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Mers-Virus

© NIAID RML

Mers-Virus: Riad ist das Zentrum der Epidemie

Eine umfassende Erbgutanalyse zeigt, wie sich der Erreger vermutlich entwickelt. Demnach ist Mers noch nicht besonders ansteckend. Doch das ist umstritten.

Nicht einmal vier Wochen bevor Millionen Muslime sich während der großen Pilgerfahrt an den heiligen Stätten in Mekka und Medina drängen, stellt ein saudisch-britisches Forscherteam die bisher umfassendste Analyse des Mers-Erbguts vor. Das neue Coronavirus löst unter anderem schwere Lungenschäden aus. Nach wie vor werden der Weltgesundheitsorganisation WHO neue Fälle auf der Arabischen Halbinsel gemeldet. Bisher zählte sie 132 Erkrankte, 58 dieser Patienten überlebten die Infektion nicht.

Viele Fragen bleiben ungelöst. Weder der Ursprung der Viren noch der Zwischenwirt im Tierreich noch der Übertragungsweg sind bekannt. Für Massenveranstaltungen jedoch ist am wichtigsten: Wie ansteckend ist das Virus? Nicht so sehr, lautet nun die optimistische Antwort der Forscher um Ziad Memish vom Gesundheitsministerium Saudi-Arabiens und Alimuddin Zula vom University College London im Fachblatt „Lancet“.

Die Forscher konnten aus 21 saudischen Patientenproben 13 komplette und acht teilweise erhaltene Virenerbgutstränge isolieren und entziffern. Daraus rekonstruierten sie, wie sich das Virus vermutlich entwickelt hat. Demnach ist Riad das Epizentrum des Ausbruchs. Aber allein in dieser Stadt gehen drei verschiedene Mers-Varianten um. Diese Unterschiede im Erbgut deuteten darauf hin, dass das Virus nicht nur einmal vom Tier auf den Menschen übergesprungen ist, schreiben sie. Eine Kombination von Ansteckung von Mensch zu Mensch und wiederholter Übertragung von Tier zu Mensch sei wahrscheinlicher.

Die Interpretation der Daten ist umstritten

Auch der Krankenhausausbruch in Al Hasa im Osten Saudi-Arabiens sei komplexer als gedacht. Die Viren, die dort zirkulierten, seien zwar eng verwandt. Es sei aber selten zu langen Übertragungsketten gekommen. Die Viren wurden vermutlich immer wieder neu in die Krankenhäuser getragen. Ein Stammbaum aller 30 bisher verfügbaren Gensequenzen bestätige, dass das Virus bereits seit Juli 2011 Menschen infiziert.

Die Studie liefert Hintergrundinformationen für das 15-köpfige Notfallkomitee, das die WHO-Generaldirektorin Margaret Chan berät, ob Mers ein „Public Health Emergency of International Concern“ ist. Es wurde Mitte Juli ins Leben gerufen und soll noch im September erneut konferieren – bevor am 13. Oktober die Hadsch, die große Pilgerfahrt, beginnt. Memish dürfte daher vor allem eine Interpretation der Daten wichtig sein: Das Virus ist noch nicht besonders gut von Mensch zu Mensch übertragbar. Denn anhand solcher Ergebnisse werden unter anderem Reisehinweise ausgesprochen.

Die Interpretation der Daten ist jedoch umstritten. Christian Drosten, Mers-Experte von der Uni Bonn, findet den in der Studie veröffentlichten Stammbaum des Virus und die daraus gezogenen Schlüsse problematisch. Das Erbgut des Virus, das angeblich aus der Probe des ersten saudischen Patienten stammt, unterscheide sich allzu sehr von dem Virus, mit dem Forscher in aller Welt arbeiten. Experten, die den ersten saudischen Patienten betreut hatten, hatten es an Virologen des Erasmus Medical Center in Rotterdam geschickt. „Möglicherweise ist die Probe später in Saudi-Arabien verwechselt worden“, sagt Drosten. Baut man den Stammbaum mit dem Rotterdamer Virus neu, ergebe sich ein völlig anderes Bild. „Dann deutet alles darauf hin, dass das eine Epidemie unter Menschen ist“, sagt Drosten.

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