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Robert Habeck (l.-r., Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen.

© dpa/Kay Nietfeld

Update

Mit Schuldenbremse und höherem CO₂-Preis: Darauf hat sich die Ampel-Koalition im Haushaltsstreit geeinigt

Das 29-Milliarden-Loch ist gestopft: SPD, Grüne und FDP haben eine Lösung für den Etat 2024 gefunden. Dazu muss ordentlich gespart und gekürzt werden.

Vier Wochen haben die Spitzen der Ampel-Koalition nach dem Schuldenbremsen-Urteil des Bundesverfassungsgerichts über eine Lösung der Haushaltskrise verhandelt – in einer Nachtsitzung verständigten sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) zu den letzten Details, am frühen Mittwochmorgen stand die Einigung.

Über Kürzungen, Umschichtungen und auch höhere Einnahmen (vor allem über den CO₂-Preis) sollen so gut 29 Milliarden Euro im Bundeshaushalt 2024 und im Klima- und Transformationsfonds (KTF) finanziert werden, die der Koalition nach dem Urteil fehlen.

Als Folge des Richterspruchs musste das Volumen des KTF um insgesamt 60 Milliarden Euro, verteilt auf mehrere Jahre, verringert werden. Die Schuldenbremse soll vorerst eingehalten werden, die Löcher werden also nicht mit neuen Schulden gestopft.

Scholz sprach von „vertrauensvollen und konstruktiven“ Gesprächen, um dann seine Botschaft des Tages zu verkünden: Die „Regierung hält an ihren Zielen fest“, sagte er mit Blick auf den klimaneutralen Umbau des Landes und die Unterstützung für die Ukraine. Nachsatz: „Wir müssen allerdings mit weniger Geld auskommen. Es geht auch um Kürzung und Einsparung.“

Hier soll gespart werden:

  • Das Spitzen-Trio der Koalition kündigte an, dass mehrere Ministerien Kürzungen hinnehmen müssen. Genannt werden die Ministerien für Verkehr, Umwelt, Äußeres, Wirtschaft, Entwicklung, Bildung, Ernährung sowie Arbeit und Soziales. Es solle aber „keine Reduzierung sozialer Standards“ geben, sagte Lindner.
  • Der Klima- und Transformationsfonds (KTF) soll das zentrale Instrument des klimafreundlichen Umbaus bleiben. Der Fonds werde aber für 2024 um zwölf Milliarden Euro gekürzt, sagte Kanzler Olaf Scholz. Bis 2027 würden die Kürzungen sich auf 45 Milliarden Euro belaufen. Das Gesamtvolumen des Fonds betrage bis dann aber immer noch etwa 160 Milliarden Euro.
  • Teurer wird es für fast alle Stromkunden aufgrund des Wegfalls des geplanten Zuschusses für die Netzgebühren. Damit spart der Bundeshaushalt allein 5,5 Milliarden Euro 2024, wie die Übertragungsnetzbetreiber mitteilten. Für die Kunden dürfte das einen Anstieg des Strompreises von ein bis zwei Cent pro Kilowattstunde bedeuten. Derzeit liegt er je nach Anbieter meist zwischen 30 und 40 Cent.
  • Klimaschädliche Subventionen sollen im Umfang von drei Milliarden Euro abgebaut werden. Gedacht ist an eine Abschaffung der Vergünstigung bei der Kraftfahrzeugsteuer in der Landwirtschaft.
  • Geändert wird auch bei der Erhebung der Plastikabgabe. Bisher flossen aus dem Bundeshaushalt 1,4 Milliarden Euro an die EU, der diese Einnahme zusteht. Jetzt sollen die Firmen, die Plastik in Umlauf bringen, die Kosten übernehmen und so den Bundeshaushalt entlasten.
  • Um die Unterstützung der Industrie für den klimafreundlichen Umbau zu sichern, will die Ampel-Regierung unter anderem bei der E-Auto-Kaufprämie sparen. Die Prämie werde früher auslaufen als geplant, sagte Vize-Kanzler Robert Habeck ohne einen Zeitpunkt zu nennen.
  • Habeck will auch bei der Solarförderung kürzen, nannte aber keine Einzelheiten. „Das tut mir weh, aber das ist der Preis dafür, dass die zentralen Bestandteile, die Säulen des Klima- und Transformationsfonds, erhalten bleiben.“ Dazu gehörten auch die Hilfen für den Austausch von Heizungen.
  • Ferner werde es Änderungen bei der Unterstützung der Deutschen Bahn bei der Sanierung des Schienennetzes geben. Laut Lindner soll das Staatsunternehmen von Privatisierungserlösen profitieren, die dann als Eigenkapital an die Bahn gehen. Damit ist aber nicht der geplante Verkauf der Bahn-Tochter Schenker gemeint.
  • Lindner kündigte auch Einsparungen im Etat von Arbeitsminister Hubertus Heil in Höhe von 1,5 Milliarden Euro an. Dabei gehe es um eine höhere Treffsicherheit von Sozialleistungen, etwa bei der Vermittlung ukrainischer Geflüchteter in den Arbeitsmarkt. Auch der Rentenzuschuss wird wohl nochmals leicht gekürzt.
  • Der Bürgergeld-Bonus in Höhe von 250 Millionen Euro soll gestrichen werden. Über eine bessere Arbeitsmarktintegration von Verweigerern sollen weitere Millionen eingespart werden.

