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Der Gästewagen einer Berliner Bauwagensiedlung steht im Grünen.

© Doris Spiekermann-Klaas

Der Bund fördert Citizen Science-Projekte: Mitmach-Forschung zu weniger Konsum und mehr Wohnqualität

Das Bundesbildungsministerium finanziert bundesweit 15 neue Projekte der Bürgerforschung mit neun Millionen Euro. Auch Jugendliche sind dazu aufgerufen.

Was brauchen wir eigentlich wirklich an Gebrauchsgegenständen im eigenen Haushalt – und wie kommen wir zu einem nachhaltigen Konsum? Zu diesen Fragen startet demnächst ein Citizen Science-Projekt der Technischen Universität Berlin und außeruniversitärer Partnerinnen. Interessierte Bürgerinnen und Bürger erproben dabei, wie es ist, mit weniger Dingen im Alltag auszukommen.

„Mein Ding – Ich bin, was ich (nicht) habe“ ist eines von 15 Vorhaben, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) seit Mitte Januar mit insgesamt neun Millionen Euro für bis zu vier Jahren fördert.

In der Bürger:innenforschung werden Kinder, Jugendliche und Erwachsene zu Forschenden, können ihre Interessen und ihr Wissen einbringen – und selber viel Neues erfahren und lernen. Das Interesse der Bürgerinnen und Bürger an Wissenschaft und Forschung war noch nie so groß wie jetzt in der Covid-19-Pandemie, erklärt Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU).

Pflanzen im Klimawandel untersuchen

„Mit unserer neuen Förderung soll die Bürgerforschung weiter ausgebaut und die Zusammenarbeit von wissenschaftlichen Einrichtungen mit zivilgesellschaftlichen Organisationen gestärkt werden.“ Die Organisationen konnten sich bei der Ausschreibung durch das BMBF erstmals um die Projektkoordination bewerben. Ein Versuch, die Citizen Science auf eine breitere Basis zu stellen und eine engere Betreuung der Teilnehmenden zu gewährleisten.

Bei den Projekten geht es häufig um aufwändige Datensammlungen, die viele Köpfe, Hände und Augen brauchen. So wollen der Botanische Garten der Freien Universität Berlin und das Deutsche Zentrum für Integrative Biodiversität an der Uni Jena gemeinsam mit Bürger:innen in Berlin, Halle, Jena und Leipzig untersuchen, wie der Klimawandel die Wachstumsphasen von Pflanzen beeinflusst. Die Ergebnisse sollen dann in Bürgerdialogen diskutiert werden.

Ein Holzhaus am Meer ist von der Steilküste auf den Strand gestürzt.
In Alaska bedrohen tauende Permafrostböden schon seit langem die Lebensräume der Menschen (Aufnahme von 2006 in Shishmaref.)

© AFP

Ein großangelegtes Projekt des Helmholtz-Zentrums für Polar- und Meeresforschung für Schülerinnen und Schüler sind die „Undercover Eisagenten“. Eine Gruppe im kanadischen Aklavik sammelt hochauflösende Drohnendaten zum Auftauen des Permafrostes in der Arktik. Schüler:innen und erwachsene Engagierte in Deutschland sollen sie auswerten.

Wie gut lebt es sich in Hohenschönhausen?

Spannend können aber auch Forschungen vor der Berliner Haustür sein: Kinder und Jugendliche erkunden in einer Großwohnsiedlung in Hohenschönhausen mit einem Team der TU, was die Wohnqualität in ihrem Quartier ausmacht – und helfen so, eine echte Forschungslücke zu füllen.

Dass Bürgerforschung nicht nur darin besteht, Wintervögel im Futterhäuschen zu zählen, beweist auch ein Projekt der Public History Hamburg an der dortigen Universität und der Ruhr-Uni Bochum: Hier können Interessierte erforschen, wie Geschichte auf Instagram und TikTok erzählt wird.

Ausgewählt wurden die 15 jetzt startenden Vorhaben von einer elfköpfigen Jury unter dem Vorsitz von Ortwin Renn, Soziologe und Direktor am Institut für Transformative Nachhaltigkeitsforschung in Potsdam. Beteiligt waren unter anderem Gesine Bär, Professorin für partizipative Ansätze in den Sozial- und Gesundheitswissenschaften an der Alice-Salomon-Hochschule Berlin, und Kira Vinke vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

„Uns hat die thematische Vielfalt der eingereichten Projektideen begeistert“, erklärt Renn. „Es zeigt uns, dass Bürgerforschung als Forschungsansatz in vielen wissenschaftlichen Disziplinen angekommen ist und auch die klassische Forschung qualitativ bereichert.“ Wie die Zusammenarbeit von forschenden Laien und der Wissenschaft tatsächlich funktioniert, wird auch untersucht – durch eine begleitende Studie.

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