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Studierende stehen und gehen im Foyer eines Hochschulgebäudes.

© Promo

Drohende Mail an Studierende: Berliner Professorin versuchte, das CHE-Ranking zu beeinflussen

Studierende der HWR Berlin wurden aufgefordert, ihren Studiengang positiv zu beurteilen. Ansonsten drohten ihnen Nachteile durch potenzielle Arbeitgeber.

„Alle Punkte sollten hier positiv bewertet werden, um einen guten Platz im Ranking zu erreichen.“ Dies ist – in deutscher Übersetzung - der Schlüsselsatz aus dem englischsprachigen Post einer Professorin an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) an ihre Studierenden. Sie stellte ihn in das interne Newsforum des Bachelorstudiengangs in den Wirtschaftswissenschaften.

Ein Evaluationsbogen eines Ranking-Anbieters sei nicht der richtige Ort für ein „bashing“ des Studiengangs, erklärte die Professorin. Man solle damit zu ihr kommen. Wer aber im Fragebogen kein positives Feedback gebe, schade sich selbst, weil sich auch potenzielle Arbeitgeber an dem Ranking orientieren würden.

Es geht um das CHE-Ranking, in dem jährlich rund 40 Fächer an Universitäten und Fachhochschulen von Studierenden, Lehrenden und nach anderen Kriterien wie der Forschungsleistung und der Promotionsquote bewertet werden.

Studierende wandten sich an den Tagesspiegel und ans CHE

Trotz wiederkehrender Kritik an seiner Aussagekraft gilt die Bewertung durch das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) in Gütersloh als das umfassendste und einflussreichste Ranking in Deutschland. Es wird jährlich im Studienführer der „Zeit“ veröffentlicht und dient Schulabgängern und Bachelorabsolventen zur Orientierung im weitverzweigten Angebot der Hochschulen.

Der Beeinflussungsversuch an der HWR flog auf, auch weil empörte Studierende den Appell ihrer Professorin an den Tagesspiegel weiterleiteten. Sie wollten sich „nicht mehr den Mund verbieten lassen“, schrieben sie in einem anonymen Begleitschreiben. Mit dem Inhalt des Posts konfrontiert, gab sich die Professorin unwissend: Sie wüsste nicht, dass sie das geschrieben habe.

Doch die ebenfalls von dem Vorfall informierte Hochschulleitung bestätigt die Authentizität des Appells, der die Studierenden als E-Mail erreichte. „Der Post war im Newsforum des Studiengangs“, sagte HWR-Vizepräsident Claudius Ohder dem Tagesspiegel. Nach dem ersten Hinweis hätten Hochschulpräsident Andreas Zaby und der Dekan des betroffenen Fachbereichs umgehend mit der Professorin gesprochen.

Professorin sei "über das Ziel hinausgeschossen"

Sie habe ihr Fehlverhalten eingestanden und sich „zerknirscht“ gezeigt, sagt Ohder. Nach der Einschätzung der Hochschulleitung sei die Professorin bei ihrem Versuch, die Studierenden auf das Ranking einzustimmen, „weit über das Ziel hinausgeschossen“. Ihre Nachricht an die Studierenden sei umgehend aus dem Forum entfernt worden.

Das CHE weist immer wieder darauf hin, dass eine Einflussnahme unzulässig sei. „Die Studierenden sollen die Studienbedingungen an ihrer Hochschule in ehrlicher Weise beurteilen, um künftigen Studierenden ein verlässliches Bild der Hochschule zu liefern“, heißt es im Methoden-Wiki des CHE-Rankings. Sollte man Hinweise auf einen Beeinflussungsversuch bekommen, werden die Studierendenurteile für diesen Fachbereich nicht veröffentlicht, heißt es.

Das CHE hat in seine Bögen eigens eine Frage dazu eingebaut, ob sie zu positiven Bewertungen animiert worden seien. Genau darauf wies die HWR-Professorin ihre Studierenden in dem Schreiben vom 9. Januar auch hin: „If you answer ,yes‘, your vote is not counted. But I count on you!!!“

CHE wertet den Post als "Erpressungsversuch"

Ein „so massiver Versuch der Beeinflussung“ wie in diesem Fall sei sehr selten, sagt Sonja Berghoff, beim CHE verantwortlich für die Studierendenbefragung. „Absolut indiskutabel“ sei insbesondere der „Erpressungsversuch“ durch den Verweis auf potenzielle Arbeitgeber.

Das aber hätten auch einige HWR-Studierende sofort so gesehen und die Mail mit dem Aufruf ihrer Professorin an das CHE weitergeleitet. Andere gaben auf dem Fragebogen an, beeinflusst worden zu sein. Sie werde die Beurteilungen wie im Regularium vorgesehen für diesen Studiengang aus dem Ranking herausnehmen, sagt Berghoff.

Darum habe auch die HWR Berlin das CHE gebeten, sagt Vizepräsident Ohder, „umgehend und proaktiv“, wie er betont. In der Hochschule solle nun noch einmal der korrekte Umgang mit dem Ranking kommuniziert werden. „Die Lehrenden sollen die Teilnahme an der Befragung aktiv bewerben und die Bedeutung des Rankings erklären. Durch jegliche Form der Beeinflussung aber wird die gesamte Prozedur entwertet.“

HWR: Studiengang intern positiv bewertet

Die Leiterin des Qualitätsmanagements der HWR, Cornelia Kaiser, kann das Vorgehen der Professorin insgesamt nicht nachvollziehen. Der betreffende Studiengang werde von den Studierenden auch in internen Lehrevaluationen regelmäßig positiv bewertet. Deshalb sei es besonders bedauerlich, dass das Bachelorprogramm nun aus der CHE-Wertung herausfalle.

Die Studierenden, die sich an den Tagesspiegel gewandt haben, stellen einen Zusammenhang zu Verwerfungen an der HWR her. Im Oktober 2018 hatten 26 aktive und ehemalige HWR-Professorinnen und Professoren der Leitung der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät vorgeworfen, diese auf einen konservativen und wirtschaftsliberalen Kurs bringen zu wollen. Dieser Kritik stimmten sie zu, schrieben die Studierenden. Deshalb würde sie nun den Beeinflussungsversuch öffentlich machen.

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