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Wirtschaft: „Wir sind nicht bedroht“

Die Kurskapriolen haben kaum Auswirkungen auf weite Teile der deutschen Wirtschaft. Das Berliner Handwerk ist bester Laune

Berlin - Die Börsenkrise hat die reale Wirtschaft bislang nicht angesteckt. Das gilt für die Binnenwirtschaft ebenso wie für exportorientierte Firmen. „Der externe Schock von den Börsen wird kaum Auswirkungen haben auf das Investitionsverhalten und damit auf den Maschinenbau“, sagte Ralph Wiechers, Chefökonom des Branchenverbandes VDMA, auf Anfrage. Der beschäftigungsstärkste deutsche Industriebereich hat zuletzt 76,5 Prozent seiner Produktion im Ausland verkauft, die wichtigsten Abnehmer sind China, die USA und Frankreich. In diesem Jahr werden die Firmen voraussichtlich 14 Prozent mehr Maschinen und Anlagen produzieren als 2010 und damit beinahe das Rekordniveau von 2008 erreichen.

Auch im Handwerk, das von der Binnenkonjunktur abhängt, sind die Kursturbulenzen an den Börsen „im Moment kein Thema, es gibt keine Hinweise auf eine nachlassende Investitionsneigung“, sagte Jürgen Wittke, Hauptgeschäftsführer der Berliner Handwerkskammer, dem Tagesspiegel. Eine Kreditklemme habe es nicht gegeben und die sei auch nicht zu befürchten. Diese Einschätzung des Handwerkers deckt sich mit der Halbjahresbilanz der Sparkassen. Mit 32,5 Milliarden Euro vergaben die Institute knapp 13 Prozent mehr Kredite an Selbstständige und Unternehmen als im Vorjahreszeitraum. „Geld ist im Überfluss da“, beschreibt VDMA-Volkswirt Wiechers die aktuelle Lage. „Engpassfaktoren“ für die Industrie seien eher Rohstoffe und Fachkräfte.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) gibt auch Entwarnung, da die Unternehmen „weltweit wirklich spitzenmäßig aufgestellt“ seien. Die Börsen „übertreiben nach unten hin“, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben im Deutschlandradio. Dass sich das starke Wachstum der vergangenen 18 Monaten abschwäche, habe sich seit längerem abgezeichnet und stehe nicht in Verbindung mit dem Geschehen an den Aktienbörsen.

Das betonte auch der Ökonom Rudolf Hickel. „Die Spekulation hat sich von der Realökonomie abgekoppelt“, sagte Hickel dem Tagesspiegel. „Wir sind nicht bedroht.“ Indes wäre die heimische Wirtschaft betroffen, wenn es eine Rezession in den USA gebe. „Wir sind immer noch extrem abhängig von der Exportentwicklung.“ Obwohl die Notenbanken mit ihrer Antikrisenpolitik für zusätzliche Liquidität sorgten, gebe es derzeit nur eine geringe Inflationsgefahr. Alles in allem erwarte er in Kürze eine „Anpassung der Kurse an die Realität“ – also steigende Aktienkurse vor allem bei den gut verdienenden deutschen Konzernen.

Auch in den kleinen Firmen gibt es wenig Grund zu klagen. Das Handwerk sieht keine Veranlassung, die bisherige Prognose zu korrigieren. „Es bleibt positiv“, sagte Jürgen Wittke von der Berliner Handwerkskammer. Die Energiewende der Bundesregierung habe die Stimmung im Handwerk in den vergangenen Monaten weiter verbessert. Auch deshalb hätten die Betriebe ganz andere Sorgen als die Kurskapriolen. „Die steuerliche Absetzbarkeit von energetischen Maßnahmen ist ein wesentlich wichtigeres Thema für uns.“ Alfons Frese

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