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Finanzkrise: Wo bleibt das Geld der Notenbanken

Die Notenbanken fluten den Finanzsektor in aller Welt mit Milliarden, doch bei den Firmen kommt das Geld nicht an. Ein paar Beispiele aus dem deutschen Mittelstand.

Sieghard Bender hatte die Faxen dicke. „Wenn ihr nicht mitmacht, dann komme ich mit der Belegschaft. Und die bringen die Winkelschleifer mit.“ Die Belegschaft, das sind die Beschäftigten des schwäbischen Unternehmens Metabo, das unter anderem Schlagbohrer und Winkelschleifer produziert. Die Ansprache richtete sich an die Banken, die der Firma nicht mit Kapital über die Krise helfen wollen. Bender, IG-Metall-Chef in Esslingen bei Stuttgart, verhandelt derzeit täglich in irgendwelchen Unternehmen über Auswege aus der Krise. Also über Zumutungen für die Arbeitnehmer.

Bei Metabo strebt er eine Dreierlösung an: Die Eigentümer sollen frisches Geld geben, die Belegschaft auf Lohn verzichten und dafür Anteile an der Firma bekommen und die Banken einen Teil ihrer Forderungen abschreiben. „Die haben doch in den letzten 80 Jahren gut verdient an dem Unternehmen“, sagt Bender. Aber es betrifft ausgerechnet die Landesbank Baden-Württemberg, die selbst kaum zu retten ist.

Farhad Farassat ist sich sicher, dass es spätestens am Jahresende wieder aufwärtsgeht. Seit mehr als 30 Jahren lebt er in Deutschland. Und hat mit der Firma Delvotec im bayrischen Ottobrunn einen Weltmarktführer aufgebaut. „2009 steigen wir zur Nummer eins auf“, sagt Farassat. 60 Mitarbeiter in Deutschland und weitere 70 im Ausland bauen High-Tech-Geräte zum Mikroschweißen für Computerchips. Abnehmer sind die Computer-, Raumfahrt- und Autoindustrie. Aber weil es dort schlecht läuft, leidet auch Delvotec. 2009 gibt es einen Verlust. Farassat hat einen Teil seiner 60 Spezialisten in Kurzarbeit geschickt und spart an allen Ecken. Aber er will auch den Aufbau eines Ablegers in Singapur nicht unterbrechen. Dafür aber musste er einen Betriebsmittelkredit über 700 000 Euro verlängern. Da kommen die Banken ins Spiel – bei Delvotec der deutsche Ableger einer großen Auslandsbank, mit der Farassat seit 17 Jahren zusammenarbeitet.

„400 Millionen Euro Umsatz sind in dieser Zeit über die Konten der Bank geflossen.“ Doch so ohne Weiteres wollte das Geldhaus den Kredit nicht verlängern, „obwohl die Produktion läuft und Aufträge da sind“. Am Ende schrauben die Banker den Zinssatz von 7,5 auf 10,25 Prozent nach oben und berechnen 10 000 Euro Bearbeitungsgebühr. „Damit liegt der Zins jetzt bei 13 Prozent, das ist maßlos.“ Und Farassat muss voll mit seinem Privatvermögen haften. Obwohl allein seine Grundstücke, Fabriken und Maschinen derzeit einen Wert von etwa 15 Millionen Euro haben und er Kredite im Gesamtvolumen von nur 4,9 Millionen Euro in Anspruch nimmt. Und die Eigenkapitalquote von Delvotec bei 40 Prozent liegt. Farassat schimpft zwar über eine ausländische Bank, aber er ist sich sicher, dass es bei einem deutschen Institut nicht anders wäre. Er hat schlechte Erfahrungen gemacht mit der Dresdner Bank. Da tauchten vor einigen Jahren zwei junge Berater bei ihm auf. Statt ihn mit Krediten zu unterstützen, rieten sie Farassat, er solle seine Firma verkaufen und das Geld anlegen, über die Dresdner Bank. „Ich habe die rausgeschmissen.“

Ein ähnliche Geschichte erzählt Gewerkschafter Bender aus Schwaben. Das Bauunternehmen Putzmeister leidet schwer, eine halbe Jahresproduktion liegt auf Halde, die Banken verdoppeln den Zinssatz und raten zum Verkauf einer Drehmaschinentochter an die Chinesen. Interessenten gibt es reichlich, hat Bender beobachtet. „Fast jeder Mittelständler bei uns ist Weltmarktführer, und die Chinesen sind scharf auf das Know-how.“ Bei Putzmeister „sind die Berater drin“, sagt Bender. Und am Ende zahlt die Belegschaft. Von 1900 Beschäftigten verlieren 560 ihren Arbeitsplatz.

Im Südwesten ist die deutsche Industrie am stärksten, die dort ansässigen Maschinenbauer und Lieferanten der Autoindustrie „liegen technisch und beim Service zehn bis 20 Prozent über der Konkurrenz“, sagt Bender. Doch jetzt wird es eng, und die Politik der Bank verschärft die Not. Auch indem sie den Kunden der Firmen nicht die Finanzierung stellen. Wie bei der Firma in Hessen. Ein 900 000-Euro-Auftrag platzte, weil die Banken dem Auftraggeber die Unterstützung verweigerten. Lob hat der hessische Mittelständler nur für die örtliche Volksbank. „Die bemühen sich, hören zu, halten uns auch in der Krise die Treue.“

Die Krise hat den über 100 Jahre alten Anlagenbauer voll erwischt. Um bis zu 70 Prozent ist der Umsatz eingebrochen. Die beiden Geschäftsführer zogen die Notbremse: Kurzarbeit, Kostensenkung und intensive Gespräche mit den Banken. Ein Kredit von einer Million Euro war unabdingbar, um das Überleben zu sichern. Doch eine Frankfurter Großbank, die sich angeblich vor allem um den Mittelstand kümmert, drehte den Geldhahn zu. „Und dies, nachdem wir 20 Jahre mit den Banken zusammenarbeiten und die seit 1992 gutes Geld mit uns verdient haben. In dieser Zeit gab es nur ein Jahr mit roten Zahlen“, sagt der Unternehmer. „Partnerschaft zählt für die Banken nicht.“ Als die Firma dann Insolvenz anmelden musste, gaben sich die Banker überrascht, dabei hatte sie der Unternehmer mehrfach auf diesen Schritt hingewiesen, da er sich sonst strafbar mache.

Nach Einschätzung des schwäbischen Metallers Bender dauert die Krise noch ein bis anderthalb Jahre. „Es ist wirklich hart“, sagt er, der schon einiges mitgemacht hat. 15 Jahre war er IG-Metall-Chef von Chemnitz. Natürlich sei die aktuelle Krise nicht vergleichbar mit den dramatischen Umbrüchen im Osten. Die Ossis hätten aber einen Vorteil gehabt gegenüber den Wessis. „Die Leute konnten damals vom Osten in den Westen gehen und sich dort Arbeit suchen.“ Dafür macht der Wessi mehr Rabatz und wehrt sich. Hofft jedenfalls Bender. „Der schwäbische Facharbeiter braucht immer eine Weile, bis er loslegt, aber dann ist er sehr beharrlich.“

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