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Diese Zeichnung zeigt die Oberfläche einer roten Blutzelle, mit der Zellmembran oben und zahlreichen Hämoglobin-Molekülen (rot) unten.

© Illustration von David S. Goodsell

Spot an im Zellgedränge: Berliner Forscher steuern Proteine mit Licht

Die kleinsten Bausteine des Lebens können Forschende inzwischen beobachten – sogar in lebenden Zellen. Ein Team aus Berlin will die Technik nun perfektioniert haben.

In Zellen geht es zu wie in der U-Bahn zur Rushhour, wenn die Lokführer streiken: Zahllose Moleküle kommen, gehen und drängeln sich aneinander vorbei. Wer das Geschehen genau verstehen will, müsste es mit hochauflösenden Kameras aufzeichnen, um einzelne Akteure auseinanderzuhalten.

Mit der sogenannten Einzelmolekülmikroskopie kennen Forschende zwar eine solche Überwachungstechnik im kleinsten Maßstab bereits. Doch auch die besten Kameras haben Mühe, einzelne Individuen von Start bis Ziel zu verfolgen. Denn im Getümmel von Millionen von Proteinen einer Zelle verdecken und überlagern die Moleküle einander.

Fernsteuerung mit Licht

Dem Biochemiker Helge Ewers von der Freien Universität Berlin ist es nun mit einer neuen Technik gelungen, wenige vereinzelte und farbig markierte Proteine gezielt in der Zelle freizusetzen. Damit wird es möglich, sie für sich im Kontext ihrer Umgebung zu betrachten. Selbst in einer noch so vollen U-Bahn sticht der einzelne Partygänger mit dem blinkenden Hut noch aus der Menge heraus.

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Millionen Proteine tummeln sich in einer einfachen Hefezelle, bei Tieren können es noch mehr sein.

Wie Ewers Team im Fachblatt „Nature Methods“ erklärt, steuert es den Vorgang mit Licht: Es nutzt ein Eiweiß, das sich mit UV-Strahlung an einer definierten Sollbruchstelle in zwei Teile spalten lässt. Auf der genetischen Ebene lässt es sich mit weiteren Proteinsequenzen und einem Farbstoff kombinieren und dann in die zu beobachtende Zelle einschleusen.

Die Zelle produziert die einzelnen Komponenten als Kette und dann reicht ein kurzer, energiereicher Laserblitz, um die Bindung der Glieder zu durchtrennen. Ewers Team hatte seinen Heureka-Moment, als es erkannte, dass die Intensität der Bestrahlung die Menge an freigesetztem Protein bestimmt.

„Da wussten wir, dass unsere Technik ein weites Anwendungsfeld hat und vielen Forschenden helfen wird“, wird Ewers Mitarbeiterin Purba Kashyap in einer Meldung zitiert. Dort heißt es auch, es gäbe bereits viele Interessenten für die Technik, die er zusammen mit Laboren aus Berlin, Hamburg und Tokio entwickelt hat – auch weil sie Licht als mildes Mittel wählt, also nicht invasiv ist.

Und es soll nicht bei Beobachtungen bleiben: Weil das Verfahren es erlaube, gezielt definierte Mengen an Protein freizusetzen, kann es biochemische Prozesse auch steuern. Ewers Team konnte so bei mutierten Immunzellen die Funktion eines Enzyms und eines Ionenkanals wiederherstellen. Prinzipiell wäre das auch im sich entwickelnden Embryo oder bei lebenden Tieren möglich, schreibt es in seinem Aufsatz. Als Nächstes will Ewers die Technik an Fruchtfliegen erproben.

In Berlin hat die zellbiologische Forschung mit Licht – „Optogenetik“ genannt – eine lange Tradition. So ist etwa der Optogenetik-Pionier Peter Hegemann an der Humboldt-Universität tätig. Dem Biophysiker war es gelungen, lichtempfindliche Proteine aus Algen etwa in die Nervenzellen in Fisch, Fliege oder Maus einzuschleusen und diese so an- oder auszuschalten. Das menschliche Gehirn ist für die meisten solcher Eingriffe jedoch zu groß und lichtundurchlässig.

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