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Ohrenarzt schaut einer Frau ins Ohr.

© mauritius images

Ohrenschmerz: Ein Ballon biegt die Ohrtrompete wieder auf

Ist das Organ verschlossen, kann sich ein unangenehmer Druck aufbauen. Mit einem Verfahren aus der Herzmedizin machen HNO-Ärzte die Ohrtrompete wieder durchgängig.

Ein kleines Knacken im Ohr zeigt an, dass es geklappt hat: Der Druck im Ohr, der sich bei Start und Landung von dem in der Kabine des Flugzeugs unterscheidet, ist wieder ausgeglichen. Oft hilft es dabei, sich kurz die Nase zuzuhalten und kräftig Luft zu pressen. Die Ohrtrompete, ein drei bis vier Zentimeter kleiner Kanal, der Nasen-Rachen-Raum und Paukenhöhle des Mittelohrs verbindet, öffnet sich dabei kurz und lässt Luft durch. Nach dem Anatomen und päpstlichen Leibarzt Bartholomaeo Eustachio nennen Mediziner ihn auch die Eustachische Röhre. Beim Schlucken und Gähnen öffnet sie sich unzählige Male am Tag. Ganz unspektakulär.

Allerdings nur, wenn die Ohrtrompete nicht chronisch verschlossen ist – was neben unangenehmem Druck im Ohr auch mit chronischen Mittelohrentzündungen einhergehen und auf Dauer auch zu Einschränkungen beim Hören führen kann.

Der Eingriff dauerte nur wenige Minuten

Ein solcher Verschluss quälte etwa den Lkw-Fahrer, der seine regelmäßigen Fahrten über die Alpen liebte, bis ihn dabei jedes Mal unerträgliche Ohrenschmerzen plagten. Der Fernfahrer wollte die Brenner-Strecke bereits an einen Kollegen abgeben, da half ihm 2008 ein minimal-invasiver Eingriff im Klinikum Bielefeld. Er war der erste Patient, bei dem dort durch die Nase mithilfe eines kleinen Endoskops mit eingebauter Kamera ein Ballonkatheter bis in die Ohrtrompete vorgeschoben wurde. Dort wurde der Ballon für zwei Minuten mit Kochsalzlösung auf einen Druck von zehn Bar aufgeblasen, ehe die Ärzte die Flüssigkeit wieder abließen und mit dem Endoskop den Rückzug antraten. So wurde der Engpass mithilfe eines Eingriffs beseitigt, der nur wenige Minuten dauerte, für den der Patient aber eine Vollnarkose bekam.

Die Methode ist inspiriert von der Herzchmedizin

Der Eingriff erfordert größte Vorsicht, denn die Halsschlagader, die das Gehirn mit Blut versorgt, liegt in unmittelbarer Nähe. „Die Eustachische Röhre ist ein sehr delikates Funktionsorgan“, sagt Werner Hosemann von der Klinik für Hals- Nasen-Ohren-Krankheiten der Uni Greifswald und Präsident der gleichnamigen Fachgesellschaft. Auf deren Kongress, zu dem sich in der vergangenen Woche in Berlin rund 2000 Spezialisten versammelten, ging es auch um das Behandlungsverfahren, das inzwischen weltweit rund 15 000-mal, in der Bielefelder Klinik rund 1500-mal angewandt wurde. HNO-Chefarzt Holger Sudhoff hat sich für die Methode von der Herzmedizin inspirieren lassen, in der die Katheterisierung von verstopften und verengten Blutgefäßen inzwischen Standard ist. Von HNO-Ärzten werden Katheter inzwischen auch in den Nasennebenhöhlen eingesetzt.

Vier von fünf Patienten hilft der Eingriff

„Die Ohrtrompete war jedoch lange eine Art Black Box der Hals-Nasen-Ohren-Medizin“, sagt Sudhoff. Zunächst wurde der neu entwickelte Ballon an Verstorbenen, die sich für die Anatomie zur Verfügung gestellt hatten, und an Versuchstieren erprobt. Inzwischen haben die Bielefelder mehrere Publikationen vorgelegt, in denen sie von guten Erfolgen bei Patienten mit chronisch verschlossener Ohrtrompete berichten, die offensichtlich über Jahre anhalten: Bei vier von fünf Patienten verbessert sich die Belüftung der Ohrtrompete durch den Eingriff objektiv. „Langzeitschäden sind bisher nicht aufgetreten und auch nicht zu erwarten“, sagt Sudhoff.

Ein Vergleich mit "Paukenröhrchen" fehlt noch

Was fehlt, ist allerdings eine große Studie, in der die Ballondehnung mit der bisherigen Standardtherapie verglichen wird: Mit den kleinen „Paukenröhrchen“, die nach einem kleinen Schnitt ins Trommelfell in die Ohrtrompete eingesetzt werden, um sie offen zu halten und in der Paukenhöhle des Mittelohrs die Belüftung zu verbessern. Vor allem Kinder mit häufigen Mittelohrentzündungen haben einschlägige Erfahrungen. „Einige von ihnen hatten schon acht- oder neunmal ein solches Röhrchen“, berichtet Sudhoff. Während es im Ohr steckt, müssen sie zum Beispiel beim Schwimmen vorsichtig sein. Eine Behandlung, die die Ursache der lästigen und nicht ungefährlichen Mittelohrentzündungen ein für alle Mal beseitigt, ist also mehr als willkommen. Trotzdem sind die Ärzte bei Kindern mit der Ballondehnung bisher vorsichtig.

In einer Studie soll die Ballondilatation nun mit der Paukenröhrchen-Behandlung verglichen werden. Dafür haben sich Ärzte vom Boston Children’s Hospital, von der Universitätsklinik Lübeck und vom Berliner Vivantes Klinikum im Friedrichshain mit den Bielefeldern zusammengetan. Mindestens 1000 Patienten mit chronischen Tuben-Problemen sollen nach dem Zufallsprinzip mit einer der beiden Methoden behandelt werden. Nur auf diesem Wege lässt sich belegen, ob das neue Verfahren wirklich besser ist.

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