben hätte. Denn daran hakt es doch in der Krise: Die Leute kaufen weiter Milch und Zahnpasta, aber keine höherwertigen Wirtschaftsgüter. Doch unser Vorschlag hat sich leider nicht durchsetzen lassen.

Schade auch für den Maschinenabsatz.
Na ja, 80 Prozent unserer Produkte verkaufen wir im Ausland. Abgesehen davon fällt bei Investitionsgütern die Mehrwertsteuer nicht ins Gewicht - sie wird unseren Kunden ja erstattet.

Wie gefällt Ihnen die Förderung von Wasserstoff und E-Mobilität?
In der Mobilitätspolitik sehe ich viele Widersprüche. Auf kommunaler Ebene wird der öffentliche Personennahverkehr gefördert, Parkraum für Pkw verringert und Fahrradspuren errichtet, auf Bundesebene der Kauf von Fahrzeugen subventioniert. Wenn wir wirklich das Klima schonen wollen, dann müssen wir einen CO2-Preis finden, der langsam, aber sicher steigt und so Lenkungswirkung entfaltet. Dann könnten wir uns den ganzen kleinteiligen Kram mit Sektorvorgaben, Kaufprämien für Autos oder die Subvention von Ladesäulen sparen. Ein vernünftiger CO2-Preis ist das beste marktwirtschaftliche Steuerungsinstrument.

Bringt das mehr saubere Autos auf die Straße?
Für das Klima wäre das jedenfalls besser als die jetzige absurde Förderung der Elektromobilität. Ich bin für den Elektroantrieb, aber auf dem Land macht das Elektroauto kaum Sinn und in der Stadt gibt es nicht die erforderlichen Stromnetze oder Lademöglichkeiten zum Beispiel in Wohnblocks. Angesichts des aktuellen Strommix, den Umweltkosten in der Batterieherstellung sowie dem Mobilitätsverhalten der Deutschen liefert das Elektroauto keinen Beitrag zum Klimaschutz. So, wie wir das machen, ist das ein Desaster und für den Steuerzahler sehr teuer. Ein echtes Geschäftsmodell für Elektroautos ohne die Kaufhilfen der Staaten gibt es noch lange Zeit nicht.

Hat Wasserstoff mehr Potenzial?
Wasserstoff ist lange vernachlässigt worden, doch jetzt ist die Politik endlich aufgewacht. Die nationale Wasserstoffstrategie ist ein erster Schritt. Wenn wir eine Chance haben wollen, langfristig in der Mobilität technologisch führend zu bleiben, dann gelingt das eher mit Wasserstoff als mit der Batterie. Denn bei der Batterieproduktion sind die asiatischen Hersteller doch schon sehr weit enteilt. Mit dem Wasserstoff haben wir die Chance, einen Energiespeicher der Zukunft neu zu definieren.

Nach vier Jahren geben Sie das Amt des Maschinenbaupräsidenten im Herbst ab. Was kommt auf Ihren Nachfolger zu?
Die zunehmenden staatlichen Eingriffe gerade in den vergangenen Monaten sind schon beunruhigend. Zu der Bürokratie ist die Unberechenbarkeit der Politik gekommen. Das betriff den Außenhandel mit den Handelsstreitigkeiten und im Inland das Verbot von Werkverträgen oder das Lieferkettengesetz. Da werden staatliche Aufsichtspflichten auf die Unternehmen abgewälzt. Dagegen wird sich auch mein Nachfolger wehren.

Und vor welchen Aufgaben stehen die Firmen selbst?
Digitalisierung und Innovationsgeschwindigkeit sind die großen Themen. Wir sind sehr perfektionistisch im Maschinenbau, sehr gut und sehr zuverlässig, alles muss zu 100 Prozent stimmen. Das geht manchmal zulasten der Schnelligkeit, hier müssen wir noch zulegen.

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