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Die UN-Staaten haben sich in Dubai verpflichtet, sich von fossilen Energien „abzuwenden“. Doch was bedeutet das genau – und wie groß ist der Fortschritt im Klimaschutz?

© AFP/RONALD SIAGIAN

„Der Anfang vom Ende der fossilen Brennstoffe“: Wie Fachleute das Ergebnis von COP-28 bewerten

Die UN-Staaten haben sich in Dubai verpflichtet, sich von fossilen Energien „abzuwenden“. Doch was bedeutet das genau – und wie groß ist der Forschritt für den Klimaschutz?

Über 17 Tage hinweg haben die UN-Mitgliedstaaten über die Zukunft der Erde verhandelt, gestern ist die 28. Weltklimakonferenz in Dubai zu Ende gegangen. Bis zuletzt hatten die Vertreter der Staaten hinter verschlossenen Türen über die Formulierungen im Abschlussdokument gerungen. Was bedeutet das Ergebnis im Wesentlichen, und wie beurteilen Fachleute den Ausgang?

In der gemeinsamen Erklärung der COP28 wurde eingestanden, dass die globalen Treibhausgasemissionen bis 2030 nur um 5,3 Prozent gegenüber 2019 sinken würden, wenn die aktuell erklärten Beiträge der einzelnen Staaten vollständig umgesetzt würden. Dabei müssten sie eigentlich um 43 Prozent sinken, wenn man das 1,5-Grad-Ziel noch erreichen wollte, auf das sich die Staaten auf der COP21 in Paris als ehrgeizigstes Ziel geeinigt hatten.

Verhandelt wurde daher über den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien, über Kohlenstoffmärkte und einen internationalen Ausgleichsfonds für Klimaschäden. Besonders heikel war die Frage, ob sich die Länder auf eine Formulierung zur Abkehr von fossilen Brennstoffen einigen würden. Nachdem diese in einer ersten Fassung überhaupt nicht erwähnt wurden, werden die Staaten in der finalen Fassung nun aufgefordert, sich von fossilen Energien abzuwenden („transitioning away“).

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„Ein Meilenstein“

Die Reaktionen der Fachleute fallen vorsichtig optimistisch, in manchen Äußerungen sogar begeistert aus. Nach der COP28 werde es keinen „Business-as-usual“ mehr geben, glaubt Ottmar Edenhofer, Klimaökonom und Co-Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK): „Jetzt geht es um das Ende des Zeitalters der fossilen Brennstoffe – das ist ein echter Fortschritt.“

Auch sein Kollege, Johan Rockström, Erdsystemwissenschaftler und ebenfalls Co-Direktor des PIK, sieht Grund für Optimismus: „Nein, die COP28-Vereinbarung wird die Welt nicht in die Lage versetzen, die 1,5°C-Grenze einzuhalten, aber ja, das Ergebnis ist ein entscheidender Meilenstein. Das Abkommen macht allen Finanzinstitutionen, Unternehmen und Gesellschaften klar, dass wir nun endlich – acht Jahre nach dem Zeitplan von Paris – am wahren ,Anfang vom Ende’ der von fossilen Brennstoffen angetriebenen Weltwirtschaft stehen. Die Wissenschaft hat eine Klimaschutz-COP gefordert, und wir haben eine Klimaschutz-COP bekommen, die sich auf den Übergang weg von fossilen Brennstoffen konzentriert.“

Zu viele Schlupflöcher

Verhaltener urteilt Niklas Höhne, Leiter des New Climate Institute in Köln, und Professor für „Mitigation of greenhouse gas emissions“ an der Wageningen Universität in der Niederlande: „Die Konferenz ist ein kleiner Schritt nach vorn, aber nicht der große Wurf, der angesichts der offensichtlichen Klimakrise eigentlich nötig gewesen wäre.“ Die Entscheidung zur Abkehr von fossilen Energieträgern sei schwach und voller Schlupflöcher. „Es ist nicht das klare Signal für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, das jetzt nötig gewesen wäre. Nicht historisch, sondern nur das Nötigste.“

