zum Hauptinhalt
Entnervt. In Gehirnen von Alzheimer-Patienten (links) sammeln sich falsch gefaltete Amyloid-Eiweiße an (rot), dann sterben die Nervenzellen und das Gehirn schrumpft.

©  Focus/A. Pasieka

Hirnblutung nach Antikörpertherapie: Patientin stirbt bei Versuch einer Demenzbehandlung

Ein neuer Antikörper der US-Firma Biogen gilt Alzheimerpatienten als Hoffnungsträger. Nun wird der Wirkstoff mit einem Todesfall in Verbindung gebracht - bereits dem zweiten.

Eine 65-jährige Alzheimerpatientin ist nach einer Behandlung mit dem Antikörper Lecanemab der Bostoner Biotech-Firma Biogen und des japanischen Pharma-Partners Eisei an einer Hirnblutung gestorben. Das geht aus unveröffentlichten Unterlagen hervor, die dem Fachblatt „Science“ vorliegen.

Da es sich bereits um den zweiten Todesfall handelt, bei dem Experten zufolge ein Zusammenhang mit der Antikörpertherapie bestehen könnte, ist ein breiter Einsatz des Medikaments, das vielfach als Durchbruch in der Alzheimer-Behandlung bezeichnet wurde, nun fraglich.

Wäre die Patientin nicht auf Lecanemab gewesen, wäre sie heute am Leben.

Rudolph Castellani, Neuropathologe der Northwestern University, Chicago, gegenüber „Science“

Offenbar hatte die Frau während der Antikörper-Infusionen einen Schlaganfall erlitten, weshalb sie an der Uniklinik der Northwestern University in Chicago mit dem Blutverdünner „tPa“ behandelt wurde, was wiederum die Hirnblutung und einige Tage später ihren Tod zur Folge hatte.

Unverträglich bei Patienten mit bestimmter Blutgefäßerkrankung

Eine Untersuchung ergab, dass die 65-Jährige nicht nur an Alzheimer, sondern auch an „Cerebraler Amyloid-Angiopathie“ (CAA) litt. Dabei werden die Muskelfasern der Blutgefäße im Gehirn mit der Zeit durch Ablagerungen von Amyloid-Protein ersetzt - eben solches Amyloid, das sich auch bei neurodegenerativen Erkrankungen zwischen sterbenden Nervenzellen anhäuft. Um Alzheimer zu behandeln, greift Biogens Antikörper Lecanumab solche Amyloid-Proteine an.

Eine Studie an rund 1800 Patienten hatte eine Reduktion der neurodegenerativen Amyloid-Proteine um 27 Prozent gezeigt, weshalb die US-Zulassungsbehörde FDA den Wirkstoff in ein beschleunigtes Zulassungsverfahren einstufte - obwohl in 12 bzw. 17 Prozent der Behandelten auch Hirnschwellungen und -blutungen beobachtet wurden.

Die Möglichkeit bestehe, dass Lecanumab bei der Patientin nicht nur das Amyloid zwischen den Nervenzellen, sondern auch das Amyloid in den Blutgefäßen attackierte, wodurch die Blutgefäße im Gehirn der Frau geschwächt wurden und es infolgedessen zur Blutung kam, zitiert „Science“ Experten. „Meiner Meinung nach gibt es keine Zweifel, dass es sich hierbei um einen durch die Behandlung ausgelösten Krankheits- und Todesfall handelt“, sagte Rudolph Castellani, Neuropathologe an der Northwestern University, dem Fachblatt. „Wäre die Patientin nicht auf Lecanemab gewesen, wäre sie heute am Leben.” 

CAA komme in etwa der Hälfte der Alzheimer-Patienten vor, sei aber vor dem Tod schwierig zu diagnostizieren. Eine Warnung, Lecanumab bei solchen CAA-Patienten nicht oder zumindest nicht zusammen mit Blutverdünnern einzusetzen, könnte daher schwierig umzusetzen sein. Fraglich ist nun, ob Lecanumab unter diesen Umständen eine Zulassung erhalten kann.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false