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So sollen zusätzliche Einnahmen generiert werden:

  • Die Ampel will die CO2-Abgabe für Sprit, Heizöl oder Gas schneller als zuletzt geplant anheben. Derzeit beträgt der Preis 30 Euro pro Tonne, ab 2024 soll er nun 45 Euro statt der geplanten 40 Euro betragen. Benzin wird so etwa um 4,5 Cent pro Liter teurer. Die Staatseinnahmen würden so voraussichtlich um gut eine Milliarde Euro höher ausfallen.
  • Zur Deckung der Haushaltslöcher will die Ampel-Koalition nun auch Flugbenzin mit einer Steuer belegen. Bisher war das steuerfrei, zum Ärger von Umweltschützern und Grünen.

Hier wird nicht gespart:

  • Wie angekündigt soll die Industrie Strompreis-Entlastungen erhalten, auch die Hilfen für besonders energieintensive Betriebe sollen bleiben.
  • Nicht angetastet werden zudem die Unterstützung der Stahl- und Chemiebranche bei der Umstellung auf Wasserstoff und die Subventionen für den Bau von Chipfabriken, wie die von Intel in Magdeburg.
  • Die Bundesregierung steht nach den Worten von Finanzminister Christian Lindner mit dem Haushalt 2024 weiter voll an der Seite der Ukraine. Vorgesehen seien acht Milliarden Euro an direkter bilateraler Hilfe, sagte Lindner. „Wir stellen uns auch weiter dieser Verantwortung.“ Was die Schuldenbremse betrifft, behält sich die Regierung vor, bei einer Verschlechterung der militärischen oder finanziellen Lage der Ukraine im von Russland begonnenen Krieg nachträglich die Notfallklausel der Schuldenregel zu nutzen, um dann weitere Hilfen über neue Kredite finanzieren zu können.
  • Juristisch geprüft wird noch, ob für die weitere Finanzierung des Ahrtal-Fonds (Gelder zur Finanzierung der Flutschäden) ähnlich wie auch für 2023 eine gesonderte Aussetzung der Schuldenbremse beschlossen werden soll.

Union kritisiert „massive Abgabenerhöhungen“

Kritik kam umgehend aus den Reihen der Union. Sie sieht in der Haushaltseinigung der Ampel-Koalition „massive Abgabenerhöhungen zulasten der Bürger und der Wirtschaft“. Einsparungen gebe es so gut wie gar nicht, kritisierte Fraktionsvize Mathias Middelberg am Mittwoch.

„Vor allem nicht bei den massiven Kostentreibern Bürgergeld und Asyl.“ Neben einer neuen Plastikabgabe und höheren Preisen bei Diesel und Kerosin schlage vor allem die Anhebung des CO₂-Preises zu Buche. „Das Versprechen der FDP, es gäbe keine Abgabenerhöhungen, ist damit massiv gebrochen“, betonte er.

