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Um als Präsidentin der HU wiedergewählt zu werden, braucht Sabine Kunst auch Stimmen aus den Lagern, die ihr kritisch gegenüberstehen.

© imago/Seeliger

Präsidentenwahl an der HU: Humboldts innerer Zusammenhalt

Präsidentin Kunst will wiedergewählt werden. Während die Professorenschaft mit ihr zufrieden ist, üben vor allem Studierende und wissenschaftliche Mitarbeiter Kritik.

Wenn die Humboldt-Universität am Dienstag zur Präsidentinnenwahl zusammenkommt, dürfte das einer der wenigen Anlässe in diesem Semester sein, wo sich die Unimitglieder in größerer Zahl persönlich sehen. Die Wahl wird trotz verschärfter Pandemielage in Präsenz stattfinden. Weil das Konzil, das Wahlgremium, 54 Mitglieder hat, weicht die HU in die benachbarte Staatsoper aus, um allen genügend Platz zu bieten.

Ob die Wahl dann auch ein einender Moment wird – oder doch eine Zitterpartie? Bekanntlich tritt nur eine Kandidatin an: Amtsinhaberin Sabine Kunst. Sie muss 28 Ja-Stimmen erreichen, wenn sie wiedergewählt werden will. In beiden möglichen Wahlgängen braucht sie die absolute Mehrheit der Mitglieder.

Da die Professorinnen und Professoren anders als sonst nicht die Mehrheit haben, sondern aktuell nur 24 Mitglieder stellen, ist die Präsidentin dabei auch auf die anderen Gruppen – wissenschaftliche Mitarbeiter, Mitarbeiter aus Technik und Verwaltung sowie Studierende – angewiesen, die jeweils zehn Stimmen führen.

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Kunst kann nicht auf Studierende zählen

Mit Stimmen der Studierendenvertreter dürfte Kunst nicht rechnen können. Diese befinden sich in Fundamentalopposition zum Präsidium, auch die Anhörung Kunsts vor dem Konzil in der vergangenen Woche war wie berichtet geprägt von diesen Konflikten. Bei ihrer ersten Wahl erhielt Kunst 49 Ja-Stimmen, das erscheint jetzt ausgeschlossen.

Doch wie sieht es bei den anderen Unimitgliedern aus? Kunst kam mit dem Ruf einer zupackenden Pragmatikerin an die HU. Sie war zuvor für die SPD Wissenschaftsministerin in Brandenburg und leitetet die Uni Potsdam. Kunst ist politisch bestens vernetzt und weiß, wie Politik taktisch funktioniert: Das erzählen viele über sie. „Kunst vermittelt immer den Eindruck, sie sei allen einen Schritt voraus“, sagt ein Wissenschaftsfunktionär – und fügt hinzu: „Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob sie manchmal nur blufft.“

Fragt man an der HU herum, bekommt man den Eindruck: Unter den Professorinnen und Professoren sind viele mit ihr zufrieden. Der Wirtschaftsgeograph Elmar Kulke, Dekan der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät, spricht von einem „kooperativen Führungsstil“: „Man kann gemeinsam Dinge entwickeln, das ist kein Top-Down-Durchregieren.“

Amtsinhaberin Sabine Kunst leitet die HU seit 2016. Geschätzt wird sie für ihren norddeutschen Pragmatismus.
Amtsinhaberin Sabine Kunst leitet die HU seit 2016. Geschätzt wird sie für ihren norddeutschen Pragmatismus.

© Mike Wolf

Die Historikerin Gabriele Metzler, Dekanin der Philosophischen Fakultät, findet: „Kunst hat der HU in vieler Hinsicht gutgetan.“ Die Psychologin Jule Specht sagt: „Wenn sie einem ihr Wort gibt, kann man sich darauf verlassen.“

Das hört man so auch von anderen. Umgekehrt bedeute das allerdings ebenso: Wenn Kunst etwas ablehnt, sei nicht mehr viel zu machen – aber auch das sei immerhin verlässlich. „Nun mal Butter bei die Fische“ ist ein typischer Satz von Kunst, der die Norddeutsche Kunst selber gut beschreibt.

Auch Kritiker schätzen ihre nüchterne Art

Dass die Präsidentin die HU mit ihrer nüchternen Art nach den turbulenten Zeiten unter ihren Vorgängern stabilisiert hat, erkennen auch die Professoren an, die ihr kritischer gegenüberstehen. Es ist kaum vorstellbar, dass Kunst mit Rücktritt drohen oder wie ihr Vorgänger Jan-Hendrik Olbertz für kurze Zeit tatsächlich zurücktreten würde, weil sie ein Projekt an der Uni nicht durchsetzen kann.

