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TU Berlin: Enttäuschte Professoren

Grötschels Anhänger kritisieren ihren eigenen Kandidaten, Hochschullehrer vermissen ein Aufbruchssignal: Was die TU Berlin zur Präsidentenwahl sagt

Nach der Präsidentenwahl ist die Stimmung an der TU gespalten. Erste Reaktionen aus der Professorenschaft zeigen mangelndes Vertrauen in den Aufbruchswillen des neuen Präsidenten Jörg Steinbach, aber auch Anerkennung für seine Präsentation am Wahltag. Enttäuscht zeigen sich viele über Martin Grötschels schwache Bewerbung. Gleichzeitig mehren sich die Appelle an Grötschel-Anhänger, auch Steinbach zu unterstützen.

Der Erweiterte Akademische Senat der Hochschule hatte am Mittwochabend nach einem polarisierenden Kopf-an- Kopf-Rennen den amtierenden Vizepräsidenten Jörg Steinbach gewählt, der Mathematiker Martin Grötschel unterlag. Steinbach erhielt wie berichtet 33 Stimmen, sein Konkurrent Grötschel nur 27 Stimmen. Steinbach konnte sich vor allem auf die wissenschaftlichen und sonstigen Mitarbeiter sowie die Studierenden stützen – erhielt aber auch Stimmen der Professoren, die sich zuvor mit großer Mehrheit hinter Grötschel gestellt hatten.

„Mit Grötschel wäre ein beflügelndes Element in die Exzellenzstrategie der TU gekommen“, heißt es aus dem Lager des Mathematikers. Steinbach dagegen habe nicht einmal ein Leitthema für den neuen Antrag im Elitewettbewerb genannt. Dessen Versprechen, für ein besseres Miteinander zu sorgen und der Aufruf, die TU gemeinsam nach vorne zu bringen, seien noch kein Programm. „Meine Stimmung ist katastrophal“, sagt ein Professor.

Viele Wissenschaftler, die hohe Erwartungen in Grötschel gesetzt hatten, seien schwer enttäuscht, sagt Johann Köppel, der amtierende zweite Vizepräsident. Allerdings habe Grötschel als Kandidat der Professorenschaft „sehr ungeschickt agiert“ und sei nicht auf alle anderen Statusgruppen an der Uni zugegangen. Grötschel habe zudem von Anfang an kein klares, überzeugendes Programm für die Forschung gebracht und habe sich auch bei seiner Präsentation am Mittwoch wieder allein auf seine eigene herausragende Qualifikation und die Verdienste des von ihm geleiteten Matheon berufen. Man hätte den Eindruck gewinnen können, die TU bestehe nur aus Grötschels Forschungszentrum Matheon, sagt eine Professorin. Alle anderen teilweise ebenfalls exzellenten Bereiche seien nicht vorgekommen. Grötschels Programm der „Nachhaltigkeit“ sei „eine recht abgegriffene Floskel“.

Werden die Grötschel-Anhänger unter den Professoren tatsächlich die Kooperation mit dem designierten Präsidenten verweigern, wie zu hören war? Der Physik-Professor Christian Thomsen hatte direkt nach der Wahl gefordert, Steinbach müsse nun „das Vertrauen der Hochschullehrer gewinnen“. Andernfalls könne „alles zusammenklappen“. Aktiven Widerstand werde es aber sicher nicht geben, sagt ein Steinbach-Gegner. Problematisch sei vielmehr, dass der gewählte Präsident ein Weiter-so ausstrahle – und nicht die nötige Aufbruchsstimmung.

Im Exzellenz-Beirat der TU, der turnusgemäß direkt im Anschluss an die Wahl tagte, sei von einer Verweigerungshaltung nicht die Rede gewesen, heißt es. Vielmehr seien hoffnungsvolle Initiativen für neue Exzellenzcluster und Graduiertenschulen diskutiert worden.

Frank Behrendt, der wie Steinbach von der Fakultät für Prozesswissenschaften kommt, appellierte an seine Kollegen, mit dem neuen Präsidenten zusammenzuarbeiten. „Dass die Lager ihre Gegnerschaft ausleben, ist das Letzte, was jetzt passieren darf“, sagte Behrendt. Die TU könne in der Exzellenz-Initiative nur bestehen, wenn die Unimitglieder „gemeinsam“ an den Anträgen arbeiten würden. Susanne Teichmann von den wissenschaftlichen Mitarbeitern forderte Steinbach und die Professoren auf, „jetzt miteinander zu reden.“ Jürgen Thorbeck, Professor für Luftfahrzeugbau, sagte dagegen, die Auseinandersetzungen solle man „nicht zu ernst nehmen“. Es handele sich um den üblichen Streit der Fraktionen im Akademischen Senat. Thorbeck gehört zur linken Reformfraktion, die die Wahl Steinbachs unterstützte. Der neue Präsident stehe angesichts der finanziellen Engpässe an der TU vor einer „Herkulesaufgabe“. Steinbach müsse jetzt „kämpferisch“ gegenüber der Berliner Politik auftreten und mehr Geld einfordern.

Für die Studierenden forderte Asta-Vertreter Andreas Brehme, Steinbachs Ankündigungen dürften keine „Lippenbekenntnisse“ bleiben. So habe Steinbach versprochen, die Studierenden mehr als bisher an Entscheidungen beteiligen zu wollen – wie etwa durch die Einrichtung eines Runden Tischs, an dem die Probleme der Studienreform diskutiert werden. Möglichst schnell müsse Steinbach auch Lösungen präsentieren, wie die TU die anstehenden doppelten Abiturjahrgänge bewältigen wolle.

Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner gratulierte Steinbach zur Wahl und sagte ihm seine „volle Unterstützung“ zu. Für den Berliner Senat sei es nun wichtig, „die Aufbruchstimmung in der Technischen Universität wie in der Berliner Wissenschaft insgesamt zu nutzen, um bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses und im kommenden Exzellenzwettbewerb erneut erfolgreich zu sein.“ Zöllner dankte dem scheidenden TU-Präsidenten Kurt Kutzler für sein „erfolgreiches Wirken“. Amory Burchard/Tilmann Warnecke

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