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In Deutschland mangelt es an Fachkräften.

© Imagi/stock&people/Heike Lyding

Pflegestudium an der Charité: Was der Bachelor in dem Beruf bringt

Pflege zu studieren, ist in Deutschland noch lange nicht etabliert. An der Charité gibt es seit knapp drei Jahren einen Bachelor, der für den Beruf qualifiziert. Der Studiengangleiter stellt das Modell vor.

Sein Weg in die Welt der Forschung und Lehre war lang, und er war nicht klar vorgezeichnet: „Ich habe damals die dreijährige Krankenpflege-Ausbildung gemacht, nach meinem Examen drei Jahre auf Intensivstationen gearbeitet und anschließend neun Semester Pflegepädagogik studiert“, berichtet Jan Kottner. Heute ist er Direktor des Instituts für Klinische Pflegewissenschaft der Charité-Universitätsmedizin Berlin und Leiter des dortigen Bachelorstudiengangs Pflege. Mit dem akademischen Abschluss erwirbt man hier zugleich die staatliche Berufszulassung als Pflegefachfrau oder Pflegefachmann.

Der Studiengang startete im Wintersemester 2020/21 – vielleicht wegen der Corona-Pandemie von vielen unbemerkt, obwohl doch gerade zu dieser Zeit der Stellenwert der professionellen Pflege öffentlich immer wieder hervorgehoben wurde. Und obwohl es eine Werbekampagne der Bundesregierung für das grundständige Pflege-Studium gab, das in der Hauptstadt auch an der Evangelischen Hochschule Berlin (EHB) und an der Alice-Salomon-Hochschule (ASH) angeboten wird.

Der „Ausbildungsberuf“ Pflege soll damit keineswegs aussterben. Der Wissenschaftsrat hat allerdings schon im Jahr 2012 die Empfehlung ausgesprochen, dass zehn bis zwanzig Prozent der Pflegekräfte nach dem Vorbild anderer Länder ihre Qualifikation in einem Studium erwerben sollten.

Die Akademisierung könnte in der Lohndebatte helfen

Eine Quote, die hierzulande längst noch nicht erreicht ist. Vorbilder in der Akademisierung sind Länder wie die Niederlande, die Schweiz, Dänemark und Schweden. Die HQGplus-Studie, ein Update von 2022, das von der Else Kröner-Fresenius-Stiftung, Heinz Nixdorf Stiftung und Robert Bosch Stiftung gefördert wurde, ergab indes, dass nur 3,2 Prozent der Absolvent:innen der letzten Pflege-Ausbildungsjahrgänge den Bachelor gemacht haben. Dagegen studiert inzwischen über die Hälfte des Hebammen-Nachwuchses. „Deutschland ist seit Jahrzehnten Schlusslicht bei der Akademisierung der Pflege“, bedauert Kottner.

Er ist überzeugt davon, dass die vermehrte Präsenz von Pflegekräften mit BA-Abschluss in Kliniken und anderen Gesundheitseinrichtungen die Diskussion darüber anregt, welche Befugnisse Pflegefachpersonen dort im Team der Berufsgruppen haben sollten. Und er glaubt, dass es die Diskussion über angemessene Bezahlung voranbringt.

Deutschland ist seit Jahrzehnten Schlusslicht bei der Akademisierung der Pflege. 

Jan Kottner, Direktor des Instituts für Klinische Pflegewissenschaft der Charité

Absolvent:innen, deren Herz nach dem Bachelorstudium für die klinische Praxis schlägt, können dort Tätigkeiten mit besonderer Verantwortung übernehmen. „Die Kliniken wollen die Absolventen haben, sie überlegen sich dafür einiges und arbeiten an neuen Konzepten, um für Pflegekräfte mit Studienabschluss attraktiv zu werden und sie in die Teamarbeit einzubinden“, berichtet Kottner.

In Absprache mit der EHB und der ASH plane man an der Charité aber auch einen auf dem Bachelor aufbauenden, eineinhalb Jahre dauernden Studiengang, der zum Master of Science in Pflegewissenschaft führen soll. „Ein Konzept dafür gibt es bereits.“ Unabhängig davon können die Absolventen aber in einen der schon bestehenden Masterstudiengänge gehen, um sich etwa für die Pflegepädagogik oder den Rehabereich zu qualifizieren.

Der Studiengang hat eine hohe Abbrecherquote

Grundlage dafür ist aber der Bachelorabschluss. Dafür gibt es derzeit 60 Studienplätze im Jahr. Kottner berichtet von einer 70-prozentigen Auslastung in den ersten drei Kohorten seit 2020, eine große Gruppe von Studierenden komme von weit her. Die Stadt Berlin und das Renommee der Charité wirken hier wohl als Anziehungspunkte. Viele Studierende entscheiden sich nach dem ersten Semester dagegen, den Studiengang fortzusetzen. „Hohe Abbrecherquoten gibt es aber auch in anderen Bachelorstudiengängen, im Durchschnitt liegen sie bei 27 Prozent“, sagt Kottner dazu.

60
Studienplätze bietet die Charité pro Jahr in ihrem Pflege-Bachelor an.

Dass das Studium besonders fordernd ist, will er nicht bestreiten. Eine Besonderheit sind die zahlreichen Praxiseinsätze. Sie finden teilweise statt, während andere Studierende die vorlesungsfreie Zeit für Nebenjobs nutzen. Und die Bachelorstudierenden begegnen auf den Stationen Pflegeschüler:innen, die eine Ausbildungsvergütung bekommen. Hier besteht aus Sicht der Hochschulen dringend Handlungsbedarf beim Gesetzgeber.

Die Studierenden sind dafür je nach individueller Situation berechtigt, Bafög zu beziehen. Die Charité bietet zudem Studierenden, die das möchten, monatlich 450 Euro Förderzuschuss an, den sie nicht zurückzahlen müssen, sofern sie sich danach für zwei Jahre an das Universitätsklinikum binden. Ungefähr ein Drittel von ihnen nimmt dieses Angebot an. Das vierte Studienhalbjahr eignet sich, um ein Auslandssemester einzulegen.

An der Konzeption der Module und ihrer Modifikation würden die Studierenden beteiligt, betont Kottner noch. Teilweise lernen die angehenden Pflegekräfte zusammen mit angehenden Ärzt:innen und Anwärtern für andere Gesundheitsberufe.

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