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Interkontinentalgeschosse basierend auf Typ R7 beförderten die sowjetischen "Wostok"-Kapseln und "Lunar"-Sonden.

© Sovfoto

Unser Countdown zum 50. Jahrestag der Mondlandung: Der Verlust des Giganten

Heute vor 50 Jahren war Apollo 11 unterwegs. Aber das Rennen der Supermächte zum Mond war noch nicht entschieden.

Unser Countdown begann am Tag "Minus 10" vor dem 50. Jahrestag des ersten Schrittes auf dem Mond. Jene folglich mit "10" nummerierte erste Folge ist hier gestartet. Ein Weltraumspaziergang zur zweiten ist hier möglich. Die traurige dritte ist hier im Orbit. Die eher erdige vierte findet sich hier. Die fünfte dreht ihre Loopings hier. Von einer starken Rakete erzählt die sechste hier.

Am 17. Juli 1969 war der Wettstreit, wer als Erstes Menschen auf den Mond und zurück bringen würde, zwar noch nicht entschieden. Denn "Apollo 11" war ja erst auf dem Weg. Aber aus der Sowjetunion war kürzlich das offizielle Signal gekommen, dass man im bemannten Rennen zum Mond nicht mehr dabei war. Bis kurz zuvor hatte man bei der Nasa noch vermutet, das sowjetische Programm hätte nach wie vor unangenehme Überraschungen parat.

Anerkennende Worte für die Amerikaner

Jenes Programm stand unter solcher Geheimhaltung, dass im Westen noch nicht einmal der Name des Chefingenieurs bekannt war. Lange hatte man Leonid Sedow, einen Moskauer Mathematik- und Mechanikprofessor, in dieser Position vermutet. Er war es, der im Frühjahr 1969, nach dem Erfolg von "Apollo 10", in der "Prawda" eingestand, dass es die Amerikaner sein würden, die den ersten Versuch einer bemannten Mondlandung unternehmen werden. Und: Die Menschheit schätze "die Leistung der amerikanischen Spezialisten und der kühnen Astronauten".

An jenem 17. Juli wussten Armstrong, Aldrin und Collins, dass sie die Ersten sein würden, wenn alles gut geht. Kurz darauf erfuhren sie auch, dass die unbemannte, aber für eine Rückkehr zur Erde ausgerüstete sowjetische Sonde "Luna 15" keine Gefahr für sie darstellen würde. Und am 21. Juli, als Armstrong und Aldrin ihre kleinen und größeren Schritte auf dem Mond machten, zerschellte "Luna 15" bei ihrem Landeversuch. Das Rennen war entschieden.

Heute weiß man deutlich mehr über das sowjetische Programm. Um die Stimmung aufseiten der Amerikaner im Sommer 1969 zu verstehen, ist es aber sinnvoller, sich zu vergegenwärtigen, was damals bekannt war und was nicht. Zumindest wusste man mittlerweile, wer jahrelang der Chefkonstrukteur gewesen war. Denn ein Mann namens Sergej Koroljow hatte im Januar 1966 ein Heldenbegräbnis auf dem Roten Platz erhalten. Die Sowjetbürger erfuhren zeitgleich mit den Bossen der Nasa, dass er es gewesen war, der den Sputnik und die ersten bemannten Raumschiffe der Wostok- und Woschod-Serien entworfen hatte.

Der Vater der Sojus-Kapsel

Auch die Raketen, die diese in den Weltraum gebracht hatten, stammten maßgeblich von seinem Zeichentisch, ebenso die bereits geflogenen Mondsonden der Luna-Reihe. Er, mit 59 Jahren einer Krebserkrankung erlegen, war gleichsam der sowjetische Wernher von Braun, nur noch eine Nummer größer. German Titow, zweiter Mann im Weltraum, sagte schlicht, Koroljow sei "ein Gigant" gewesen. Wer ihm als Chefkonstrukteur folgte, wurde dann wieder geheim gehalten. Man vermutete Koroljows Mitarbeiter Michail Jangel. Doch die möglichen, durch den "Giganten" hinterlassenen Pläne machten den Amerikanern weitaus mehr Sorgen.

Ein Raumschiff namens "Sojus" sei sein Vermächtnis, hieß es gerüchteweise. Auf einem Kongress in Madrid im Oktober 1966 waren die Teilnehmer aus der Sowjetunion meist sehr im Ungefähren geblieben. Wenig später allerdings nährten Kosmonauten und Wissenschaftler in Interviews Gerüchte, bemannte Reisen zum Mond für mindestens fünf Kosmonauten seien in der Planung.

Sie waren es tatsächlich. Und im April 1967 flog die erste Sojus-Kapsel. An Bord war Wladimir Komarow, der schon bei "Woschod 1", dem ersten Weltraumflug für mehr als eine Person, Kommandant gewesen war. Die eher spärlichen Informationen über den Sojus-Flug, die die Nachrichtenagentur Tass herausgab, sprachen dafür, dass nicht alles rundlief. Der im Westen vermutete kurzfristige Start einer zweiten Sojus, mit der im Orbit Kopplungsmanöver hätten erprobt werden können, blieb aus.

Heute ist bekannt, dass genau das wirklich geplant war, es wegen technischer Probleme mit "Sojus 1" aber nicht dazu kam. Komarows Rückkehr zur Erde endete dann in einer Katastrophe: Die Fallschirmleinen verhedderten sich, die Kapsel schlug ungebremst auf, Komarow starb. Es war, rückblickend betrachtet, der entscheidende Rückschlag.

Bei der Nasa war man nach wie vor alarmiert

Doch bei der Nasa fürchtete man, dass nach wie vor eine Mondlandung geplant war. Verschiedenste Szenarien wurden durchgespielt. Erstaunlicherweise ähnelte keines davon dem amerikanischen Ansatz mit einer einzigen riesigen Trägerrakete und dem Abkoppeln und Wiederankoppeln einer Landefähre in der Mondumlaufbahn. Vielmehr galt als wahrscheinlich, dass ein Landeraumschiff im Erdorbit zusammengebaut werden und dann auf die Reise zum Mond und zurück gehen sollte.

Auch das Konzept, eine unbemannte Kapsel gewicht- und spritsparend auf dem Mond landen zu lassen, wurde diskutiert: Kosmonauten, die mit einer bemannten Kapsel nachkommen würden, könnten in diese umsteigen und sie und ihre Treibstoffvorräte zum Rückflug nutzen. Und dann war da noch die Möglichkeit, dass in Moskau bemannte Mondpläne längst abgeheftet waren und man sich auf ein anderes Vermächtnis Koroljows konzentrierte: dauerhaft bemannte Forschungs-Raumstationen im erdnahen Orbit.

Im Juli vor 50 Jahren war all das erst einmal kein Thema mehr. Es verblasste vor den drei Raumfahrern und ihrem Raumschiff, unterwegs zum Mond. Darum wird es in der nächsten Folge gehen.

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