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Auch Drosophila melanogaster, die Fruchtfliege, braucht Sex, um sich fortzupflanzen. Es sei denn, sie wird gentechnisch verändert...

© Stefan Lüpold, UZH

„Der Erbonkel“: Sex? Es geht auch ohne!

Die Welt ist voller Sex. Aber unbedingt nötig zur Fortpflanzung ist er nicht. Anders gesagt: Männlichkeit ist verzichtbar. Jedenfalls bei der Fruchtfliege, neuerdings.

Eine Kolumne von Sascha Karberg

Da hocken sie schon wieder aufeinander. Rücklings reitet das Fruchtfliegen-Männchen auf einem Weibchen, seinen Hinterleib mit dem des Weibchens regelrecht verklebt. Fliegen-Sex. Ganz normal. Ganz natürlich. Und zur Fortpflanzung unabdinglich. Sollte man meinen.

Jedenfalls ist das in der Regel die Perspektive der meisten Homo sapiens-Exemplare, eine ähnlich sexbesessene Spezies wie Drosophila melanogaster. Etwa 150 Milliarden US-Dollar werden weltweit jährlich allein online für sexuelle Dienstleistungen ausgegeben, 35 Prozent allen Internetverkehrs steht im Zusammenhang mit sexuellen Inhalten. Zwar denken wohl die wenigsten dabei zuerst an Fortpflanzung. Aber Nachwuchs ohne Sex dürften die meisten für unmöglich halten.

Doch es geht auch ohne. Jedenfalls bei der Fliege. Eigentlich kann sich Drosophila melanogaster, genau wie der Mensch, nur sexuell fortpflanzen – es braucht Vorspiel, Kopulation und schließlich Befruchtung des Eis mit einem Spermium. Doch manche Arten – Strudelwürmer, Korallen, Blattläuse, Schnecken, Rüsselkäfer, sogar Truthühner – sind auch zur Parthenogenese fähig, also zur Jungfernzeugung: Babys kriegen ganz ohne Speed-Dating, ohne nervtötendes Macho-Gehabe, ohne langwieriges Gebalze. Einfach nur ein unbefruchtetes Ei in einen vollständigen Organismus verwandeln.

Auch Drosophila mercatorum kann das. Durch Vergleich des Erbguts dieser eng mit der Fruchtfliege verwandten Art entdeckte Alexis Sperling von der Cambridge University und sein Team kürzlich 44 Gene, die zur Jungfernzeugung befähigen. Und als das Team der Entwicklungsbiologin diese Gene bei D. melanogaster entsprechend änderte, schlüpfte auch aus einigen der unbefruchteten Eier dieser Fruchtfliegen-Weibchen gesunder Nachwuchs. Ganz ohne Sex.

Aber bevor Frauen jetzt jubeln und Männer Panik bekommen. Bei Säugetieren, auch Menschen, wird das nicht so einfach funktionieren. Sie brauchen sowohl ein mütterlich, als auch ein väterlich geprägtes Set von Genen. Und das ist wohl auch ganz gut so. Denn der ganze Aufwand – von Blumen über Komplimente bis zu hin zu kunstvollen Stellungen – lohnt sich, streng evolutionär gesehen. Nur per Sex verbreiten sich vorteilhafte Gene im Genpool einer Art. Also ab ins Bett! Für die Evolution!

Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne.

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