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PS und Pneumatik, das passte schon vor mehr als drei Jahrhunderten: Magdeburger Halbkugeln.

© IMAGO/Gemini Collection

Tagesrückspiegel – Heute vor 360 Jahren: Der Bürgermeister lässt die Luft raus

Otto von Guericke ist neben einem anderen Otto der wohl bekannteste Magdeburger. Seinen ewigen Ruhm schöpft er buchstäblich aus dem Nichts.

Eine Kolumne von Richard Friebe

Als er mit dem Experimentieren begann, war er schon Mitte 40 und hatte auch schon so einiges hinter sich. Als für Bauwerke zuständiger Ratsherr seiner Heimatstadt Magdeburg musste er etwa 1631 im Zuge des Dreißigjährigen Krieges deren komplette Zerstörung durch kaiserliche Truppen mit ansehen und sich nach Erfurt absetzen. Dort wurde er dann als Bauingenieur angestellt.

Bald aber war er zurück in seiner durch jenes bald als „Magdeburger Hochzeit“ bekannte Horror-Ereignis samt Massaker weit zurückgeworfenen Heimatstadt und wurde einer ihrer Bürgermeister.

Überwindbarer Horror

Zeit für naturwissenschaftliche Versuche hatte er, der auch dreifacher Vater war, aber offenbar genug. Letztendlich war er es, der nachwies, dass es den „horror vacui“, also eine de facto Unmöglichkeit eines Vakuums in der Natur, nicht gibt. Denn dass man ein Vakuum herstellen kann, auch wenn es nicht ganz einfach ist, wies er nach. Damit war, nachdem andere Forscher wie etwa Blaise Pascal schon einige Vorarbeit geleistet hatten, endgültig eine der zentralen Grundannahme des Aristoteles widerlegt, dessen Naturphilosophie die Naturwissenschaft lange maßgeblich und teilweise dogmatisch beeinflusst hatte.

Otto von Guericke.

© IMAGO/Heritage Images/Oxford Science Archive

Sein wichtigstes Werk, die „Experimenta Nova (ut vocantur) Magdeburgica de Vacuo Spatio“ beendete Guericke seinen eigenen Angaben nach am 14. März 1663, also heute vor 360 Jahren. Mit dem Publizieren neuer wissenschaftlicher Ergebnisse hatte man es damals aber längst nicht so eilig wie heute. Denn gedruckt wurde das Werk erst neun Jahre später im Amsterdam.

Keine 16 Pferde

Im Zuge seiner pneumatischen Experimente erfand er unter anderem 1649 die Kolbenvakuumluftpumpe und 1650 die Luftwaage. Auch für die ganz große Show war er offenbar sehr begabt und nutzte hier seine Doppelrolle als Diplomat und Forscher: So ließ er etwa an verschiedenen Orten mit einer Dichtung verbundene, nicht einmal besonders große hohle Kupfer-Halbkugeln per Vakuumpumpe entleeren, die dann auch 16 Pferde nicht zu trennen vermochten.

Es ist eine noch heute beeindruckende Demonstration für die Kraft des Luftdruckes. Die Otto-von Guericke-Gesellschaft stellt diese Versuche mit den „Magdeburger Halbkugeln“ gelegentlich bei Events und vor den Toren von Museen nach.

Heute ist Otto von Guericke neben einem anderen Otto – dem ersten deutschen Kaiser – der wohl berühmteste Magdeburger aller Zeiten. Das „von“ bekam er aber erst 1666 verliehen, auch vom Kaiser persönlich. Selbstbewusst nahm er sich gleich noch ein „u“ dazu. Denn er hieß eigentlich Otto Gericke. Der Extrabuchstabe sollte lange erlittene Peinlichkeiten auf dem diplomatischen Parkett beenden. Denn so konnte man nun den Namen auch auf Französisch korrekt aussprechen. Voilà.

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