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Manche arktischen Waldbrände, hier in Talkeetna bei Anchorage, können überwintern.

© Michael Risinger/picture alliance/dpa/Zuma Press

Das Geheimnis der Zombie-Feuer: In der Arktis glimmt es tief im Boden

Forschende sind einem Phänomen auf die Spur gekommen: Totgeglaubte Brände können im Torfboden wie aus dem Nichts wiedererwachen.

Torfböden und Nadelwälder bestimmen die Landschaft der Arktis. Bricht hier ein Feuer aus, löscht meist nur eine Instanz: der Herbst. Erst der Regen, der dann einsetzt, bringt einen Brand zuverlässig zum Erlöschen. Mehrere Monate lang herrscht dann Ruhe. Doch der Schein kann trügen. Denn manche Feuer sterben nur vermeintlich.

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Solche „Zombie-Brände“ sind auf der Erdoberfläche kaum oder gar nicht auszumachen: Sie geben keinen Rauch ab und verursachen keine sichtbaren Glutnester. Doch sie fressen sich in den Boden hinein und erhalten auch dort noch genug Sauerstoff, um „am Leben“ zu bleiben. Dutzende, manchmal hunderte Meter vom ursprünglichen Feuergebiet entfernt können sie dann wieder aufflammen.

Manche Feuer überwintern unter der Schneedecke

Forschende aus den USA und den Niederlanden stellten nun fest, dass manchen Zombie-Feuern selbst die kalte Jahreszeit nichts ausmacht. Sie überwintern bis zu acht Monate lang unter der Schneedecke. Im Frühjahr erstarken sie vor der eigentlichen Waldbrand-Saison – und können große Schäden verursachen.

Das Team um die niederländische Feuerforscherin Rebecca Scholten von der Universität Amsterdam wertete dafür Daten und Bilder von Bränden aus, die zwischen 2002 und 2018 in Alaska und den nördlichen Territorien von Kanada entstanden waren. Sie suchten auf Luftbildern nach Großbränden, in deren Nähe im darauffolgenden Frühjahr erneut Feuer ausgebrochen waren. 

Regionen, die nahe an menschlichen Siedlungen lagen, schlossen sie in ihrer Analyse aus. Scholten und ihr Team konnten 45 kleine Brände identifizieren, die eindeutig von der vergangenen Feuersaison überwintert hatten, wie sie im Fachblatt „Nature“ schreiben.

Die Grundlage für das ungewöhnliche Verhalten der Feuer bietet die Beschaffenheit des Bodens in der Arktis. In Sibirien und Nordamerika besteht er hauptsächlich aus Torf: Pflanzenteile, die hier seit vielen tausend Jahren langsam verrotten. Für Feuer bieten sie ideale Nahrung. Ausgelöst werden sie meist durch Blitzeinschläge in die dichten Nadelwälder der arktischen Regionen, aber auch unvorsichtige oder zündelnde Menschen.

Die Schwelbrände setzen klimaschädliches Methan frei

Zombie-Feuer werden als Brandursache bisher kaum in Erwägung gezogen – so gut wie unbeachtet sind solche, die auch noch überwintern. Das hängt auch damit zusammen, dass bislang nur wenig über sie bekannt ist. Ihre Folgen sind jedoch bedenklich. Die überwinternden Feuerquellen sorgen dafür, dass die Waldbrandsaison früher beginnt und sich damit verlängert. Gerade in den arktischen Regionen ist das verheerend. Schwelbrände der dort weit verbreiteten Torfböden – wichtigen Kohlenstoffspeichern – setzen nicht nur Kohlendioxid, sondern vor allem Methan frei, das die globale Erwärmung noch stärker beschleunigt.

Zwar sind überwinternde Zombie-Brände selten: Sie machten nur 0,8 Prozent aller verbrannten Flächen zwischen 2002 und 2018 aus. Es gab jedoch starke Ausreißer. 2008 etwa entstand in Alaska aus einem Zombie-Feuer ein Flächenbrand von insgesamt 13 700 Hektar – das entsprach 38 Prozent aller Waldbrandschäden in der nordamerikanischen Arktis dieser Saison.

Die Erderwärmung facht die Zombie-Brände an

In Zukunft könnten sich Zombie-Brände häufen. Mit der globalen Erwärmung steigen die mittleren Jahrestemperaturen – an den Polregionen stärker als im weltweiten Durchschnitt. Trockenperioden im Sommer verlängern sich, der Herbstregen setzt später ein und Feuer werden eher zu zähen Schwelbränden. Zwar habe das Wetter im Frühling und die Schneeschmelze keinen Einfluss auf das Überleben von überwinternden Bränden, schreiben die Autor:innen, wohl aber, wie tief das Feuer in den Boden vordringe – je tiefer, desto wahrscheinlicher ist ein Aufflammen im Frühjahr.

Um das Risiko solcher Brände zu minimieren, würden einfache Maßnahmen helfen, etwa die Ränder großer Brandflächen aus dem vergangenen Jahr im Frühling durch Überflüge zu kontrollieren. So könnten Zombie-Feuer erkannt werden, solange sie noch klein sind und einfacher und kostengünstiger zu bekämpfen als später ein Großbrand. 

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