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Wirtschaft: Zu wenig Rummel auf den Festen

Die Schaustellerbranche beklagt sinkende Umsätze und fehlende Unterstützung durch den Senat

Der „Präsident“, die „Flotte Lotte“, „Blacky“ und „Lucy“ gehören längst zur Stammbesetzung auf den Berliner Volksfesten. Insgesamt zwölf Miniatur-Metallrösser galoppieren seit 30 Jahren beim „Pferderennen Hoppegarten“ über einen Neun-Meter–Parcours – wer Sieger wird, hängt von der Geschicklichkeit der Mitspieler ab, die Kugeln in bestimmte Löcher rollen müssen. Auf dem Deutsch- Amerikanischen Volksfest in Zehlendorf stimme der Umsatz noch, lobt Joachim Hirsch, der das Geschäft gemeinsam mit seiner Frau gegründet hatte.

Dagegen sei das Deutsch-Französische Volksfest auf dem Zentralen Festplatz am Kurt-Schumacher-Damm in Reinickendorf „ruinös“ verlaufen, er und viele Schaustellerkollegen hätten Verluste gemacht. Das dortige Frühlingsfest sei in diesem Jahr sogar zum zweiten Mal abgesagt worden, weil sich zu wenige Schausteller angemeldet hatten. „Nur von den Berliner Festplätzen könnte ich nicht leben“, sagt der 59-Jährige. Deshalb tourt er in der Saison, die von März bis November dauert, durch Deutschland. Vor allem in den östlichen Bundesländern bemühte sich Hirsch erfolgreich, bei Festen einen Standplatz zu bekommen.

„Wie das fünfte Rad am Wagen“ fühlt sich in Berlin manchmal Rolf Hartmann, der in einer Schaustellerfamilie aufwuchs und vor 59 Jahren „im Wohnwagen geboren“ wurde. Er und seine Mitarbeiter schenken bei Rummelveranstaltungen an der „Bierkutsche“ und der „Tollhausbar“ aus. Der Zentrale Festplatz habe keine zentrale Lage und sei „nie richtig fertiggestellt worden“, kritisiert Hartmann. Die Wege seien so schlecht, dass Besucher festes Schuhwerk benötigten, und der Erdwall rundum versperre den Blick von außen auf die Attraktionen.

Am liebsten würden Hartmann und viele Kollegen auf den Flughafen Tempelhof ziehen. Doch Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) will weder dort noch an anderer Stelle einen neuen Festplatz. Es gebe „keinen Anlass“, über Alternativen nachzudenken, sagt ihr Sprecher Mathias Gille. Gegen Tempelhof sprächen unter anderem die Lärmprobleme. Außerdem bevorzuge man Freizeit- und Trendsportnutzungen. Bundesweit zeige sich, dass klassische Fahrgeschäfte an Beliebtheit verlieren. Die Branche „braucht Veränderung, um attraktiv zu bleiben“, glaubt Gille.

Die Landesregierung „will offensichtlich, dass die Lichter bei unseren Volksfesten ausgehen“, ärgert sich der Vorsitzende des Schaustellerverbandes, Thilo- Harry Wollenschlaeger. Dass ein Rummel in Tempelhof zu laut für Anwohner in der Umgebung würde, hält er für ein vorgeschobenes Argument: „Ich kann natürlich das Lachen der Besucher nicht verbieten, aber für Musik und Fahrgeschäfte gibt es Lärmschutzvorschriften. Die Anlagen werden technisch eingepegelt.“ Doch alle neuen Plätze, die man beantrage, würden abgelehnt – darunter auch die für diverse Veranstaltungen genutzte Straße des 17. Juni im Tiergarten.

Aus der Wirtschaftsverwaltung heißt es, Staatssekretär Jens-Peter Heuer habe sich im Februar mit dem Verbandschef getroffen. Aber: „Unser Haus kann lediglich vermitteln.“ Darum bemüht sich auch die IHK Berlin, die Wollenschlaeger für den morgigen Donnerstag eingeladen hat.

Der zehn Jahre alte Zentrale Festplatz am Kurt-Schumacher-Damm liegt an der Grenze von Tegel zu Wedding auf einem einstigen französischen Kasernengelände mit Munitionsdepot. Aus dieser Zeit stammt der elf Meter hohe Wall, den die Schausteller loswerden wollen. Doch die Ämter befürchteten Altlasten, hohe Kosten und mehr Lärm. Seit ein paar Monaten sind dort nun Gutachter tätig.

Laut Stadtentwicklungsverwaltung wurden bisher keine Verunreinigungen festgestellt. Und beim Lärm rechne man in den nahe gelegenen Siedlungen Cité Joffre und Cité Pasteur jetzt nur mit einer Zunahme um ein Dezibel – das sei „nicht wahrnehmbar“. Ob und wann der Wall verschwindet, steht trotzdem nicht fest. Dafür wäre die planungsrechtliche Festsetzung des Areals als Festplatz notwendig, zu der es nie gekommen sei, sagt Verwaltungssprecher Gille. Das Abgeordnetenhaus müsse zustimmen. Die Abbruchkosten schätzt Gille auf „bis zu eine halbe Million Euro“. Zur Frage, wer dies zahlen soll, will er sich derzeit nicht äußern.

Sorgen mit seinem Festplatz hat auch Richard Simmons, der Veranstalter des Deutsch-Amerikanischen Volksfestes. Zwischen Clayallee und Hüttenweg sollten eigentlich schon Bagger für eine Wohnsiedlung und eine Randbebauung mit Gewerbe rollen. Nur weil sich das Projekt verzögerte, kann das Volksfest zurzeit sein 50. Jubiläum auf der „Truman Plaza“ feiern. Simmons würde ebenfalls gerne auf den Flughafen Tempelhof umziehen, der durch die Luftbrücke ein Symbol deutsch-amerikanischer Verbundenheit geworden sei. Doch auch er bekam schon eine Absage.

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