zum Hauptinhalt
Alle Zeichen auf grün! Für Berlins Start-ups ist es an der Zeit, neue Wege zu gehen und den Exit zu wagen.

© picture alliance / dpa

Zalando und Co: Für Berlins Start-ups ist es Zeit für den Exit

Der Traum vom neuen Neuen Markt: Deutsche Start-ups tun sich schwer damit, Investoren zu gewinnen. Ein Unternehmer fordert jetzt mehr Mut zur Börse.

Berlin - Die deutsche Start-up-Szene boomt. Rund 8000 dieser Unternehmen aus dem Software- und IT-Technologiesektor werden nach Angaben des Branchenverbands Bitkom jährlich gegründet. Im Rennen um den Titel Gründerhauptstadt liefern sich Berlin und München einen Zweikampf gefolgt von Hamburg. Ein Facebook, Google oder Yahoo ist aber bislang weder an der Spree noch an der Isar oder der Alster in Sicht.

Stephan Schambach glaubt zu wissen, woran das liegt. Als Gründer des Softwareunternehmens Intershop gehörte er zu den gefeierten Wunderkindern des Neuen Marktes an der Frankfurter Börse, bis die Dotcomblase Anfang des Jahrtausends platzte und der Aktienkurs ins Bodenlose fiel. 2004 gründete er in den USA den Softwareanbieter Demandware, der Programme für den Onlinehandel entwickelt. 2012 ging das Unternehmen in New York an die Börse. Der Weg aufs Parkett sei hierzulande gegründeten Start-ups verwehrt, sagt Schambach. „Wir brauchen eine deutsche Nasdaq“, forderte er deshalb in dieser Woche auf einer Start-up-Konferenz in Berlin.

In Europa, vor allem am Standort Berlin, haben junge Unternehmen wenig Probleme damit, Investoren für die Startphase zu gewinnen. Seed- oder Angel-Investoren schießen großzügig fünf- und sechsstellige Beträge in Geschäftsideen, von denen sie hoffen, dass sie erfolgreich werden. Nur dann erhalten sie ihr Geld und im besten Fall eine ordentliche Rendite zurück. Sobald das Geschäft aber angelaufen ist und die Unternehmen hohen Kapitalbedarf haben, weil sie expandieren müssen, dünnt sich das Feld der Geldgeber schnell aus. Beträge von 30 oder 40 Millionen Euro sind für Firmen, die auch in diesem Stadium noch Geld verbrennen, statt welches zu verdienen, nur schwer zu bekommen.

Kapitalgeber erwarten Renditen von zehn bis 20 Prozent

Schambachs Theorie baut auf seine Erfahrung in der Zeit des Neuen Marktes. Damals, Ende der 90er Jahre, habe es durchaus solide Geschäftsmodelle gegeben, die von Wagniskapitalgebern unterstützt worden seien. Die Aussicht auf einen schnellen Börsengang habe die Bereitschaft der Investoren erhöht: weil sie ihre Investition beim sogenannten Exit, also dem Ausstieg, mit guter Rendite hätten auslösen können. Mit Demandware sammelte Schambach beim Börsengang im März 2012 knapp 90 Millionen Dollar ein.

In den USA finden sich eine Reihe prominenter Börsengänge aus jüngster Zeit, bei denen Internetfirmen die Investoren der ersten Stunde mit einem Börsengang belohnt haben – etwa die sozialen Netzwerke Facebook und Linked-In oder das Schnäppchenportal Groupon. Als bei Facebook im August vergangenen Jahres eine Haltefrist ablief, machten die Alteigentümer ordentlich Kasse. Der deutschstämmige Investor Peter Thiel veräußerte einen Großteil seiner Anteile für rund eine halbe Milliarde Dollar. Eingestiegen war er 2004 mit einer halben Million. Das Beispiel ist extrem. Aber eine Rendite von zehn bis 20 Prozent erwarten Wagniskapitalgeber bei ihrem hohen Risiko.

Deutsche Börse hält Hürden für überschaubar

Bei Berliner Investoren stößt Schambachs Idee deshalb durchaus auf Interesse. „Vereinfacht gesagt, gibt es in Europa für Investoren vor allem die Möglichkeit, Firmen zu kaufen und zu verkaufen“, sagt Jens Munk, der die deutsche Vertretung der britischen Investmentbank Torch Partners in Berlin leitet. „Zweifellos würde deshalb ein Börsensegment wie die Nasdaq in den USA helfen.“ Es gebe auch das Bestreben, solche Möglichkeiten zu schaffen. „Augenblicklich allerdings stärker bei den Briten als hierzulande.“

In Frankfurt am Main sieht man die Notwendigkeit derzeit nicht. „Die Deutsche Börse ist im ständigen Gespräch mit Marktteilnehmern“, betont ein Sprecher des Börsenbetreibers. „Die derzeitige Struktur haben wir mit ihnen gemeinsam erarbeitet.“ In den aktuellen Strukturen sei der Markt „ganz gut abgebildet“. Die Hürden für den Schritt an die Börse hält das Unternehmen für überschaubar. Beim sogenannten Entry Standard sei es Firmen sogar möglich Kapital einzusammeln, ohne dass sie im klassischen Sinne an der Börse gelistet seien. Beispielsweise können Unternehmen Anleihen begeben, um sich mit frischem Kapital zu versorgen. Bei durchschnittlich gut sieben Prozent Rendite sind diese auch für Anleger attraktiv - aber entsprechend riskant. Auf Mindestanforderungen wie die Vorlage eines Jahresberichts könne die Deutsche Börse bei den Interessenten deshalb auch nicht verzichten.

Zalando könnte den Börsengang wagen

Schambach hofft auf mehr Investoren, wenn deutsche Start-ups an die Börse gingen. Dass ein neues Segment allein mehr Geldgeber aus dem Ausland anlocken könnte, sieht der Börsenbetreiber jedoch nicht. Am Handel über die Frankfurter Wertpapierbörse nähmen bereits „sehr viele internationale Investoren“ teil.

Ohnehin greift Schambachs Idee für einen neuen Neuen Markt wohl zu kurz. Ein neues Segment allein schaffe noch keine Börsengänge, meint Investment-Experte Munk. „Es muss auch Unternehmen geben, die einen IPO rechtfertigen.“ Sie müssten das Interesse institutioneller Investoren wecken. „Die meisten Unternehmen in der deutschen Start-up-Szene sind noch nicht so weit.“ Bis zu einem größeren Exit eines europäischen Unternehmens muss es seiner Ansicht nach aber auch nicht mehr allzu lange dauern. „Unternehmen wie Zalando aus Berlin, Shazam oder Justeat aus England kommen jetzt in eine Phase, wo sie langsam über einen Börsengang nachdenken können.“

Die Berliner Start-up-Szene hat in den Augen des Experten ohnehin einen „Riesenschritt“ gemacht. „Vor einigen Jahren wurden Tech-Gründer hierzulande gefragt, ob sie den Job bei Siemens nicht bekommen haben. Die Mentalität hat sich verändert.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false