zum Hauptinhalt
„The Grapes of Wrath“, Filmplakat für den 1940 erschienen Film mit Henry Fonda als Tom Joad  in der Hauptrolle.

© imago/United Archives International/imago stock&people

Tagesrückspiegel – Heute vor 84 Jahren : Biologie und Ökologie in der Weltliteratur

„Früchte des Zorns“, ein Buch über eine ökologische Katastrophe und die Folgen für die Menschen: irgendwann stand dessen Autor, Laien-Biologe John Steinbeck, mit den Größten des Fachs in einer Reihe.

Eine Kolumne von Richard Friebe

Am 14. April 1939, heute vor 84 Jahren, erschien in den USA der Roman „The Grapes of Wrath“ von John Steinbeck. Ein literaturgeschichtlich wichtiges Datum, handelt es sich bei „Früchte des Zorns“, so der deutsche Titel, doch um eines der wichtigsten, einflussreichsten und meistverkauften Bücher des 20. Jahrhunderts. Doch man mag sich fragen, warum wir ihm hier im Ressort Wissenschaft diese Zeilen widmen.

Laien-Forscher

Es gibt darauf eine ganze Menge Antworten. Das Buch selbst handelt zum Beispiel von einer ökologischen Katastrophe und deren Folgen für Menschen. Zudem ist es voll mit naturwissenschaftlichen Fakten und Beobachtungen, etwa wenn am Anfang die Rede von der unerklärlichen, unbeirrbaren Orientierungsfähigkeit von Schildkröten ist, „always goin‘ someplace“.

Anders als etwa Thomas Mann, der etwa im „Zauberberg“ das naturwissenschaftliche und medizinische Wissen und Denken seiner Zeit sowie die philosophischen Debatten aus der Perspektive des strikten, fast pedantischen Theoretikers verhandelt, ist Steinbeck Praktiker. Er ist selbst Laien-Naturforscher, angeleitet von seinem Freund, dem Meeresbiologen Ed Ricketts, mit dem zusammen er 1941 sogar ein durchaus wissenschaftliches Buch über die Biologie des Golfs von Mexiko veröffentlicht.

Titelseite von „The Grapes of Wrath“

© Promo/promo

Auch viele seiner anderen Werke sind voller Naturwissenschaft und Ökologie und erörtern Themen von der Ernährungsphysiologie von Reis und Bohnen bis hin zu seltsamen Forschergestalten. Am bekanntesten ist hier sicher die Figur „Doc“ aus „Straße der Ölsardinen“, für die Ed Ricketts wiederum das Vorbild war.

Nobelpreis

Steinbeck hat die Biologie in die Weltliteratur eingeführt. Es war sicher Zufall, aber trotzdem konsequent, dass er 1962 zusammen mit jenen Naturwissenschaftlern, die wie keine anderen für die moderne biologische Revolution des 20. Jahrhunderts stehen, seinen Nobelpreis entgegennahm: Der im Januar 1962 schwer verunglücke russische Physik-Preisträger Lew Landau fehlte.

Nobelpreisträger für Wissenschaft und Literatur 1962, von links: Maurice Wilkins, Max Perutz, Francis Crick, John Steinbeck, James Watson, John Kendrew. Wegen Krankheit konnte Lew Landau nicht teilnehmen.

© IMAGO/TT/IMAGO/Pressens Bild / TT

Und so wurden neben Steinbeck in Stockholm noch Max Perutz, John Kendrew, Maurice Wilkins, Francis Crick und der junge James Watson geehrt. Die einen entschlüsselten die einen Schlüsselmoleküle der Biologie: Proteine. Die anderen die anderen: Nukleinsäuren, vor allem DNA.

Dazu kam, als Friedensnobelpreisträger in Oslo, der seinerzeit bekannteste Erforscher von Biomolekülen überhaupt: Linus Pauling. Der hatte bereits Jahre zuvor einen Chemie-Nobelpreis bekommen und wurde nun auch für sein Engagement gegen die Wasserstoffbombe und gegen Atombombentests geehrt.

Und, was daran anschließend und auch speziell aus heutiger Sicht vielleicht nicht uninteressant ist: James Watson, einziger noch lebender Preisträger von 1962, erinnerte sich 2007 rückblickend vor allem an Steinbecks Nobel-Vorlesung: Sie sei „ein Schrei nach Vernunft und Verstand in einer Zeit von großem Stress und Irrationalität“ gewesen.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der Kolumne auf der Kolumnenseite des Tagesspiegel.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false