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Ein wenig Abkühlen soll lebensverlängernd wirken.

© picture alliance / dpa/Patrick Pleul

„Der Erbonkel“: Verlängert Kälte das Leben?

Unterkühlung ist kein Spaß. Fällt die Körpertemperatur nur zwei Grad, wird es gefährlich. Doch ein bisschen Frieren könnte sich positiv auf die Lebenserwartung auswirken.

Eine Kolumne von Sascha Karberg

Was ist falsch mit diesen Typen? Man selbst hüllt sich in diverse Kleiderschichten, um der sibirischen Kälte zu trotzen. Doch dann hüpft einem irgendetwas in T-Shirt und Shorts oder Minirock entgegen, als wäre es August.

Menschen sind offensichtlich unterschiedlich, auch was ihr Kälteempfinden betrifft. Obwohl es vor 200.000 Jahren an warmes Klima angepasste Homo sapiens Exemplare waren, die Afrika verließen, hatten ihre Nachkommen im kalten Europa und Asien Überlebensvorteile, wenn sie mit ihrer Energie besonders sparsam umgehen und sich länger warm halten konnten.

Daher fehlt wohl jedem fünften Menschen, insbesondere in Nordeuropa und -asien, das Gen ACTN3. Im intakten Zustand beschleunigt es die Muskelkontraktion. Doch derart schnelle Muskelfasern haben den Nachteil, viel Energie zu verbrauchen. Muskelfasern, denen ACTN3 fehlt, produzieren die überlebenswichtige Wärme beim Zittern effektiver. Jedenfalls hielten es von 42 Testpersonen jene am längsten in einem 14 Grad kalten Wasserbad aus, die das mutierte ACTN3 im Erbgut trugen.

Dass sich manche Menschen noch bei -10 Grad Celsius im T-Shirt wohlfühlen, könnte an einer Mutation im Gen TRPM8 liegen. Es codiert für einen Rezeptor, der nicht nur auf Kälte, sondern auch auf Menthol reagiert, weshalb etwa Pfefferminzbonbons ein erfrischendes Gefühl vermitteln. 88 Prozent der Finnen, aber nur 5 Prozent Nigerianer haben die TRPM8-Variante, die die Empfindlichkeit für Kälte herabsetzt.

Im Verlauf der Besiedlung kühler Regionen fanden solche Kälteanpassungen offenbar überall im Erbgut statt. Genvarianten, die heute bei fast allen Inuit in Grönland aber auch anderen Ethnien das wärmespendende braune Fettgewebe regulieren, stammen ursprünglich sogar von Denisovaner-Menschen, mit denen Homo sapiens in Asien lange Zeit koexistierte.

Wer nun frustriert fröstelt, weil er solche Kälte-Gene offenbar nicht mitbekommen hat, kann sich trösten: Eine etwas, 0,5 Grad kältere Körpertemperatur könnte einen positiven Effekt auf die Lebensdauer haben. Jedenfalls leben Würmer, Fliegen, Fische und Mäuse dann nachweislich länger. Und auch beim Menschen geht ein hohes Lebensalter Studien zufolge mit einer leicht reduzierten Körpertemperatur einher.

Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne.

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