Was Kunst für sich verbuchen kann: Strategische Erfolge wie etwa kürzlich im Wettbewerb um „European Universities“ – und vor allem den Sieg in der Exzellenzstrategie. Die HU gewann mit TU und FU als Verbund, Kunst hat gerade die Sprecherinnenrolle dafür übernommen. „In der Berlin University Alliance vertritt sie die HU sehr gut nach außen“, sagt Wirtschaftsgeograph Kulke. An FU und TU teilen sie diese Auffassung, auch wenn dort manchmal spitz hinzugefügt wird, Kunst würde sich etwas zu eigensinnig für die Belange ihrer HU einsetzen.

Aus Professorensicht hat Kunst zudem nicht nur die Coronakrise gut gemeistert, sondern auch die Reform der Verwaltung vorangebracht, ein Dauerthema an der HU. „Da wurden Aufgaben angepackt, die Jahre liegen geblieben waren“, sagt die Historikerin Metzler. Sie und Jule Specht heben auch hervor, Kunst habe es geschafft, das Naturkundemuseum wieder an die HU heranzuholen.

So werde der Campus Nord aufgewertet und die Vernetzung der Berliner Forschung mit der Gesellschaft weiter vorangetrieben. Überhaupt liegt die Entwicklung der drei HU-Standorte, die Kunst als ein Großthema für eine nächste Amtszeit angekündigt hat, der Professorenschaft am Herz. „Da hat die Universität noch große Potenziale“, sagt Metzler. Wirtschaftsgeograph Kulke wünscht sich, den Campus Adlershof zu einem „Science Hub“ weiterzuentwickeln – mit großen Hörsälen, in denen experimentiert werden kann, einem Gründerhaus und Co-Working-Spaces.

Der Mittelbau der HU übt scharfe Kritik

Nun reichen Kunst die Stimmen der Professorinnen und Professoren aber eben nicht aus. Bei den wissenschaftlichen Mitarbeitenden und den nicht-wissenschaftlichen Mitarbeiten – also denen aus Technik und Verwaltung – sieht die Stimmung etwas anders aus.

Zur Reform der Verwaltung kann man da etwa hören: Abteilungen seien lange führungslos oder kommissarisch besetzt gewesen, da deren Leitungen abgesetzt oder vorzeitig in den Ruhestand verabschiedet wurden. Auch jetzt noch würde versucht, leitende Mitarbeiter mittels Umstrukturierungen loszuwerden. Der Umgang des Präsidiums mit diesen Beschäftigten sei „menschlich enttäuschend“, sagt der Theologe Reinhard Flogaus. Seine Gruppe, der Akademische Mittelbau, sei für das Präsidium „im Zweifel die Gruppe, wo man am meisten einsparen kann“.

Für einige Studierende ist Sabine Kunst ein rotes Tuch.
Für einige Studierende ist Sabine Kunst ein rotes Tuch.

© Doris Spiekermann-Klaas

Dies habe sich beim Strukturplan 2017 gezeigt und gehe mit der Umwandlung von Qualifikationsstellen in Professuren wohl auch künftig weiter. Der von vielen Fakultäten vorgetragene Wunsch, die Zahl der dauerhaften Beschäftigungsverhältnisse im Mittelbau zu erhöhen, werde vom Präsidium hingegen missachtet.

Selbst wenn Kunst besser zuhöre als ihre Vorgänger, hätten viele aus den Gruppe der wissenschaftlichen und der sonstigen Mitarbeitenden das Gefühl, weniger wichtig zu sein, sagt ein anderer. Ins Bild passe da, dass Kunst in der Anhörung sagte, sie könne sich vorstellen, das Concilium Decanale – also die Runde der Dekane – in die erweiterte Unileitung zu integrieren. Schon wieder denke Kunst nur an die Professorenschaft, heißt es beim Mittelbau und den Mitarbeitenden aus Technik und Verwaltung.

Dauerkonflik mit dem RefRat

Dass diese beiden Gruppen Kunst ihre Stimmen komplett verweigern, wird aber doch für unwahrscheinlich gehalten. Und was ist mit dem Dauerkonflikt mit den Studierendenvertretern vom RefRat? Viele verweisen zwar darauf, diese Studierenden seien nicht repräsentativ für alle, bei den Fachschaften sehe es anders aus.

Dennoch behagt auch Professoren die Konfrontation nicht. „Ich erwarte von Frau Kunst eine Strategie, wie wir den Zusammenhalt in der Universität stärken“, sagt die Psychologin Jule Specht.

Sie verstehe das fehlende Verständnis des Präsidiums hier auch deswegen nicht richtig, weil Kunst sich im Allgemeinen durch das Vermitteln zwischen verschiedenen Positionen und Interessengruppen auszeichne. Für die nächste Amtszeit hat Specht daher einen Vorschlag: Kunst könne – nach dem Vorbild der TU Dresden, die ein Vizepräsidentenamt für Unikultur eingerichtet hat – dieses Thema auch in ihrem Präsidium verankern und damit der Einigkeit Priorität einräumen.

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