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Schachweltmeister Garri Kasparow gegen Supercomputer „Deep Blue“.

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Heute vor 26 Jahren: Als eine Maschine den Menschen entthronte

Im Jahr 1997 besiegt zum ersten Mal ein Computer den amtierenden Schachweltmeister. Jahrzehntelang hatten Informatiker darauf hingearbeitet – und hatten erst Erfolg, als sie die Perspektive wechselten.

Eine Kolumne von David Will

Acht Tage lang hatte Garri Kasparow gekämpft, am neunten Tag gab er sich geschlagen. Am 11. Mai 1997 stand Kasparow auf, schüttelte einem Vertreter des gegnerischen Teams die Hand und rauschte aus dem Raum. Den tonnenschweren Metallblock auf der anderen Seite des Tischs würdigte er keines Blicks. Der Supercomputer „Deep Blue“ hatten den amtierenden Schachweltmeister besiegt.

Der Sieg kam später als gedacht, hatten doch seit den 50er Jahren Informatiker einen raschen Triumph der Computer im Schach vorhergesagt. Doch noch 1985 trat Kasparow, 22 Jahre jung und schon damals einer der besten Schachspieler der Welt, bei einem Turnier in Hamburg gegen 32 Schachcomputer zugleich an und gewann jede einzelne Partie.

Der Durchbruch gelang erst, als Menschen nicht mehr versuchten, ein besseres Ebenbild ihrer Selbst zu schaffen. Bis in die 80er Jahre brachten Forscher dem Computer raffinierte Strategien bei. Feng-Hsiung Hsu, der Chefentwickler von Deep Blue, ließ seine Maschine nur nach dem Zug suchen, der am wahrscheinlichsten dazu führen würde, Figuren des Gegners zu schlagen – eine Methode, mit der ein menschlicher Spieler nie weiter als bis zur Kreisliga käme. Für den Supercomputer, der in einer Sekunde 200 Millionen mögliche Stellungen im Voraus durchspielen konnte, war das genug.

Joseph Hoane führte die Züge für den Computer Deep Blue aus.

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Eine bittere Lektion

Der Informatiker Rich Sutton hat das als die „bittere Lektion“ aus der Forschung bezeichnet: Letzten Endes brauchen KIs keine Lehrer, sondern vor allem rohe Rechenleistung und die Fähigkeit, ungeheure Datenmengen auszuwerten. So entziehen sich moderne KIs wie ChatGPT oder Stable Diffusion mittlerweile komplett dem menschlichen Verständnis. Sie verschlingen das gesamte Internet und errechnen sich dann eine interne Logik, deren Regeln niemand genau kennt.

Der Chefentwickler von Deep Blue ließ seine Maschine nur nach dem Zug suchen, der am wahrscheinlichsten dazu führen würde, Figuren des Gegners zu schlagen.

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Was vom 11. Mai 1997 außerdem erhalten blieb, ist der Groll der beiden Gegenspieler. Kasparov deutete nach seiner Niederlage an, das gegnerische Team könnte ihn betrogen haben. Hsu ätzt in seinen Memoiren zurück, der Mann habe ja gar nicht gegen eine wirklich intelligente Maschine gewonnen. Denn zur Intelligenz gehöre auch die Fähigkeit, anderen die wildesten Anschuldigungen um die Ohren zu hauen. Und diese Eigenschaft sei vorerst den Menschen vorbehalten.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

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