zum Hauptinhalt
Sind soziale Medien nur eine Ansammlung von Echokammern – man ruft rein und hört nur das, was man selber denkt, von Leuten, die genauso denken?

© dpa / Fernando Gutierrez-Juarez

„Besser Wissen“: Sind soziale Medien nur eine Ansammlung von Echokammern?

Es gibt Gewissheiten, die sind gar keine. Vor allem, was Meinungen über soziale Medien betrifft. Hier ist Skepsis gefragt – und ab und zu ein Blick in die Forschungslandschaft.

In den sozialen Medien kommunizieren doch eh alle nur unter Gleichgesinnten, bestätigen sich gegenseitig und machen die Andersdenkenden runter. Zurücklehnen, Weinchen schwenken, wissend in die Gegend schauen.

Aber ist damit alles gesagt? Liegen wir richtig, wenn wir Polarisierung und mangelnde Streitkultur den sozialen Medien anlasten? Sind diese wirklich nur eine Ansammlung von Echokammern – man ruft rein und hört nur das, was man selber denkt, von Leuten, die genauso denken? Oder von Filterblasen, also algorithmisch gefilterten Räumen, die Gegenstimmen aussortieren?

Wie eine Literaturübersicht des Reuters Institute zeigt, deuten viele empirische Ergebnisse auf etwas anderes hin: Ja, es gibt Polarisierung, die aber Minderheiten betrifft. Diese sind laut, oft auch aggressiv, und sie neigen auch dazu, sich in Echokammern zurückzuziehen, in denen Gegenstimmen nicht mehr wahrgenommen werden. Aber es sind Minderheiten. Es ist also nicht der gesamte digitale Diskursraum polarisiert und durch Algorithmen dazu gezwungen, in der eigenen Echokammer zu bleiben.

Im Gegenteil. Wieso hören wir denn von den lauten Minderheiten? Weil die Mehrheit einem durchaus vielfältigen Medienkonsum frönt. Die Mehrheit bekommt durchaus andere Meinungen, auch andere Quellen zu sehen. Selbst in einem gespaltenen Land wie den USA zeigt die Literaturübersicht, dass der Nachrichtenkonsum für viele Menschen ausgewogener ist, als ihnen häufig unterstellt wird.

Das sagt uns zum einen, dass Sie Weinchen schwenkende Selbstgewisse bitte bei der nächsten Äußerung dieser Art freundlich fragen sollten: „Woher weißt du das? Das wird doch intensiv erforscht. Ich glaube, es gibt Ergebnisse, die in eine andere Richtung deuten.“

Zum anderen sagt es: Hey, Leute, Sozialwissenschaften sind eine super interessante Sache, ladet euch mal so eine Forscherin in die Schule/in die Polizei/ins Wahlkreisbüro ein, das gibt gutes Gedankenfutter.

Und drittens heißt es: Ja, wir müssen uns um unsere Streitkultur kümmern. Aber auch um unsere Medienkompetenz. Und die fängt damit an, nicht „dem Digitalen“ oder „den sozialen Medien“ alles in die Schuhe zu schieben, sondern bei der eigenen Gesprächsfähigkeit anzufangen. Das ist der erste Schritt aus der persönlichen Echokammer. Die ist nämlich häufig eine sehr analoge Sache.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false