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Das Tier ähnelte am ehesten wohl an ein Maki. 

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Heute vor 14 Jahren: Der Medienrummel um „Ida“ 

Das kleine, lemurenähnliche Tier überdauerte 47 Millionen Jahre, bis man es nahe Darmstadt fand. Doch ist „Ida“ wirklich eine Urahnin der Menschen?

Eine Kolumne von Jan Kixmüller

Ida war nur 28 Zentimeter groß. Sie war noch jung, ihre bleibenden Zähne brachen gerade durch, als ihr junges Leben schon wieder zu Ende war. Idas Schwanz war länger als der Rest ihres Körpers, insgesamt war sie 58 Zentimeter lang, sie wog zwischen 0,7 und 1,7 Kilogramm. Ihre kräftigen Hände hatten je fünf Finger mit Fingernägeln.

Ida entstammte der Primatengattung Darwinius, einer ausgestorbenen Linie, die möglicherweise den Feuchtnasenaffen (Strepsirrhini) zuzuordnen ist. Äußerlich erinnert das Tier am ehesten an ein Maki.

Vor rund 47 Millionen Jahre nahm Idas Leben ein plötzliches Ende; was passierte, lässt sich heute nicht mehr sagen. Vermutlich versank Ida nach ihrem Tod in einem See, möglicherweise wurde sie von Kohlendioxid-Dämpfen betäubt, Bissspuren wurden keine gefunden. Aber Ida ist uns erhalten geblieben. Als Fossil überdauerte der kleine lemurenähnliche Primat die Millionen Jahre und kam 1983 im Ölschiefer der Grube Messel bei Darmstadt als Fossil wieder zum Vorschein. „Ida“ ist bislang eines der vollständigsten Funde eines fossilen Primaten.

Eine internationale Forschergruppe um den norwegischen Paläontologen Jørn H. Hurum beschrieb heute vor 14 Jahren den Fund. Sein wissenschaftlicher Name ist Darwinius masillae, das klang jedoch zu sperrig, also benannte Hurum das Fossil nach seiner Tochter Ida. Anfängliche Sensationsmeldungen in den Medien kolportierten, Ida sei ein unmittelbarer Vorfahr des Menschen oder gar ein „Missing Link“, also das fehlende Bindeglied in unserer Ahnenreihe.

Die Geschichte von Ida ist recht abenteuerlich. Nachdem das Fossil 1983 entdeckt worden war, verschwand der eine Teil der beiden Steinplatten zunächst bei einem Privatsammler. Bis Hurum ihn im Auftrag der Universität Oslo für eine angeblich hohe Summe erwarb. Mit großem Medienrummel wurde das Fossil dann als möglicher Missing Link präsentiert, bis eine umfangreichere Untersuchung einer anderen Forschergruppe den Medienstar entzauberte. Das Primaten-Mädchen war wohl doch keine Urgroßtante des Homo sapiens, sondern gehört einer unbedeutenden Nebenlinie an.

Die systematische Position von Darwinius masillae bleibt umstritten. Am Ende ist Ida ein außergewöhnlich gut erhaltenes Fossil, „eins der schönsten der Welt“, wie Hurum sagt. Zumindest die Frage nach dem Medienrummel scheint aber geklärt, das Geld für den Ankauf musste wieder eingespielt werden, hieß es aus gut unterrichteten Kreisen.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

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