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Ethel und Julius Rosenberg auf der Anklagebank.

© imago/United Archives International

Heute vor 70 Jahren: Antisemitischer Justizmord?

Ethel und Julius Rosenberg wurden 1953 als vermeintlich kommunistische Atomspione in den USA hingerichtet. In dem Fall spielt auch Antisemitismus eine Rolle.

Eine Kolumne von Christoph David Piorkowski

Ein Sommerabend vor genau 70 Jahren, am 19. Juni 1953: Der jüdische Kommunist Julius Rosenberg wird auf dem elektrischen Stuhl exekutiert. Kurz darauf stirbt Ethel Rosenberg, genau wie ihr Mann, durch richterlich verfügte „Elektrokution“. 

Die beiden Rosenbergs sind die einzigen US-Amerikanischen Zivilist:innen, die im Kalten Krieg wegen Spionage angeklagt, und auch die einzigen, die jemals in Friedenszeiten aufgrund dieses Vorwurfes hingerichtet wurden.

Der Vorfall beschäftigte Jahrzehnte lang die US-Amerikanische Öffentlichkeit, wurde in Filmen und Büchern verhandelt, von Sartre über Einstein und Picasso bis zu Brecht demonstrierten geistige Kapazitäten gegen die staatliche Ermordung der beiden. Bis heute wird der Fall kontrovers diskutiert, gilt vielen als politisch motivierter Justizmord.  

Vorgeworfen wurde dem Rosenberg-Pärchen Atomspionage für die UdSSR. Im Prozess wurde gar fälschlicherweise erklärt, die beiden hätten es den Sowjets ermöglicht, beim Atombombenbau die USA einzuholen. 

Die Rosenbergs starben auf dem elektrischen Stuhl.
Die Rosenbergs starben auf dem elektrischen Stuhl.

© Malte Lehming

Wahrscheinlich ist, dass Julius Rosenberg tatsächlich Rüstungsspionage für die Sowjets betrieb, doch keine wesentlichen Informationen liefern konnte. Seine Frau aber, so sehen es nicht wenige Studien, war wohl lediglich Mitwisserin.

Im Verfahren wurden rechtsstaatliche Grundsätze verletzt, der beteiligte Staatsanwalt gestand Jahre später, die Regierung habe die Beweise konstruiert. Die Geschworenen setzte man extrem unter Druck, der Prozess begann als Julius Rosenberg sich weigerte, die Führer der Communist Party USA, im Tausch für seine Freiheit strafrechtlich zu belasten. 

Antikommunismus und Antisemitismus

Der Rosenberg-Prozess fand mitten in der McCarthy-Ära statt, als in den USA eine hysterische Kommunisten-Jagd stattfand, und alles, was irgendwie links anmutete, Gefahr lief für irgendetwas angeklagt zu werden. 

Neuere Studien, wie „Der Fall Ethel und Julius Rosenberg“ der deutschen Antisemitismusforscher:innen Sina Arnold und Olaf Kistenmacher bestätigen indes, was vielen damals schon klar war, auch dem angeklagten Ehepaar selbst: Dass mit dem harten Antikommunismus auch antisemitische Motive verknüpft waren. Ethel und Julius Rosenberg nämlich wurden als „unamerikanisch“ gebrandmarkt, mit dem antijüdischen Vorwurf konfrontiert, vaterlandslose Verräter zu sein.

Antisemitische Einstellungsmuster waren in den USA sehr weit verbreitet. Nicht von ungefähr wurde der Rosenberg-Fall auch mit der Dreyfus-Affäre verglichen, dem größten Justiz-Skandal der jüngeren Geschichte, in der der jüdisch-französische Oberstleutnant Alfred Dreyfus als Verräter wichtiger Militärgeheimnisse verleumdet wurde. 

Während Juden in Stalins Sowjetunion als Agent:innen des Kapitalismus verfolgt wurden, galten die amerikanischen Juden oft als Komplizen des verhassten Kommunismus.    

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

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