Merz wirft Scholz „Tricksereien“ vor

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann verteidigte die Einigung der Ampel-Regierung. „Die Ampel-Koalition hat eine tragfähige Lösung gefunden“, sagte Haßelmann am Mittwoch im Bundestag. Dies sei eine wichtige Nachricht für Deutschland. „Wir schaffen Sicherheit und Stabilität. Es wird Investitionen in Wettbewerbsfähigkeit geben.“ Außerdem stärke die Ampel-Koalition den sozialen Zusammenhalt. Haßelmann reagierte damit auf Kritik von CDU-Fraktionschef Friedrich Merz an der Einigung im Haushaltsstreit.

Merz hatte Scholz „Tricksereien“ vorgeworfen. Was Scholz zuvor zur Lage in der Ukraine gesagt habe, sei schon die Ankündigung, dass die Ampel in den kommenden Monaten erneut eine Notsituation verkünden und so die Schuldenbremse aussetzen wolle. Dies sei aber nach dem Grundgesetz nur bei einer unvorhersehbaren Notlage zulässig. Haßelmann bezeichnete die Kritik von Merz als „Mimimi“. 

In der ARD-Sendung „Farbe bekennen“ verteidigte Scholz am Mittwochabend die zusätzlichen Belastungen für Bürgerinnen und Bürger etwa bei den Strom-, Gas- und Benzinpreisen. „Wir haben sehr unterschiedliche Berechnungen. Und es sind, wenn es um die Benzinpreise zum Beispiel geht, sehr geringe zusätzliche Belastungen“, sagte der Kanzler. Er betonte, dass gleichzeitig von der Ampel-Koalition beschlossene Steuerentlastungen in Höhe von 15 Milliarden Euro bestehen blieben. „Bei denen bleibt’s. Und das betrifft kleine, mittlere Einkommen.“

Kein Beschluss im Bundestag in diesem Jahr

Sicher ist nach der Einigung nun, dass der Haushaltsausschuss im Bundestag zügig über den Haushalt für das kommende Jahr abstimmen kann, wenn das Finanzministerium bis kommende Woche einen Entwurf liefert, den das Kabinett dann beschließt. Dann wäre der Etat noch vor Weihnachten zumindest so weit fortgeschritten, dass die Koalition von einer Klärung des heftigen Streits noch in diesem Jahr sprechen kann.

Ein Beschluss in dritter Lesung im Plenum des Bundestags ist für die erste Sitzungswoche Mitte Januar vorgesehen. Der Bundesrat würde dann am 2. Februar sein Okay geben. Die damit notwendige vorläufige Haushaltsführung - 2024 beginnt ohne regulären Etat - wäre so relativ kurz.

Paus: Kindergrundsicherung wird kommen

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hatte schon vor der Bekanntgabe der Einigung versichert, dass es keine Abstriche bei der Kindergrundsicherung geben werde. Das Projekt sei im parlamentarischen Beratungsverfahren. „Und ja, die Kindergrundsicherung wird kommen, die Kindergrundsicherung stand auch überhaupt nicht zur Debatte.“ Eine Verschiebung des Starts nach hinten würde auch kein Geld sparen, sagte Paus im RTL/ntv-„Frühstart“.

Dass die Bundesregierung eine Stellungnahme zu einer möglichen Verschiebung herausgegeben hatte, habe keine haushaltstechnischen Gründe. Arbeitsagentur und Bundesrat hätten das Ministerium aufgefordert, über den Zeitplan nachzudenken. „Genau das tun wir, wir denken genau darüber nach und reden mit der Bundesarbeitsagentur, wie wir gut und sicher und schnell die Kindergrundsicherung an den Start bringen.“

Die Ministerin geht zudem davon aus, dass sich beim Elterngeld an den neu angeregten Obergrenzen von 200.000 Euro und dann 175.000 Euro nichts ändern werde. „Meines Wissens gibt es dazu keine neuen Entwicklungen, keine Änderungen.“ (mit Agenturen)

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