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Die Finger hatte man gespreizt, um die Hände der besiegten Feinde größer und eindrucksvoller erscheinen zu lassen.

© Deutsches Archäologisches Institut

Rätsel um abgehackte Hände: Die grausamen Kriegstrophäen im Alten Ägypten

Anthropologen des Deutschen Archäologischen Instituts haben zwölf rechte Hände untersucht. Sie wurden vermutlich in einer Zeremonie präsentiert. Doch warum?

Dass man einem die rechte Hand abhackt, ist eine grausame Bestrafung, wie sie die Scharia für bestimmte Straftaten vorgibt. Aber es handelt sich um eine weit ältere Praxis. Schon in Gräbern hoher Militärs und auf Tempelwänden aus dem Alten Ägypten finden sich Darstellungen, auf denen dem Pharao die abgeschlagenen Hände von besiegten Feinden übergeben werden.

Einen zu solchen Abbildungen passenden grausigen Fund machte 2011 erstmals ein Team von Wissenschaftler:innen des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) unter der Leitung von Manfred Bietak bei einer Grabung in Tell el-Dab’a, der ehemaligen Hyksos-Hauptstadt Avaris im Nördlichen Nildelta. Doch was hat es mit diesen zwölf rechten Händen mit den weit gespreizten Fingern auf sich?

Die Hände wurden sauber präpariert und von Resten des Unterarms befreit. Dies erfolgte mit größter Sorgfalt, ohne Schäden an den Handknochen selbst zu verursachen.

Julia Gresky, Deutsches Archäologisches Institut

Ein Team des Labors für prähistorische Anthropologie des Deutschen Archäologischen Instituts unter der Leitung von Julia Gresky hat jetzt diese Hände eingehend untersucht. Sie wurden in drei Gruben im Vorhof des Thronsaals aus der Hyksos-Zeit (1640 bis 1530 vor unserer Zeit) mit der Handfläche nach unten vergraben.

Gesamtsicht von 11 rechten Händen, die im Vorhof des Thronsaals gefunden wurden.

© Deutsches Archäologisches Institut

„Wir konnten zeigen, dass die Hände nach dem Tod vermutlich noch auf dem Schlachtfeld abgehackt wurden“, sagt Julia Gresky in einer Pressemitteilung des DAI. „Anschließend hat man sie sauber präpariert und von allen möglichen Resten des Unterarms befreit. Dies erfolgte mit größter Sorgfalt, ohne Schäden an den Handknochen selbst zu verursachen.“

Es war also keine spontane Aktion, sondern sie folgte einem wohlüberlegten Plan. Die Wissenschaftler:innen vermuten, dass die so präparierten Kriegstrophäen dem Pharao im Rahmen einer öffentlichen Zeremonie präsentiert wurden und man sie anschließend vergraben hat.

Elf junge Männer und eine Frau

Die Finger hatte man dabei gespreizt, um die Hände der besiegten Feinde größer und eindrucksvoller erscheinen zu lassen. Die Anordnung der Hände in den Gruben wies allerdings keine Besonderheiten auf.

Wie die umfangreichen Laboruntersuchungen gezeigt haben, stammen die zwölf Hände von jungen Erwachsenen, eine Hand von einer jungen Frau. In welchem Zusammenhang sie zu den elf jungen Männern steht, ist ebenfalls noch unklar. Es könnte darauf hindeuten, dass auch Frauen damals eine Rolle im Militär gespielt haben und diese Welten nicht voneinander getrennt waren.

Inschrift im Grab des Ahmose in El-Kab.

© Deutsches Archäologisches Institut

Mit einem solchen Ritual wurde der besiegte Feind noch einmal gedemütigt, denn nach altägyptischem Glauben kann nur ein unversehrter Körper im Jenseits überleben.

Die öffentliche Inszenierung war der notwendige Schritt, um diese Botschaft zu vermitteln.

Wissenschaftler:innen in einem Beitrag für das Fachmagazin „Nature“

Für die Wissenschaftler ist die Botschaft dieses grausamen Rituals klar: „Der Pharao, Repräsentation und Personifikation der Götter, hält die universelle Ordnung aufrecht, indem er die Kräfte des Chaos besiegt, die durch die Feinde verkörpert werden. Die öffentliche Inszenierung war der notwendige Schritt, um diese Botschaft zu vermitteln“, schreiben die Wissenschaftler:innen in einem Beitrag für „Nature“. Dass diese Hände von lebenden Gefangenen genommen wurden, halten sie für unwahrscheinlich, da dies den Wert der Gefangenen als Arbeitssklaven gemindert hätte.

„Ein friedliches Völkchen waren die Hyksos nicht, zumindest nicht, als sie in eine Krise gerieten und alles plünderten, was ihnen unter die Finger kam“, sagt Bietak auf der Website der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Die Hyksos kamen aus Syrien und Mesopotamien und herrschten über 100 Jahre in Nordägypten.

Zwar wurde schon auf früheren ägyptischen Darstellungen gezeigt, wie Feinde im Zusammenhang mit Kriegshandlungen zerstückelt oder verstümmelt wurden, doch dass nun im Neuen Reich auch Szenen mit abgeschlagenen Händen auftauchen, ist neu. Die Wissenschaftler:innen vermuten, dass dieses Ritual erst von den Hyksos eingeführt und später von den Ägyptern übernommen wurde.

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