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Am 4. September 1989, haben mehrere hundert ausreisewillige DDR-Bürger in Leipzig demonstriert. Die Menschen riefen immer wieder: „Wir wollen raus!“. Auf den mitgeführten Plakaten standen Parolen wie: „Reisefreiheit statt Massenflucht“.

© picture alliance / dpa/Wolfgang Kumm

Heute vor 34 Jahren: Der Anfang vom Ende

Am 4. September 1989 fand in Leipzig die erste Montagsdemonstration statt. Sie war der Beginn einer Protestwelle, die den DDR-Staat schließlich in die Knie zwang.

Eine Kolumne von Jan Kixmüller

An diesem Tag wurde Geschichte geschrieben. Heute vor 34 Jahren demonstrierten 1.200 Menschen in Leipzig. Sie versammelten sich, um zum ersten Mal gegen das politische System der DDR und das SED-Regime zu demonstrieren. Sie entrollten Transparente mit Forderungen wie „Für ein offenes Land mit freien Menschen“ und „Reisefreiheit statt Massenflucht“.

Die Demonstration wurde zum Anfang vom Ende der DDR: Kirchen, Oppositionelle und Ausreisewillige versammelten sich ab dem 4. September, die Montagsdemonstrationen trugen maßgeblich zur Friedlichen Revolution in der DDR bei. In vielen Städten der DDR begannen die Menschen nun, regelmäßig zu demonstrieren.

Das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte und die Verhaftung zahlreicher Demonstranten in Leipzig während der zweiten Montagsdemonstration am 11. September 1989 gilt als Initialzündung für die weiteren Proteste. Mit dem Ruf „Wir sind das Volk“ protestierten Woche für Woche Hunderttausende DDR-Bürger im ganzen Land gegen die politischen Verhältnisse. Ziele waren eine friedliche, demokratische Neuordnung, das Ende der SED-Herrschaft, Reisefreiheit und die Abschaffung der Stasi.

Die Zahl der Demonstrierenden wuchs schnell, am 16. Oktober waren es in Leipzig mehr als 100.000. Eine Woche später hatte sich die Zahl bereits verdreifacht. In Berlin kam es am 4. November zur größten Massendemonstration in der Geschichte der DDR. Der Fall der Mauer am 9. November besiegelte schließlich das Ende der DDR. Die Menschen waren in einer Diktatur aufgestanden, um ihre Freiheit zu erkämpfen. Mit Erfolg. 

So mutet es wie ein Treppenwitz der Geschichte an, dass 30 Jahre später wieder Zehntausende Menschen, darunter viele Impfgegner, Verschwörungsgläubige, Verfassungskritiker und Rechtsextreme, montags in Leipzig auf die Straße gingen, um gegen eine vermeintliche „Gesundheitsdiktatur“ zu protestieren. Schließlich waren es die Montagsdemonstrationen in der DDR gewesen, die diese Freiheit zum Demonstrieren überhaupt erst erkämpft hatten. Nun sahen sich Menschen wieder in die Enge getrieben von einem Staat, der ihnen doch alle erdenklichen Freiheiten ließ.

Spätestens jetzt war klar, dass unabhängig von der historischen Leistung der ehemaligen Montagsdemonstranten mit der Wende nicht nur ein glücklicher Endpunkt, sondern auch der Anfang neuer Probleme erreicht war. Zeigt es sich doch, dass 1989 nicht nur eine Zäsur war, sondern auch der Beginn einer neuen Teilung, wie der Zeithistoriker Martin Sabrow bemerkte. Die gesellschaftlichen Veränderungen im Osten waren wesentlich gravierender als im Westen. Was bis heute nachwirkt.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

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