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So könnte das Leben vor zwei Millionen Jahren im Norden Grönlands geblüht haben.

© Beth Zaiken/bethzaiken.com

Analyse-Weltrekord: DNA-Spuren eines grüneren Grönlands

Wo heute eine frostige Wüste liegt, blühte vor zwei Millionen Jahren ein artenreicheres Ökosystem. DNA-Spuren zeugen von einer vergangenen Lebensgemeinschaft in Grönland.

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In der eiskalten Polarwüste Grönlands lebt heute kaum noch etwas. Doch vor rund zwei Millionen Jahren muss es dort Nadelwälder, Insekten und viele andere Arten von Pflanzen und Tieren gegeben haben. Das zeigen Analysen von DNA-Resten, die die Zeit im tiefgefrorenen Boden der Halbinsel Pearyland, 700 Kilometer vom Nordpol entfernt, überdauert haben.

Ein Forschungsteam um Eske Willerslev, Kurt Kjær und Mikkel Pedersen von der Universität von Kopenhagen hat Bodenproben aus einer Kap-København-Formation genannten Gesteinsschicht untersucht. Ihre Analysen des rund zwei Millionen Jahren alten Erbguts – ein neuer Rekord für die Forschungsdisziplin –, das die Wissenschaftler isolieren konnten, gewähren nun einen Einblick in die damalige Natur. Auf Grönland weideten auch die heute ausgestorbenen Mastodonten aus der Elefanten-Verwandtschaft, sowie Rentiere, verschiedene Nagetiere und Gänse.

In der untersuchten Gesteinsschicht haben sich über Jahrtausende Sedimente angesammelt.
In der untersuchten Gesteinsschicht haben sich über Jahrtausende Sedimente angesammelt.

© NOVA, HHMI Tangled Bank Studios & Handful of Films

„Es ist toll, dass Analysen von so altem Erbgut funktionieren“, sagt Matthias Meyer, der am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (EVA) in Leipzig Methoden zur Untersuchung von alter DNA entwickelt. So zeigten der Paläogenetiker und seine Gruppe bereits 2017, dass man in den Ablagerungen am Boden einer Höhle das Erbgut von Frühmenschen und Tieren isolieren kann, die vor sehr vielen Jahrtausenden zwar dort gelebt hatten, von denen bisher aber keine Überreste aufgetaucht waren. So ähnlich rekonstruierte jetzt auch das Team um die dänischen Forscher die Natur, die vor zwei Millionen Jahren die grönländische Halbinsel prägte.

„Sehr überrascht hat mich die Analyse dieses alten Erbguts allerdings nicht“, sagt Meyer. Schließlich geht es Paläogenetikern manchmal ähnlich wie Spitzensportlern: Für einen Weltrekord müssen sie einerseits wie der Leipziger EVA-Forscher eine ausgetüftelte Technik perfektionieren, brauchen andererseits aber auch möglichst gute Bedingungen.

Die DNA-Fragmente wurden aus dem Material von Bohrkernen gewonnen.
Die DNA-Fragmente wurden aus dem Material von Bohrkernen gewonnen.

© NOVA, HHMI Tangled Bank Studios & Handful of Films

Bei Päläogenetikern kommt es auf die Randbedingungen an: „Lagert das Erbgut dauerhaft bei möglichst niedrigen Temperaturen, wird es nur langsam abgebaut und lässt sich noch lange nach dem Tod des Individuums analysieren“, erklärt Meyer. Bei sehr guten Verhältnissen könnten Analysen auch einiger Millionen Jahre alter DNA möglich sein.

Eine der Schwierigkeiten solcher Analysen ist die genaue Altersbestimmung. Dem Team der dänischen Forscher kam der Zufall zu Hilfe: Geologische Untersuchungen zeigten, dass sich in der Zeit, in der sich die Sedimentschichten abgelagert hatten, das Erdmagnetfeld umgekehrt hatte. Da solche Ereignisse recht gut bekannt sind, kommen nur zwei solcher Umpolungen vor entweder 1,93 oder vor 2,14 Millionen Jahren infrage, die mit den erheblich ungenaueren Altersbestimmungen übereinstimmen. Beide Möglichkeiten bedeuten, dass dem Forschungsteam mit der Analyse ein neuer Weltrekord für die älteste je sequenzierte DNA gelungen ist.

Der neue Rekord wurde auch durch die Ton-Mineralien begünstigt, aus der die Gruppe das Erbgut isolierte. Besonders die Oberfläche der mit Wasser aufquellenden Smektit-Minerale hält DNA nach diesen Untersuchungen sehr gut fest. Vielleicht könnte sich in solchen Mineralien auch in wärmeren Regionen wie in Afrika noch Erbgut von Frühmenschen erhalten haben, hofft Eske Willerslev.

Mit verfeinerten Methoden dringt die Paläogenetik immer weiter in die Vergangenheit des Lebens auf der Erde vor.
Mit verfeinerten Methoden dringt die Paläogenetik immer weiter in die Vergangenheit des Lebens auf der Erde vor.

© NOVA, HHMI Tangled Bank Studios & Handful of Films

Die Analyse der insgesamt 41 Proben eröffnet nun einen neuen Einblick in die Natur im Norden Grönlands vor rund zwei Millionen Jahren: Damals lagen die Temperaturen im Sommer im Durchschnitt bei rund zehn Grad Celsius deutlich über dem Gefrierpunkt. In der langen Polarnacht sackten sie allerdings auf rund minus 17 Grad Celsius ab. Insgesamt war es damals dort mehr als zehn Grad wärmer als im 20. Jahrhundert. Vor rund zwei Millionen Jahren ähnelten die Temperaturen also denen, die im Klimawandel in absehbarer Zukunft dort erwartet werden.

Die vor rund 10.000 Jahren ausgestorbenen Mastodonten-Rüsseltiere, deren Erbgut Willerslev und Team in der Kap-København-Schicht nachweisen konnten, werden zwar nicht zurückkehren. Schon bessere Chancen hätten aber die lichten Wälder aus Pappeln, Birken und Nadelbäumen aus der Verwandtschaft der Lebensbäume, die im zwei Millionen Jahre alten Ton nachgewiesen wurden.

Auch die arktischen Büsche und Kräuter, von denen ebenfalls DNA isoliert wurde, gibt es heute noch und sie kommen für eine Wiederbesiedlung in Frage. Trotzdem dürfte das vor zwei Millionen Jahren dort florierende Ökosystem im Klimawandel kaum zurückkehren, weil wichtige Teile wie die Mastodonten für immer verschwunden sind.

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