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Lichtkästen vor der gemeinsamen Bibliothek der Technischen Universität Berlin und der Universität der Künste Berlin.

© imago stock&people

Bibliothek des Jahres von TU und UdK: Weit mehr als ein Ort, um Bücher zu leihen

Die Berliner „Volkswagenbib“ wurde mit dem Bibliothekspreis ausgezeichnet. Gelobt wird sie für digitale Arbeitsplätze, ihr innovatives Lernangebot und für ihr Verlagskonzept.

Die Backstein-Glas-Fassade der gemeinsamen Bibliothek von Technischer Universität und Universität der Künste Berlin an der Fasanenstraße nahe des Bahnhof Zoo ist eher unscheinbar. Erst abends fällt der Bau durch die davor stehenden Lichtquader ins Auge. Jetzt wurde das „Volkswagenhaus“ – benannt nach der Stiftung, die den 2004 eröffneten Bau mit fünf Millionen Euro unterstützt hat – als Bibliothek des Jahres 2022 ausgezeichnet.

Was also verbirgt sich hinter der Fassade im Industriestil, das diese wissenschaftliche Bibliothek so besonders macht? Mit „unerschrockenem Blick“ auf die eigene Organisation zu schauen und zu fragen: „Ist das, was wir machen, noch zeitgemäß?“ Das sei eine Voraussetzung, um als Mediensammlung in digitalen Zeiten zukunftsfähig zu sein, sagte Volker Heller, der Vorsitzende des Deutschen Bibliothekverbands (DBV), am Montag bei der Verleihung der mit 20.000 Euro dotierten Auszeichnung in der „Volkswagenbib“, wie sie von Studierenden genannt wird.

Die diesjährige Preisträgerin sei auch durch ihren Mut zur Veränderung und Umstrukturierung aufgefallen, betonte Heller, der Jurymitglied beim DBV ist. In Krisenzeiten wie der Pandemie habe sie geschickt „vorhandene Ressourcen umverteilt“ und neue Konzepte entwickelt. So entstanden im Untergeschoss Arbeitsplätze, um Vorlesungen mit Headset per Video zu verfolgen.

Gefeiert wurde die Bibliothek des Jahres 2022 im eigenen Haus.
Gefeiert wurde die Bibliothek des Jahres 2022 im eigenen Haus.

© Mathias Voelzke

Obgleich für den recht starken Nachhall von Nebengeräuschen aufgrund der offenen Architektur bekannt, wird das fünfstöckige Bibliotheksgebäude von den Studierenden viel genutzt. 2019 verzeichnete es der TU-Pressestelle zufolge über eine Million Besuche. Zahlen seit der Wiedereröffnung nach den pandemiebedingten Schließungen gibt es noch nicht. Meistens bilde sich zur Öffnung morgens um 9 Uhr aber bereits eine Schlange vor dem Eingang, sagt eine Sprecherin.

Wissenschaftliche Bibliotheken sind heute weit mehr sind als nur ein Ort, um zu lernen und Medien auszuleihen, das wurde bei der Preisverleihung immer wieder betont. Ihr Auftrag ist auch, in der Mediennutzung auszubilden: Studienanfänger müssen lernen, wie sie aus der Informationsflut des Netzes relevante Einträge herausfiltern. Später geht es um die Frage, wie man bei vielen Quellen die Übersicht behält, ein Literaturverzeichnis erstellt und korrekt zitiert.

Für die Nutzung von Software und Recherchetools stellten TU und UDK den Nutzer:innen ausgezeichnetes Hilfsmaterial in Form von Lern-Apps, Erklärvideos und Kursen vor Ort bereit, hieß es. Zum Verbund der gemeinsamen Medienservices zählen neben der Zentralbibliothek an der Fasanenstraße zwei kleinere Standorte der Fächer Physik sowie Architektur und Kunstwissenschaft, ein Universitätsarchiv, das Architekturmuseum, die Deutsche Gartenbaubibliothek und der Universitätsverlag der TU.

Einige dieser Archive sind auch ohne Benutzerkonto einsehbar. Auf der Seite des Architekturmuseums etwa kann man sich die Entwürfe von Planern aus diversen Epochen ansehen. Darunter Bruno Tauts Zeichnungen, die er um 1910 für die Gartenstadt in Alt-Glienecke anfertigte, die wegen der vielfarbigen Reihenhäuser auch „Tuschkasten“ genannt wird. Oder ein Video zum Rehbergepark in Wedding, den der Stadtplaner Erwin Barth zu Beginn des 20. Jahrhunderts gestaltete.

Neben der umfassenden Digitalisierung der Bestände wurde der Bibliotheksverbund auch für sein „vorbildliches Engagement“ im Bereich Open Access gelobt, also für die Förderung wissenschaftlicher Publikationen, die frei zugänglich sind. Das Thema sei durchaus „politisch“, in jedem Fall aber essentiell für die Zukunft der Branche, sagte Stephan Völker, TU-Vizepräsident für Forschung.

In Diskussionen um die Vergleich- und Überprüfbarkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse wird immer wieder kritisiert, dass die Ergebnisse der zum Großteil aus Steuergeldern finanzierten Forschung nicht öffentlich seien. Verlage machen mit renommierten Fachzeitschriften nicht nur durch den Verkauf von Zugängen und Abos Gewinn, sondern auch, weil Forschende, deren Artikel im Begutachtungsverfahren akzeptiert wurden, in der Regel hohe Gebühren für die Publikation zahlen müssen.

Damit Wissenschaftler:innen ihre Ergebnisse für sich selbst und für die Öffentlichkeit kostenfrei publizieren können, gründen Unis zunehmend eigene Verlage. Dazu werden sie auch von der 2015 im Abgeordnetenhaus beschlossenen „Open-Access-Strategie für Berlin“ aufgefordert. Die Unis sind dabei recht erfolgreich: 2020 seien 63,6 Prozent aller Fachartikel, die Forschende veröffentlicht haben, frei zugänglich, gab jetzt die Wissenschaftsverwaltung bekannt. 2019 lag der Open-Access-Anteil bei 51,6 Prozent.

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