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Influenza-Viren nutzen Proteine auf der Oberfläche (schwarz), um Zellen der Atemwege zu infizieren.

© NIAID

Folgen von Koinfektion: Influenza kann die Ausbreitung von Coronaviren im Körper hemmen

Bei Doppel-Infektionen könnte die Vermehrung der einen Erreger die der anderen bremsen. Doch es kommt darauf an, wer zuerst da war.

Eine Influenzainfektion könnte eine gleichzeitige Sars-Cov-2-Infektion hemmen. Zu diesem Ergebnis kommen Forschende aus den USA in einer Studie im „Journal of Virology“.

Anhand von kultivierten Zellen und in Tierversuchen mit Hamstern fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Kohei Oishi von der New York University heraus, dass das Influenza-A-Virus die Vermehrung des Coronavirus in der Lunge beeinträchtigt – und dies auch noch mehr als eine Woche nach der Influenzainfektion.

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Die Forschung sei wichtig, da derzeit mit Sars-Cov-2 und Influenza A zwei RNA-Viren in der menschlichen Bevölkerung zirkulieren, die hohes Pandemiepotenzial haben, schreiben die Forscher. Da beide Viren die Atemwege infizieren und schwere Verläufe bis hin zu Todesfällen verursachen können, sei es „zwingend erforderlich“, die Folgen einer Koinfektion zu verstehen.

Die Forschenden infizierten Hamster mit beiden Viren gleichzeitig und untersuchten die Tiere anschließend regelmäßig. Sie führten auch Experimente durch, bei denen sie die Tiere zunächst mit einem der beiden Viren und drei Tage später mit dem anderen Virus infizierten.

Bei den koinfizierten Hamstern waren die Mengen von Sars-Cov-2 im Lungengewebe zum Teil niedriger als bei Tieren, die nur mit dem Coronavirus infiziert waren. Wurden die Hamster dagegen zuerst mit Sars-Cov-2 infiziert, so hatte diese Infektion offenbar keinen Einfluss auf die Vervielfältigung der später eingebrachten Influenzaviren.

Die verminderte Vermehrung der Coronaviren nach einer Infektion mit dem Grippeerreger kam mit höheren Interferon-Spiegeln zusammen. Diese Botenstoffe kurbeln in Zellen die Produktion antiviraler Proteine an. Interferone sind Teil der angeborenen Immunabwehr. Insgesamt sei die Reaktion des Wirts auf beide Viren vergleichbar mit der auf eine Infektion nur mit Sars-Cov-2.

Virale Interferenz ist bekanntes Phänomen

„Das beschriebene Phänomen, dass ein Virus offenbar zu verhindern versucht, dass ein zweites Virus in die Zelle eintreten kann, ist schon viele Jahrzehnte bekannt“, sagte Ortwin Adams, Virologe am Universitätsklinikum Düsseldorf dem Science Media Center Deutschland (SMC).

Der dafür verwendete Begriff „virale Interferenz“ ist auch Namensgeber für die dabei wirksamen Interferone. „Das Influenzavirus ist bekanntermaßen ein Virus, das in der infizierten Zelle eine starke Interferon-Antwort erzeugt“, sagt Adams.

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Die Koinfektionsstudie könnte den Forschenden zufolge als Beispiel dafür dienen, wie eine Immunreaktion auf etwas nicht Verwandtes einen Schutz vor Sars-Cov-2 bieten könnte. Die Daten deuteten darauf hin, dass eine Koinfektion mit Sars-Cov-2 und Influenza wahrscheinlich nicht zu einer schwereren Erkrankung führt. Bisherige Studien wie jüngst im Fachjournal „The Lancet“ erschienen, zeigten bei Koinfektionen mit beiden Erregern eher erhöhte Sterblichkeitsraten.

Impfschutz gegen beide Erreger bremst Koinfektionen

„Die Grippe versetzt den Organismus des Hamsters quasi in einen antiviralen Status, bei dem nach der Infektion Interferon-stimulierte Gene hochreguliert werden“, erklärte Stephan Becker, Leiter des Instituts für Virologie an der Philipps-Universität Marburg gegenüber dem SMC.

Das sei die natürliche Abwehrreaktion des Körpers auf fremde Organismen oder Stoffe. „Diese native Immunantwort hemmt nach den Ergebnissen dieser Studie offenbar Sars-Cov-2 stärker, als es bei Influenza der Fall ist“, sagt Becker.

Das Hamstermodell lasse aber keine allgemeingültigen Schlüsse zu. „Ich würde mich nicht anhand von Hamsterdaten darauf verlassen, dass Koinfektionen harmlos verlaufen“, so Becker. Das Tiermodell sei „näher am Menschen“ als Zellkulturen, sagt Adams, aber das Immunsystem sei dem des Menschen nicht gleichzusetzen.

In der Studie wurden zwei ältere Virusvarianten verwendet

„Zudem haben die Tiere bis zum Experiment noch keinen Kontakt mit Influenza oder Sars-Cov-2 gehabt“, so der Virologe. Erwachsene haben aber jahrzehntelange Erfahrung mit Influenzaviren und Covid-19-Geimpfte und -Genesene auch mit Sars-Cov-2.

Für grundlegende Aussagen müssten Menschen untersucht werden – vor, während und nach Koinfektionen. Außerdem müsste der Impfstatus der Studienteilnehmer und die Varianten der Viren berücksichtigt werden. In der Studie wurden zwei ältere Virusvarianten verwendet. „Neuere Virusvarianten könnten einen anderen, womöglich pathogeneren Effekt haben, wenn man mit beiden Erregern infiziert ist“, sagt Becker.

Er und Adams empfehlen, für den Herbst und Winter einen breiten Impfschutz gegen Sars-Cov-2 und gegen Influenza aufzubauen. „So minimieren wir ziemlich sicher die Gefahr von möglichen Koinfektionen vor allem für Ältere.“

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