Nicht nur begeistert klingt auch Lambert Schneider, Forschungskoordinator am Öko-Institut in Berlin: „Die Ergebnisse der Konferenz sind ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr globalem Klimaschutz, fallen aber hinter den Erwartungen vieler Akteure und den wissenschaftlich notwendigen Schritten zurück.“

Seine Kollegin Anke Herold, Geschäftsführerin des Öko-Instituts in Berlin, kritisiert: „Die Ergebnisse zum Ausstieg aus fossilen Energien sind unzureichend.“ Die meisten Staaten hätten darauf gedrungen, den notwendigen Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energien international festzuschreiben. Eine Minderheit von Staaten habe die Formulierungen so abgeschwächt, dass nur noch von einem Übergang weg von fossilen Energien die Rede sei. Doch Herold räumt auch ein: „Trotz der Kompromisse in den Entscheidungen wurde in Dubai deutlich, dass viele Staaten den Weg zur vollständigen Dekarbonisierung ihrer Gesellschaften eingeschlagen haben.“

Erneuerbare Energien

Als gutes Ergebnis werten mehrere Fachleute die Beschlüsse zum Ausbau der Erneuerbaren Energien: „Positiv ist zu vermerken, dass sich die Weltgemeinschaft hinter einem Ziel der Verdreifachung der Erneuerbaren Energien und der Verdopplung der Energieeffizienz versammelt hat“, sagt Niklas Höhne. Auch Lambert Schneider und Ottmar Edenhofer heben diesen Punkt hervor.

Durchweg erfreut äußern sich die Experten gegenüber dem Fonds für Klimaschäden, den die Konferenz ins Leben gerufen hat. Erste Einzahlungen, die sich auf 792 Millionen US-Dollar belaufen, wurden bereits angekündigt. „Angesichts der enormen Schäden durch die Klimakrise in Form von Stürmen, Überschwemmungen oder Trockenheit in vielen Entwicklungsländern in diesem Jahr ist die Einrichtung dieses Fonds ein wichtiger Schritt“, sagt Anke Herold. Als einen „klaren Gewinn“ bezeichnet auch Wolfgang Obergassel, Forschungsleiter am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie den Fonds. „Der globale Süden hat jahrzehntelang dafür gekämpft, dass dieses Problem angegangen wird, jetzt ist der Fonds da.“ Die Wirkung werde allerdings von der tatsächlichen Umsetzung abhängen: „Die Anfangskapitalisierung des Fonds kann nur der Ausgangspunkt sein.“

Ein Wermutstropfen bleibt für viele Experten, dass der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen nicht präziser festgelegt wird. „Bei der Bewertung einer COP muss man davon ausgehen, was sie ist und leisten kann“, stellt Wolfang Obergassel dabei klar. Verhandelt hätten auch zahlreiche Länder, die in hohem Maße von fossilen Brennstoffen abhängig sind. „Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber es war immer sehr unwahrscheinlich, dass dieselben Länder, die mehr als drei Jahrzehnte lang alles getan haben, um den Fortschritt zu verzögern, plötzlich umkippen und einem Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe zustimmen würden.“

„Massiver Verteilungskonflikt

Im Kern geht es nach Meinung von Obergassel beim Kampf gegen den Klimawandel um einen massiven Verteilungskonflikt. „Die Welt hat eine riesige Menge an fossilem Kapital angehäuft, und dieses Kapital wird massiv entwertet werden müssen, um uns einen lebenswerten Planeten zu erhalten.“

Gar keinen Fortschritt gab es beim Emissionshandel: „Trotz intensiver Verhandlungen konnte auf der Konferenz keine Einigung zur weiteren Ausgestaltung internationaler Kohlenstoffmärkte verabschiedet werden“, sagt Lambert Schneider. Umstritten seien insbesondere Richtlinien für die Entnahme von CO₂ aus der Atmosphäre gewesen. Die vorgeschlagenen Richtlinien hätten die Integrität von Kohlenstoffmärkten weiter geschwächt. „Angesichts der erheblichen Integritätsprobleme im Handel mit Emissionsgutschriften ist es ein wichtiges Signal, dass die EU und andere Staaten hier mehr Integrität gefordert und so die Richtlinien abgelehnt haben.“

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