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Konkurrenz auf dem Dach. Alle dreieinhalb Jahre müssen Schornsteinfeger Heizungsanlagen kontrollieren. Kleinere Wartungen können künftig frei vergeben werden Foto: Kai-Uwe Heinrich

© picture-alliance / ZB

Wirtschaft: Wettbewerb um die Kamine

Berlins Schornsteinfeger müssen sich auf den freien Markt einstellen: 2013 fällt ihr Monopol

Noch hat Schornsteinfegermeisterin Erika Feller alle Hände voll tun: Zu ihrem Kehrbezirk in Dahlem gehören 1600 Grundstücke, und da auch viel im Büro zu tun ist, beginnt ihr Arbeitstag oft um sechs Uhr früh. Doch das macht ihr nichts aus. „Das Tolle ist der Umgang mit vielen Menschen und dass man etwas für die Natur tut“, sagt die 53-Jährige, die 1981 als erste Schornsteinfegerin die Meisterprüfung in Berlin abgelegt hatte. Auch ihr Ehemann und ihre Tochter Sonja haben denselben Beruf. Doch die Branche ist im Umbruch: Ende 2012 laufen das Gebietsmonopol und die Gebührenordnung aus – und die Schornsteinfeger müssen sich dann dem Wettbewerb mit Berufskollegen und Gas-Wasser-Installateuren stellen.

„Wir werden sicherlich viel weniger Geld verdienen“, fürchtet Erika Feller. Denn die Kunden können sich künftig aussuchen, wen sie mit dem Fegen und Messen beauftragen. Die hoheitlichen Aufgaben werden sich auf große „Feuerstättenschauen“ beschränken, die zwei Mal im Laufe von sieben Jahren vorgeschrieben sind. Und auch hier steht eine gewisse Liberalisierung bevor, denn die Kehrbezirke werden nicht mehr bis zum Rentenalter vergeben, sondern alle sieben Jahre neu ausgeschrieben. Der Nachwuchs habe damit wenig Probleme, sagt Feller, aber manche „Altvordere hatten sich auf dem Monopol ausgeruht“.

Der freie Markt sei für viele noch eine „Herausforderung“, hat auch Rolf Hempel festgestellt. Er ist Inhaber des „BEITraining Center Berlin Mitte“ und kooperiert mit Brandenburgs Schornsteinfegerinnung. Ende März will er bei „Roadshows“ im Umland vor Innungsmitgliedern für seine kostenpflichtigen Schulungen werben; Seminare für Berliner sollen folgen. Während der Vorbereitung hatte der Trainer Schornsteinfeger um Eigeneinschätzungen gebeten. Die meisten sahen bei sich Defizite im „unternehmerischen Denken und Handeln“, bei Rhetorik und Präsentationen und bei der Kundenbindung, die bisher keine große Bedeutung hatte. „Auch Preisberatung hat kaum jemand gelernt“, sagt Hempel. Wichtig sei außerdem, „mögliche Zusatzgeschäfte zu erkennen“. So könne der Schornsteinfeger einem Immobilieneigentümer gegen Aufpreis auch einen „Hausdach-Check“ anbieten. Außerdem könnten Meister gemeinsame Unternehmen mit Gas-Wasser-Installateuren gründen und so mehr Leistungen aus einer Hand erbringen. „Für alle, die vor allem berufliche Sicherheit angestrebt haben, wird das Handwerk allerdings uninteressanter“, glaubt Hempel.

Die neue Gesetzeslage ab 2013 ist eine Folge einer Rüge der EU-Kommission. Diese sah im deutschen Gebietsmonopol einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit und hatte schon vor acht Jahren ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Hempel, der eigentlich aus der Autobranche kommt, vergleicht dies mit dem Wegfall eines Monopols im Autohandel: Die Autohersteller könnten Händler nicht mehr zwingen, ausschließlich Wagen einer Marke zu verkaufen.

Bei den Schornsteinfegern gilt das Gebietsmonopol bis 2013 zwar noch für Deutsche, aber es ist schon jetzt erlaubt, „gelegentlich und vorübergehend“ Fachbetriebe aus einem anderen EU-Land zu beauftragen. In der Praxis geschehe dies aber noch sehr selten, sagt der Sprecher der Schornsteinfeger-Innung Berlin, Henry Laubenstein. Auch in Zukunft rechnet er nicht damit, dass ausländische Firmen einen großen Teil des Markts übernehmen. In Polen zum Beispiel gebe es im Schornsteinfegerhandwerk „ebenfalls ein hohes Lohn- und Preisniveau“, so dass Berliner Kunden kaum Geld sparen könnten.

„Die EU wollte den offenen Markt“, sagt Laubenstein, findet dies aber gerade in seiner Branche „irrsinnig“. Bisher sei etwa bei Abgasmessungen die „absolute Neutralität gewährleistet“. Binde sich ein Schornsteinfeger aber geschäftlich enger an Kunden, steige die Gefahr, dass es zu Gefälligkeitsgutachten komme. Immerhin sieht der Innungssprecher auch einen Vorteil für seine Kollegen: Die Abschaffung der hoheitlichen Rechte und Pflichten – mit Ausnahme der Feuerstättenschau – „entbindet uns von der Pflicht, jeden Kunden zu bedienen“. Er kenne aus seiner langjährigen Praxis durchaus „Querulanten“, die Kontrollen und Wartungen herauszögerten, um sich „gegen staatliche Regularien zu wehren“.

Meisterin Erika Feller betont, dass sich die Mehrzahl der Schornsteinfeger schon jetzt nicht aufs Fegen, Säubern und Prüfen beschränke: „Wir sind größtenteils Energieberater und stellen Energiepässe für Gebäude aus.“ Mittlerweile gehörten entsprechende Kenntnisse auch zur Meisterprüfung. Ihr Sohn machte dagegen eine Ausbildung zum Industriekletterer und unterstützt die Schornsteinfegerfamilie, wenn Arbeiten an hohen Gebäuden besonders schwierig werden.

Feller wirbt gelegentlich auch für Kaminöfen eines deutschen Herstellers und überreicht dessen Prospekte. „Kaminöfen liegen ja im Trend“, sagt sie. Auf eine andere zusätzliche Einnahmequelle verzichtet sie jedoch: Anders als manche Kollegen lässt sie sich nicht für Hochzeiten oder Geburtstage als die sprichwörtliche Glücksbringerin engagieren. „Ich trete zwar auch mal bei Hochzeiten auf“, sagt sie, „aber das mache ich kostenlos für Freunde.“

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