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Ein Porträtbild von Jan-Martin Wiarda.

© Privat

Wiarda will's wissen: Investiert mehr in Bildung!

Immer wieder kritisiert die OECD, Deutschland investiere zu wenig in die Bildung. Die Versprechungen des Koalitionsvertrags alleine ändern daran nichts, meint unser Kolumnist.

Hubertus Heil tat so, als sei schon die Frage unanständig. Ob die Jüngeren nicht wieder die Verlierer der Rentenpolitik seien, wollte die „FAZ“ vom neuen SPD-Arbeitsminister wissen, und der antwortete, der Versuch, Generationen gegeneinander auszuspielen, müsse endlich aufhören. „Ich kenne keine Großmutter, die ihrem Enkel die Zukunft verbauen will, und keinen Enkel, der seiner Großmutter nicht eine gute Rente gönnt.“

Ein schöner Satz, kaum angreifbar. Doch wenn er stimmt, wie kann es sein, dass unsere Gesellschaft ihrer Jugend seit so vielen Jahren ein derart krass unterfinanziertes Bildungssystem zumutet? Trotz aller Beschwörungen der Bildungsrepublik investieren Bund, Länder und Gemeinden gerade mal 4,3 Prozent der Wirtschaftsleistung in ihre Schulen und Hochschulen – und liegen damit fast ein Prozentpunkt unter dem Schnitt aller OECD-Staaten (5,2 Prozent). Dass es sich um eine Frage der politischen Prioritätensetzung handelt, zeigt ein zweiter Vergleich: Dem deutschen Staat sind seine Bildungseinrichtungen 9,4 Prozent der Gesamtausgaben wert. Die OECD insgesamt kommt auf 11,3 Prozent. Da sollte man sich auch nicht mit den Problemen des Föderalismus herausreden.

3,7 Milliarden Euro für die Mütterrente, 2,7 für die Bildung

Während also die Politik neue Rentenpakete schnürt, während von den Jungen wie selbstverständlich erwartet wird, dass sie später ihren Teil des Generationenvertrages übernehmen und den Sozialstaat trotz der dramatischen gesellschaftlichen Alterung am Laufen halten, verweigern wir ihnen die bestmögliche Vorbereitung auf diese Zukunft. Ausgerechnet am Koalitionsvertrag von Union und SPD, die sich selbst für ihren Bildungsaufbruch loben, wird das überdeutlich: Die darin beschlossene Ausweitung der Mütterrente allein wird dauerhaft rund 3,7 Milliarden Euro extra kosten, jedes Jahr.

Summiert man die bis 2021 geplanten Zusatzausgaben für Ganztag, Bafög, Hochschulpakt, Digitalpakt und Kitas, kommt man auf 2,7 Milliarden im Jahr. Großzügig gerechnet. Und das sind zum größten Teil Einmalzahlungen.

Wozu? Um gerechte Bildungschancen für alle zu schaffen

Solche Rechnungen sind kein Gegeneinanderausspielen der Generationen, sondern für Union und SPD unbequeme Fakten. So bleibt den Jungen ein Bildungssystem, das für das Allernötigste gerade gut genug ist. Wobei selbst das eigentlich nicht stimmt. Denn was ein Bildungssystem im Kern ausmachen sollte, ist sein Vermögen, auf gesellschaftliche Veränderungen flexibel reagieren zu können. Auf Migration zum Beispiel. Auf Inklusion. Auf die Digitalisierung und neue Lernformen. Mit modernen Gebäuden und Lernräumen, mit genug Professoren und gut ausgebildeten Lehrern in multiprofessionellen Teams. Nur ein solches Bildungssystem ist am Ende auch in der Lage, gerechte Bildungschancen für alle zu schaffen, abhängig von ihren Talenten.

Wo wir derzeit stehen, haben wir vorm Wochenende wieder bestätigt bekommen: Von 100 Akademikerkindern studieren in Deutschland 79, berichtete das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW). Und von 100 jungen Menschen, deren Eltern nicht studiert haben? 27.

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) hat nun angesichts von prognostizierten 63 Milliarden Steuermehreinnahmen bis 2022 (davon fast elf Milliarden für den Bund) von Finanzminister Olaf Scholz ein deutliches Plus bei den Bildungsinvestitionen gefordert. Unerwartete Mehrausgaben für die Bildung, das wäre doch mal was.

Der Autor ist Journalist für Bildung und lebt in Berlin. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

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